Ruhrgebiet. Eine Woche nach Erlass der neuen Verordnung ist noch nicht klar, wer wo für wie viel Geld einen Corona-Test bekommt. Wichtig ist ein guter Grund.

„Kostenlos!“ Die extra gedruckten Werbebanner hängen noch, oder sie locken als rote Punkte zur Anmeldung ins Internet, aber sie sind ja nicht mehr wahr. Oder nur noch teilweise. Oder doch!? Eine Woche ist es her, dass der Gesundheitsminister die Coronatest-Verordnung einmal mehr neu geregelt hat, und inzwischen ist die Sache eigentlich zu Ende interpretiert – aber das überall anders. Einen Bürgertest, bitte! Macht drei Euro, macht 11,99 Euro oder macht nichts.

Der freundliche Tester in Dortmund ist verwirrt. Selbstauskunft? Quittung? Steht ja „bezahlt“ im QR-Code, den guten Grund für diesen Corona-Test will er gar nicht wissen. Der „Nachweis zur Inanspruchnahme von Testungen nach § 4a TestV“, freundlich vorformuliert vom NRW-Gesundheitsminister, ausgedruckt und sorgfältig ausgefüllt, bleibt in der Tasche. Den Beleg kann der Mann sowieso nicht scannen, und nach dem Ausweis hat er schon gar nicht gefragt. Stäbchen ins Nasenloch und tschüss. Drei Euro für ein „Negativ“.

Das Wort „kostenlos“ wird neuerdings überklebt. Denn den kostenlosen Corona-Schnelltest bekommt nicht mehr jeder.
Das Wort „kostenlos“ wird neuerdings überklebt. Denn den kostenlosen Corona-Schnelltest bekommt nicht mehr jeder. © Wolfgang Maria Weber | imago stock

Apotheker: Wie sollen wir das überprüfen?

Dabei standen auf der Seite gleich zwei Kreuzchen: „Hiermit versichere ich, dass ich zu folgender Personengruppe gehöre“, nach Absatz 1 Nr. 6 nämlich „Personen, die an dem Tag, an dem die Testung erfolgt, zu einer Person Kontakt haben werden, die das 60. Lebensjahr vollendet hat“. Und „...eine Veranstaltung in einem Innenraum besuchen werden“. In diesem Fall Stippvisite bei den Eltern und Chorprobe (wobei noch zu fragen wäre, ob die unter Veranstaltungen fällt).

Das war nun einfach, aber das ist in diesen Tagen nicht überall so – und soll es ja eigentlich auch nicht sein. Corona-Tests kosten jetzt Geld, von Ausnahmen abgesehen, aber wie viel und wer das kontrolliert? „Wie sollen wir das überprüfen?“, fragt ein Apotheker in Duisburg, „dass ein Enkel seine Oma besuchen möchte?“

Kostenloser Test

Ein Testzentrum in der Innenstadt verlangte zu Wochenbeginn für einen Test vor einem Krankenbesuch morgens 3 Euro und nachmittags 9,50 Euro, dabei wäre der Nachweis für das Betreten eines Krankenhauses eigentlich kostenlos. Auch in Düsseldorf kassierte eine Station 3 Euro vom Sohn eines Altenheimbewohners. Der aber hat inzwischen einen „Berechtigungsnachweis für einen kostenfreien Bürgertest“, ausgestellt von der Senioreneinrichtung – aber nur für den Tag des Stempels. Für den Fall eines Besuchs, heißt es darin, „bestätigen wir Ihnen, dass Ihr*e Angehörige*r am heutigen Tag in unserem Pflegeheim wohnt und Sie regelmäßige*r Besucher*in sind“. Heißt, wie auch bei Kliniken, dass jemand, für den bislang ja noch eine Test-Pflicht gilt, für jeden Besuch eine neue Bescheinigung braucht. „Wahnsinn“, sagt ein Heimbetreiber in Herne. „Fürchterlich umständlich“ klagt die Ehefrau eines Bewohners in Essen.

Drei Euro für alle, die einen negativen Test für ein privates Treffen „brauchen“.
Drei Euro für alle, die einen negativen Test für ein privates Treffen „brauchen“. © dpa | Annette Riedl

Einzelne Testcenter oder Apotheken bieten die Schnelltests deshalb auch weiterhin kostenlos an, etwa in Herne („Jeder, der möchte, sollte sich testen lassen können“), Moers oder Hattingen. Der „Testpoint“ in Gelsenkirchen hat in sein Anmeldeformular die Bedingungen für einen kostenlosen Test aufgenommen – und schließt auch diejenigen ein, die eigentlich zahlen müssten. Ein anderer Anbieter im Ort mit weiteren 24 Zentren in Oberhausen, Essen oder Velbert fragt schon bei der Anmeldung nach der Test-Art: Achtmal gibt es dort die Möglichkeit, die kostenlose Variante zu wählen, zweimal eine für 3 Euro. Bezahlung: ausschließlich online.

Test zu 3 Euro

Ein weites Feld: Wer eine „Veranstaltung in einem Innenraum“ besuchen will oder Kontakt plant zu Personen, die älter sind als 60 oder vorerkrankt, wird für 3 Euro getestet. Behaupten kann der Mensch ja vieles, beweisen kann er es kaum. Eine Kino- oder Konzertkarte könnte er vorlegen, aber die sind in der Regel nicht personalisiert. Für den Besuch bei Oma oder den alten Eltern (die würden sich freuen, wenn das Kind mal wieder käme) wird deren Personalausweis wohl niemand verlangen. Und auch keine Bestätigung, dass man verabredet ist. Zumal, Kontakt mit 60-Jährigen, das bedeutet ja auch: Viele Arbeitnehmer müssten sich täglich testen, um überhaupt den Kollegen begegnen zu dürfen… In Essen hat ein Testanbieter längst das Nachfragen eingestellt: „Man muss sich ja schon anstrengen, um nicht in so eine Kategorie zu fallen.“

Was helfen soll, ist die Selbstauskunft, die Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann aufsetzen ließ. Ausfüllen, unterschreiben, abgeben – in der Praxis aber wird der Zettel derzeit selten vorgelegt, weil gar nicht verlangt. Auf Nachfrage erklärten einzelne Testzentren, dafür Scanner anschaffen zu wollen.

Test für Selbstzahler

Experten befürchten, dass die Bereitschaft, sich testen zu lassen, weiter zurückgeht. Und damit auch die Übersicht über die Infektionen.
Experten befürchten, dass die Bereitschaft, sich testen zu lassen, weiter zurückgeht. Und damit auch die Übersicht über die Infektionen. © dpa | Tom Weller

Wer keinen guten Grund für einen Corona-Test hat (oder wem keine Ausrede einfällt), der muss nun „voll“ dafür zahlen. Viele Testcenter bieten diese Möglichkeit gar nicht erst an, auch wenn Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Begründung für „problematisch“ hält: Sie haben keine Kassen. Nun, bisher brauchten sie ja auch keine. Wo kassiert wird, passiert das im Vorfeld online. Bei der Preisgestaltung sind die Anbieter frei, was dazu führt, dass der Schnelltest etwa bei „Carefreaks“ 11,50 Euro kostet, beim „Covid Servicepoint“ (beide Mülheim) 10, bei „EcoCare“ mit seinen Stationen in ganz Deutschland, vielen davon zwischen Lünen und Moers, 11,99. Andere Teststationen sind etwas günstiger, nehmen aber zusätzlich Vorverkaufsgebühren: etwa „Medicare“ (Uni Duisburg) 1,11 Euro oder „15minutentest“ in Dortmund, Unna und Bergkamen 1,24 Euro.

Das alles aber gilt, ob kostenpflichtig oder nicht, für Menschen, die ja gar nichts haben, sondern nur wissen wollen, ob sie vielleicht infiziert sind. Es geht also um eine höchst freiwillige Leistung, noch dazu eine, um andere zu schützen (wer Symptome hat, geht zum Arzt). Experten befürchten, dass die Zahl der Tests wegen der neuen Kostenregelung nun weiter zurückgeht. Er habe derzeit „fast so viele positive Schnelltests am Tag wie in der Hochphase im Januar und Februar“, rechnet der Betreiber eines Testzentrums in Hattingen vor. Ein Wittener Kollege ergänzt besorgt: „Man darf doch nicht die bestrafen, die sich freiwillig testen lassen!“ In Essen warnt ein Apotheker vor dem Wegfall eines Frühindikators für die Corona-Lage: Die kostenlosen Tests hätten trotz einer gewissen Dunkelziffer einen „ganz guten Überblick beschert, was so los ist“.

Rückgang: Erste Teststationen schließen

Schon jetzt berichten Teststationen von Rückgängen bei den Test-Anmeldungen, zum Teil um mehr als die Hälfte. Einige von ihnen, bestätigt die Stadt Essen, „haben den Betrieb bereits eingestellt bzw. pausieren“. Auch andernorts haben erste Zentren geschlossen – auch, weil das Geld, das sie vom Staat bekommen, weniger geworden ist. Den Arztpraxen riet die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein sogar, keine Antigen-Tests mehr anzubieten. Es bleibe abzuwarten, ob weitere Teststellen schließen werden“, sagt auch Dr. Frank Renken, Leiter des Dortmunder Gesundheitsamts. Allerdings: Wenn, dann erfährt er das kaum. Die lange Liste der Anbieter ist in Dortmund bisher kaum geschrumpft, weil viele ihr Aufgeben gar nicht melden – obwohl sie vertraglich dazu verpflichtet wären. Die Stadt, so Renken, könne für nichts garantieren: „Bitte informieren Sie sich vor dem Besuch einer Teststelle telefonisch, ob sie noch geöffnet ist.“

Nun, dann kann man bei der Gelegenheit auch gleich nach den Preisen fragen. Und nach den nötigen Beweispapieren.

>>INFO: WAS DER BÜRGERTEST WEN KOSTET

In Paragraf 4 der neuen Test-Verordnung ist geregelt, wer jetzt noch einen kostenlosen oder günstigen Corona-Schnelltest bekommt. Danach zahlen gar nichts: Kinder unter 5 Jahren; Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können (etwa Schwangere in den ersten drei Monaten) oder an einer Impfstudie teilnehmen; Infizierte, die sich freitesten lassen wollen; Besucher/Patienten von Kliniken, medizinischen und Pflegeeinrichtungen; Pflegepersonen; Menschen, die mit einer nachweislich infizierten Person in einem Haushalt leben.

Drei Euro müssen Personen zuzahlen, die eine Veranstaltung im Innenraum besuchen wollen oder eine andere Person, die über 60 Jahre alt ist oder zur vulnerablen Gruppe gehört. Auch eine rote Corona-Warnapp berechtigt zu einem solchen Test.