Essen. An der Uni Duisburg-Essen soll eine Verwaltungsmitarbeiterin Klausurnoten gegen Geld aufgebessert haben: für 800 Euro. Nun hat die Uni reagiert.
- Bessere Noten gegen Geld? An der Universität Duisburg-Essen (UDE) sind offenbar Prüfungsnoten manipuliert worden.
- Die Ermittlungen der Kriminalpolizei gegen eine 38 Jahre alte Mitarbeiterin der Hochschulverwaltung laufen.
- Nun soll sich die UDE nach Angaben der dpa von der Mitarbeiterin getrennt haben.
An der Universität Duisburg-Essen (UDE) sind offenbar Prüfungsnoten für Studierende, darunter angehende Lehrer, gegen Geld manipuliert worden. Das geht aus den Ermittlungen der Kriminalpolizei gegen eine 38 Jahre alte Mitarbeiterin der Hochschulverwaltung hervor. Ihr wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Nun soll sich die UDE von der Mitarbeiterin getrennt haben, wie die dpa berichtet. Zig Examen könnten nun aberkannt werden.
Neben der Uni-Angestellten, die auf dem Campus Essen arbeitet, richten sich die Ermittlungen gegen fast 50 Studierende der Fakultät Wirtschaftswissenschaften. Sie sollen der Sachbearbeiterin, die in der Prüfungsverwaltung dieser Fakultät arbeitet, 800 Euro bezahlt haben, damit aus einer nicht bestandenen Prüfung (Note 5) doch noch eine bestandene (Note 4) wurde. Das Geld soll ausschließlich bar bezahlt worden sein. Durch die Investition sollen sich diese Studenten ihre Abschlüsse - Bachelor, Master, Lehramt sind möglich - erkauft haben, weil die Klausurnoten dafür wichtig sind.
Anonymer Hinweis bringt Verfahren in Gang
Niclas von Hobe, Sprecher der Essener Staatsanwaltschaft, bestätigte gegenüber der WAZ das Ermittlungsverfahren. Es gehe um den Verkauf von Noten. Anlass sei eine Anzeige der Uni gewesen. Mehr Details wolle er zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen.
UDE-Sprecher Thomas Wittek erklärte auf Anfrage, die Uni sei einem anonymen Hinweis nachgegangen. Zunächst sei intern geprüft worden. Als sich der Verdacht bestätigt habe, sei die Polizei eingeschaltet worden. Uni-Kanzler Jens Andreas Meinen: „Wir nehmen diesen Fall sehr ernst. Hier geht es um das Vertrauen in unsere Prüfungsverfahren und die Abschlüsse, die man bei uns erwerben kann. Wir sind deshalb froh, dass Polizei und Staatsanwaltschaft gründlich ermitteln, um den Sachverhalt aufzuklären. Diese Ermittlungen unterstützt die Universität nach Kräften.“
Amtsgericht genehmigt Wohnungsdurchsuchungen
Mit Beschluss vom 15. September hatte der Essener Amtsrichter Johannes Wecker auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung in den Wohnungen der Beschuldigten erlaubt. Seitdem bekommen die betroffenen Studierenden ohne jede Vorwarnung zu früher Stunde Besuch von den Ermittlern.
Die Kripo glaubt, bislang rund 160 Fälle von Manipulationen beweisen zu können. Auf jeden der 50 beschuldigten Studierenden kommen also im Schnitt drei manipulierte Prüfungen.
800 Euro für eine bestandene Klausur
Seit April 2017 soll die in Essen wohnende Verwaltungsangestellte ihren Service angeboten und Bestechungsgelder kassiert haben. Offenbar gab es eine feste „Gebührenordnung“. Neben den 800 Euro für eine bestandene Klausur kostete jede Höherstufung der Note um 0,3 Punkte weitere 50 Euro, nimmt die Kripo an.
Wer, aus welchem Grund auch immer, eine Prüfung versäumt hatte, brauchte sich keine großen Sorgen zu machen, wenn er zur Zahlung bereit war. Denn dann soll die Mitarbeiterin dafür gesorgt haben, dass trotz des Vermerks „NE“ für „nicht erschienen“ die Anwesenheit bestätigt und eine ordentliche Note bescheinigt wurde.
Note im Computer verändert
Möglich war die Manipulation nach den Ermittlungen durch das Nebeneinander von schriftlicher und elektronischer Erfassung der Note. Die Klausuren und die vom Prüfer vergebene Note liegen auf Papier vor. Die Note wird anschließend von der Univerwaltung in ein Computerprogramm übertragen.
Bei dieser Eingabe kann manipuliert werden. Ebenso besteht auch die Möglichkeit zur händischen Korrektur einer bereits eingetragenen Note, wenn zum Beispiel der Widerspruch gegen ein schlechtes Ergebnis Erfolg hatte. Möglichkeiten des manipulativen Eingriffs gab es also.
Studium erfolgreich abgeschlossen
Ob jemand einen erfolgreichen Abschluss des Studiums bekommt, ermittelt der Computer, weil er dafür auf die im System elektronisch hinterlegten Noten zurückgreift. Für die Abschlussurkunde überprüft offenbar niemand mehr, ob die Noten im Computer mit denen auf den Klausurbögen übereinstimmen. Uni-Sprecher Wittek: "Pro Semester gibt es bei uns rund 120.000 Prüfungen."
Die Ermittlungen gestalten sich recht unkompliziert. Die Kripo vergleicht die schriftlichen Resultate mit den Noten im Computersystem der Uni und filtert so mögliche Manipulationen heraus. Bei jedem Eintrag in der elektronischen Datenverarbeitung lässt sich anhand der Kennung auch nachvollziehen, wer ihn geschrieben hat. Die Ermittler sehen bislang nur die 38 Jahre alte Sachbearbeiterin der Uni als Täterin.
Ermittlungen ausgedehnt
Weil die Mitarbeiterin seit 2009 an der Uni arbeitet, werden die Ermittlungen künftig ausgedehnt. Geht es bislang nur um den Tatzeitraum 2017 bis 2020, untersucht die Kripo dann auch Prüfungen älteren Datums, mit denen die Sachbearbeiterin befasst war.
Rechtsanwalt Volker Schröder vertritt eine der beschuldigten Studierenden. Seine 28 Jahre alte Mandantin aus Essen hat durch die manipulierten Klausurnoten ihr erstes Staatsexamen für das Lehramt an Berufsschulen bestanden und dadurch den Zugang zum Referendariat erhalten. Das alles verliert sie jetzt.
Traumberuf nicht mehr möglich
Der Verteidiger weist auf die menschliche Komponente des Falles hin: „Es tut mir leid, dass der Traumberuf meiner Mandantin dadurch nie ausgeübt werden kann. Und viele Jahre Studium waren vergebens.“
Seiner Mandantin sei aber nie bewusst gewesen, dass sie eine Mitarbeiterin der Uni bestochen habe. Denn Ausgangspunkt sei ein 35 Jahre alter Essener gewesen, der den Studierenden der Wirtschaftswissenschaft Vorbereitungskurse für die Klausuren angeboten habe. 300 Euro kostete die Teilnahme. Das ist legal. Er machte das nebenberuflich.
Leitete Kursleiter das Geld weiter?
Von ihm, so Anwalt Schröder, sei schon mal der Hinweis bei schlechteren Studenten gekommen, er könne „auch ein gutes Wort für dich“ einlegen. Das koste aber. Und so habe seine Mandantin dem Leiter ihres Vorbereitungskurses die 800 Euro gegeben, nicht der Uni-Mitarbeiterin.
So richtig ist diesem Kursleiter übrigens nicht zu trauen. Von ihm gibt es Äußerungen in Zeitungsberichten, dass sein Lieblingsclub Rot-Weiss Essen sei. Allerdings versichert er an anderer Stelle auch seine Liebe zum KFC Uerdingen. Echte Fans wissen, beides geht gar nicht. (mit dpa)