Essen. Der Corona-Bürgertest ist nicht länger für alle gratis. Ausnahmen für pflegende Angehörige oder Heimbesuche sorgen für viele Fragezeichen.

„Ein Bürokratiemonster“, „praxisfern“, „eine Behinderung derer, die andere schützen wollen“: Aus NRW kassiert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) viel Kritik für die neuen Regeln zur Kostenbeteiligung an Corona-Bürgertest. Apotheken beklagen einen bürokratischen Aufwand, Pflegeheime befürchten einen Ansturm von Angehörigen ihrer Bewohnerinnen und Bewohner und Angehörigen wiederum stellt sich die Frage, wie sie erklären sollen, dass sie daheim jemanden pflegen.

„Auch nach zwei Jahren Pandemie findet das Chaos immer neue Wege“, sagt Matthias Blum, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft NRW. Kurzfristig und unvorbereitet müssen sich Angehörige mit einem aufwendigen Nachweisverfahren auseinandersetzen, wenn sie zum Besuch ins Krankenhaus kommen wollen. Blum beklagt, das Vorgehen des Bundes sei praxisfern. „Für die Besucherinnen und Besucher erschweren unnötige zusätzliche Hürden die Fürsorge für Erkrankte“, so der Geschäftsführer.

Corona-Bürgertest nur noch für bestimmte Personengruppen kostenfrei

Seit Donnerstag ist der Corona-Bürgertest im Testzentrum nur noch für bestimmte Personengruppen kostenfrei. Dazu zählen pflegende Angehörige sowie Besuchende von Heimen oder Kliniken. Sie müssen ihr Anliegen nachweisen. Beobachtern zufolge hat das Bundesministerium seit Bekanntwerden der Neuregelung Erklärungen dazu wiederholt nachgebessert.

Aktuell heißt es auf der Internetseite des Ministeriums: Besuchswillige können in Heimen oder Kliniken einen kostenlosen Test machen oder aber sie müssen einer Teststelle gegenüber ihre Absichten „glaubhaft“ machen. Nach Einschätzung von Fachleuten bedeutet das: Die Betroffenen müssen selbst angeben, wofür sie den Test benötigen, und diese Selbstauskunft verbindlich unterschreiben.

Für Heimbesuche hat das Ministerium zudem ein Formular bereitgestellt, das den Stempel der Einrichtung tragen muss und der Teststelle vorgelegt werden kann. Auch pflegende Angehörige müssen ihre Rolle „glaubhaft“ machen.

Nachbesserung gefordert: Heimbesuche nicht behindern

Der Pflegeschutzbund Biva NRW spricht von vielen offenen Fragen bei den Betroffenen und fordert Nachbesserungen. „Leider war das während der gesamten Corona-Zeit so: Die Vorgaben und Regelungen waren nicht eindeutig, sodass vor Ort Problem entstanden“, sagt ein Sprecher.

Konkret sei etwa nicht klar, ob vor jedem Heimbesuch auch ein aktuelles Formular der Einrichtung beschafft werden muss oder ob das Dokument unbefristet gilt. In NRW müssen Heimbesucher einen negativen Corona-Schnelltest vorlegen, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Der Pflegeschutzbund fürchtet, das Besuche am Ende ausbleiben könnten. Zugleich warnt er davor, pflegende Angehörige mit Nachweispflichten zu belasten: Schreiben etwa der Pflegekasse zu besorgen, brauche Vorlauf und sei mit Aufwand verbunden. Eine Selbstauskunft sei die bessere Lösung.

Ärger bei Heimen: „Wir fühlen uns verkohlt“

Besonders groß ist der Verdruss bei den Trägern der stationären Altenhilfe. Die Arbeitgeberinitiative „Ruhrgebietskonferenz Pflege“ wettert am Donnerstag, ihr reiche es. Die Träger stationärer und ambulanter Dienste befürchten einen Ansturm von Angehörigen und kritisieren, dass zugleich die Mittel für Altenheimtests gekürzt worden seien und coronabedingte Mehrarbeit nicht länger refinanziert werde.

„Wir fühlen uns nur noch verkohlt von dieser Bundesregierung“, sagt Konferenz-Sprecher Ulrich Christofczik.

Apothekerverband: Dieses „Bürokratiemonster“ kommt zur falschen Zeit

Kritik gibt es auch von den Apotheken. Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein, spricht von einem Bürokratiemonster, das zur falschen Zeit komme. „Die Bürgerinnen und Bürger haben die kostenlosen Bürgertests als Kompass genutzt, um eine mögliche Infektion zu erkennen. Gerade bei den hohen Inzidenzen aktuell ist es der falsche Zeitpunkt, diese Chance einzuschränken“, so Preis.

Viele Testwillige wüssten noch nichts von der Neuregelung, Unsicherheiten gebe es auch bei den Nachweispflichten. „Die Apothekerinnen und Apotheker gehen hier das Risiko ein, dass die Dokumentation am Ende nicht stimmt“, warnt Preis. Sie hätten nur wenig Vorlauf gehabt, sich auf die Neuregelung einzustellen.

Die Krankenhausgesellschaft NRW hofft derweil aufs Land, Klarheit zu schaffen. Das NRW-Gesundheitsministerium verweist indes zurück an den Bund. Mancherorts suchen Kliniken praktische Lösungen: Ist die Teststelle vor der eigenen Haustüre, lasse man sich den beabsichtigten Klinikbesuch per Unterschrift bestätigen, heißt es mancherorts.