Ruhrgebiet. Auch auf Weihnachtsmärkten kommt 2G. Crange hat zur Corona-Kontrolle eingezäunt, in Dortmund brauchen Besucher für die Bratwurst ein Bändchen.

Vor die Bratwurst hat Dortmund das Bändchen gesetzt. Grün ist das Armband am Eröffnungstag, grün wie: Der Weg zum Weihnachtsmarkt ist frei. Glühwein und all den anderen Genuss gibt es nur für Geimpfte und Genesene, für Besucher nur mit Test bleibt der Budenzauber „geschlossen“. Dabei hat die Stadt gar keine Tore, die man schließen könnte, Herne aber schon: An sechs Eingängen wird auf Crange kontrolliert.

„Ausgehungert“ seien die Leute, sagt in Dortmund Walter und hält sich schon an seinem zweiten Glühwein fest. Von „Entbehrungen“ spricht eine Frau auf Crange. Und doch tasten sie sich vorsichtig vor: Sollte das jetzt wirklich gehen, Weihnachtsmarkt bei den höchsten Corona-Zahlen aller Zeiten? „Die Menschen haben Angst vor den Inzidenzen“, sagt der Schausteller Rüdiger Hornig. „Aber nach einem Jahr Pause habe ich schon gedacht, dass mehr los ist.“ Er hatte, so sagt er das, „gehofft, dass sie uns genug vermisst haben“. Nun ist es aber auch erst Mittag, und da kommen ja auch schon die Ersten, ihre Pause von der Imbiss- an die Weihnachtsmarktbude zu verlegen. „Gehört doch zu Weihnachten“, sagt Simone. „Ich hatte Sehnsucht nach Reibeplätzchen“, gesteht Katarina. Und außerdem: „Wer weiß, wie lange noch...“

In Dortmund gibt es Bändchen für die Kontrollierten. Schaustellerin Sibylla Dietrich hilft beim Anlegen.
In Dortmund gibt es Bändchen für die Kontrollierten. Schaustellerin Sibylla Dietrich hilft beim Anlegen. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Angst der Schausteller vor einer Absage bleibt

Im Ruhrgebiet eröffnen in diesen Tagen auch die letzten großen Weihnachtsmärkte, „alle freuen sich, dass es endlich wieder losgeht“, sagt Schausteller Hornig, und nicht nur Kollege Günter Wendler in Dortmund hat bei Facebook die Tage rückwärts gezählt. Und trotzdem baute er seine zweistöckige „Almhütte“ mit „verhaltener Freude“ auf: „Man weiß ja nicht...“, sagt Wendler. Weiß nicht, ob doch noch die Maskenpflicht kommt, wie sie in Duisburg schon beschlossen ist. Weiß ja nicht, ob nicht doch noch einer auf die Idee kommt, die Märkte ganz zu schließen, wenn Corona so weiter geht. „Wenn die doch noch absagen“, sagt Schaustellerin Sibylla Dietrich, „stirbt die Hälfte der Betriebe.“ Man weiß nur, dass 2G kommt, allenthalben. Und dass das zu kontrollieren ist, irgendwie.

In Herne haben sie das leicht: Der „Cranger Weihnachtszauber“ ist ein eingezäuntes Privatgelände, da können sie in sechs Kassenhäuschen den Impfnachweis verlangen und einen Euro „Hygienegebühr“. In anderen Städten haben sie protestgerufen, schon gibt es Kritik, die eingeführten Stichproben durch das Ordnungsamt reichten nicht. In Dortmund erfanden sie das Bändchen: Am Donnerstag grün mit „Dortmunder Weihnachtsstadt“ drauf, die Farbe für Freitag verraten sie noch nicht; es stehen zehn Töne zur Auswahl. Stapelweise liegen sie neben den Kassen und auf den Theken. Drei Reibekuchen mit Apfelmus? Erst den QR-Code, dann das Geld. Erst das Bändchen, dann die Puffer.

Dortmund verteilt an Geimpfte und Genesene bunte Bändchen

In den Buden, aber auch durch Kräfte des Ordnungsamts wird in Dortmund kontrolliert, ob Weihnachtsmarkt-Besucher den 2G-Ausweis dabei haben.
In den Buden, aber auch durch Kräfte des Ordnungsamts wird in Dortmund kontrolliert, ob Weihnachtsmarkt-Besucher den 2G-Ausweis dabei haben. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Das funktioniert von ganz allein. „Ist doch Routine“, sagt Simone Lilley, „total normal geworden, dass ich den Ausweis zeigen muss.“ Die Ordnungsleute in ihren gelben Westen müssen nicht einmal fragen, sie werden schon von selbst angesprochen: „Wollen Sie nicht meinen Ausweis sehen?“ – „Wir machen nur Stichproben, aber natürlich, gern.“ Impfausweis, Personalausweis, das grüne Band wird gekonnt geklebt. Dabei muss man das gar nicht tragen, es hilft nur, um nach der Bratwurst nicht auch noch beim Crêpe das Zertifikat rauskramen zu müssen – mit fettigen Fingern am Ende noch.

Nördlich und südlich des weit verzweigten Marktes stehen außerdem blaue Buden, sie sind am Donnerstag etwas spät dran: „Es ist ja alles immer kurzfristig“, sagt Betreiber Johannes Langwieder. Noch weiß auch keiner, wie er diese ungeschmückten Hütten nennen soll; jemand sagt: „Check-in“. Man kann auch hier das Band bekommen, man kann sich auch testen lassen, aber das braucht ja eigentlich keiner. In Herne ist das ähnlich, aber auf den großen Transparenten „Geimpft, Genesen, Getestet“ vor dem Eingang haben sie das dritte Zeichen durchgestrichen. Nützt ja nix (mehr).

Süßwaren für 7000 Euro weggeworfen

Endlich wieder Kundschaft: Schausteller Rüdiger Hornig mit Ehefrau Antonia in seiner neuen Reibekuchen-Hütte.
Endlich wieder Kundschaft: Schausteller Rüdiger Hornig mit Ehefrau Antonia in seiner neuen Reibekuchen-Hütte. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Aber so geht’s, das finden sie alle. Mit 2G können Besucher die riesigen Weihnachtsbäume begucken hier wie dort, auf Crange bei Monstern im Weihnachtsmann-Kostüm Geisterbahn fahren oder bei Hornig Reibekuchen, gebacken in Erdnussöl, essen. Er hat dafür vor Dortmunds Reinoldikirche endlich den neuen Stand aufgebaut, bestellt vor Corona und danach nicht mehr gebraucht. Dafür liegt jetzt die Mandelbude still, beides geht nicht: Es ist ja auch hier kein Personal mehr zu kriegen. Überhaupt war die Zeit nicht leicht für die Branche, Rüdiger Hornig sagt: „Für den Kühlschrank und kleinere Rechnungen hat es immer so gerade gereicht.“

Es war eine „lange Durststrecke“, sagt auch Schaustellerin Sibylla Dietrich. Und die ist noch nicht vorbei: Sie musste den Glühwein im Vorfeld bestellen, „da kommt nichts mehr nach“, aber da wird auch nichts zurückgenommen. Im Frühjahr erst musste sie an ihrer Zucker-Bude Süßwaren für 7000 Euro wegschmeißen. Wenn die Politik also jetzt wieder… Nein, es macht, sagt nicht nur Hornig, ja „gerade wieder Spaß“, er will das nicht mehr, die ständige Angst.

Neuer Weihnachtsbecher steckt im Übersee-Container fest

Und was für ein Hallo und was für ein Wiedersehen! „Der erste Glühwein schmeckt immer am besten“, sagt einer, in Dortmund wie in Herne gibt es ihn diesmal aus Gläsern. Der bunte Becher mit Dortmunder Motiven, schon 2019 entworfen vom damals fünfjährigen Paul, ist indes immer noch nicht da: 2020 gab es keinen Weihnachtsmarkt, und 2021 steckt die Ware in irgendeinem Überseecontainer fest. Lieferschwierigkeiten, auch so eine Corona-Folge. Die übrigens auch für Popcorn gelten soll. Und für bunte Knatterräder, mit Liebesperlen drin. Aber Lebkuchen-Herzen, die gibt es. Sind auch länger haltbar als derzeit die Corona-Regeln.

>>INFO: WEIHNACHTSMÄRKTE MIT 2G

Nach den Plänen der NRW-Landesregierung werden alle Weihnachtsmärkte in der Region spätestens ab der kommenden Woche nur noch mit einem 2G-Nachweis zu betreten sein: Besucher müssen geimpft oder genesen sein, ein Test reicht nicht. Kontrolliert wird das in den meisten Städten stichprobenartig durch das Ordnungsamt. Einige Städte, wie etwa Bottrop, erwägen, ihre Märkte einzuzäunen, beim Weihnachtszauber auf Crange in Herne hat der private Veranstalter das ohnehin getan.

Zusätzlich zum Kontrollsystem mit Armbändchen könnte in Dortmund auch noch eine Maskenpflicht kommen. Duisburg hat sie bereits beschlossen, in Bochum muss jeder, der Schlange steht, eine Maske tragen.