Düsseldorf. Die Landespolitik spielt „Schwarzer Peter“, Gastronomen befürchten Einbußen durch 2G, Polizisten eine Spaltung des Landes.

Erstmals in der 75-jährigen Geschichte des NRW-Landtags wurde am Mittwoch eine Plenarrede von der Besuchertribüne aus gehalten. Weil auf den Abgeordneten-Sitzen neuerdings die 3G-Regel gilt, zog es die AfD-Fraktion vor, geschlossen auf der Empore Platz zu nehmen. Die übrigen Fraktionen (CDU, SPD, FDP, Grüne) unten im Plenum trieb derweil in der Sondersitzung des Landtags die Frage um, wie man die vierte Infektionswelle noch brechen kann.

Wer trägt die Verantwortung für die vierte Welle?

Im Landtag ist gerade „Schwarzer Peter“ das Lieblingsspiel der Fraktionen. Neu-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warf Bald-Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor, die Länder in der Pandemiebekämpfung „abtropfen“ zu lassen. Wüsts Forderung nach einer Ministerpräsidenten-Konferenz zur Abstimmung schärferer bundesweiter Corona-Maßnahmen sei von der SPD ausgebremst worden. Die Entscheidung der designierten Ampel-Koalition, die Sonderbefugnisse der „epidemischen Notlage von nationaler Bedeutung“ auslaufen zu lassen, sei „ein falsches Signal“. Bemerkenswert: Erstmals seit viereinhalb Jahren verweigerte Koalitionspartner FDP ihrem Ministerpräsidenten demonstrativ den Applaus.

SPD und Grüne warfen derweil Wüst vor, seine rechtlichen Möglichkeiten im vollen Corona-Instrumentenkasten fahrlässig ungenutzt zu lassen: „Eine Ministerpräsidentenkonferenz zu fordern, war weder eine Führungsleistung noch gutes Krisenmanagement“, kritisierte Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD). Die FDP wiederum, ihren künftigen Regierungspartner im Bund, halten SPD und Grüne im Land für eine freiheitsbeseelte Bremserin bei scharfen 2G-Regeln, Maskenpflicht in der Schule oder Berufsgruppen-Impfpflicht. Gesamteindruck: Alle gegen alle.

Die Meinungen zu 2G gehen auch außerhalb des Parlaments auseinander. Hier ein Überblick:

Was könnte 2G im Detail bedeuten?

Bekannt ist bisher nur, dass in NRW in Gastronomie, Kino, Sport, Kultur nur noch geimpfte oder genesene Erwachsene Zutritt (2G) erhalten sollen, in Diskotheken und Karnevalsveranstaltungen ist zusätzlich ein Test erforderlich (2Gplus). Details werden erst noch festgelegt. Ein Blick in andere Länder zeigt aber, dass 2G noch verschärft werden könnte. Sachsen steht kurz davor, 2G auf große Teile des Einzelhandels auszuweiten. Für Veranstaltungen in Innenräumen mit mehr als 50 Teilnehmenden ist dort 2Gplus im Gespräch.

Dortmund hat 2G schon für städtische Kultureinrichtungen und Veranstaltungen eingeführt. Alle Besucher ab 18 Jahren benötigen dort einen 2G-Nachweis.

Können die Kommunen das kontrollieren?

Helmut Dedy, Geschäftsführer Städtetages NRW, sagte, man setze vor allem auf die Einsicht der Menschen. Für Restaurants, Clubs oder Konzerte seien die Veranstalter in der Verantwortung, 2G zu kontrollieren. „Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der städtischen Ordnungsämter sind in den Städten unterwegs und kontrollieren stichprobenartig. Sie geben Hinweise, ermahnen und verhängen auch Bußgelder. Und die Betriebe im Freizeitbereich müssen damit rechnen, kontrolliert zu werden“, so Dedy.

Dortmund hat zum Beispiel zur Unterstützung des kommunalen Ordnungsdienstes 25 zusätzliche Kontrolleure eingestellt, die darauf achten, dass die Vorschriften eingehalten werden.

Wie sich Essen zu 2G verhält, lesen sie hier.

Wie beurteilen Polizisten 2G?

„Es ist absolut nachvollziehbar, dass NRW 2G einführen wird. Es wäre erfreulich, wenn sich dann mehr Menschen impfen lassen würden, denn nur so kommen wir aus dieser Pandemie heraus“, sagte Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Polizistinnen und Polizisten würden die Ordnungsbehörden bei den Kontrollen unterstützen, „insbesondere dann, wenn sich Menschen nicht an die Regeln halten“.

Mertens treibt allerdings eine Sorge um: „Wir müssen darauf achten, dass eine Spaltung der Gesellschaft vermieden wird. Denn wenn es soweit kommen sollte, dann steht die Polizei mitten in diesem Spalt.“

Was befürchten Gastronomen und Schausteller?

Der Gastgewerbe-Verband hätte lieber mit der 3G-Regel weitergemacht. 2G werde wohl für noch größere Umsatzeinbußen sorgen, ausgerechnet im Weihnachtsgeschäft. Weitere Verschärfungen wären unakzeptabel. „Es darf weder einen Lockdown geben noch die Wiedereinführung von Mindestabständen“, sagte Haakon Herbst, Regionalpräsident der Dehoga in NRW.

Von Schaustellern sind andere Sätze zu hören. Patrick Arens vom Schaustellerverein Rote Erde Dortmund erhofft sich von 2G eine höhere Impfquote und damit die Chance, in wenigen Monaten wieder zur Normalität zurückkehren zu können. Dann könnten langfristig Veranstaltungen wie Kirmessen wieder weitgehend normal durchgeführt werden. Auf Weihnachtsmärkten gilt zum Teil schon G2.

Was sagen Wohlfahrtsverbände?

„Nachvollziehbar und vernünftig“ ist 2G aus der Sicht von Frank Johannes Hensel, Vorsitzender der LAG Freie Wohlfahrtspflege in NRW. Die Gefahr für Leib und Leben sei in der Abwägung höher zu bewerten als die Diskussion über Freiheitsrechte. 2G müsse aber unbedingt durch viele niedrigschwellige Impfangebote begleitet werden.