Essen. Korruptionsverdacht an der Uni Duisburg-Essen: Zig Examen könnten aberkannt werden – die Uni hat bereits Konsequenzen aus dem Fall gezogen.

Zehntausende Prüfungen hat die Uni Duisburg-Essen nach Bekanntwerden der mutmaßlich gekauften Noten noch einmal unter die Lupe genommen. Dabei wurden laut Uni-Sprecher Thomas Wittek keine weiteren Unregelmäßigkeiten entdeckt. „Deshalb gehen wir davon aus, dass es sich bei der 38-jährigen Beschuldigten um einen Einzelfall handelt.“ Auch die Ermittler sehen bislang nur die Sachbearbeiterin als Täterin. Die Uni hat sich wegen möglicher Korruption von der Mitarbeiterin getrennt.

Der Mitarbeiterin der Hochschulverwaltung wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Sie soll vermutlich jahrelang Prüfungsnoten gegen eine Zahlung von 800 Euro verbessert haben. Die Ermittlungen richten sich gegen fast 50 Studierende der Wirtschaftswissenschaften. Die Kripo glaubt, rund 160 Fälle von Manipulationen nachweisen zu können. Auf jeden beschuldigten Studierenden kommen also im Schnitt drei manipulierte Prüfungen. Eingegriffen wurde offenbar beim Übertrag der schriftlich vergebenen Prüfungsnote in das Computersystem der zentralen Prüfungsverwaltung. An dieser Schnittstelle kann die Note manipuliert werden.

Verwaltungsabläufe geändert

„Wir haben die Vorgänge inzwischen geändert“, erklärt Thomas Wittek. Demnach tragen die Fakultäten, die die Note vergeben, diese nun selbst in die zentrale Prüfungsdatenbank ein, so dass ein Abgleich zwischen der schriftlich und elektronisch erfassten Note automatisch erfolge. „So kann niemand mehr ohne Wissen des Dozenten, der die Note vergeben hat, diese nachträglich verändern“, erklärt Wittek.

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Ein solcher Fall sei ihm in seiner jahrzehntelanger Tätigkeit noch nicht untergekommen, zeigt sich der Wissenschaftsrechtler Wolfgang Löwer von der Uni Bonn erstaunt. Die Vorgänge seien „höchst verwerflich“, jedoch könne hier nicht von einem akademischen Fehlverhalten gesprochen werden, wie es etwa ein Plagiat in einer Doktorarbeit darstelle. Es handele sich offenbar um einen Fall von Korruption, wie er wohl in vielen Verwaltungsapparaten vorkommen könne.

Karrieren könnten platzen

„Wenn sich ein Student lediglich eine Notenverbesserung seiner Klausur erkauft hat, wird das Ergebnis nachträglich korrigiert, und er fliegt wegen Bestechung von der Uni“, so Löwer. „Wurden indes Klausuren so beeinflusst, dass dadurch der Studienabschluss bestanden wurde, wird ihm das Examen aberkannt, falls das Vergehen nicht länger als fünf Jahre zurückliegt“, erklärt der Jurist. Für eine Anstellung im Öffentlichen Dienst käme diese Person dann nicht mehr infrage. Etliche Karrieren könnten nun platzen. Die 38-Jährige arbeitete seit 2009 in der Univerwaltung.

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Auch Löwer glaubt im Falle der Essener Sachbearbeiterin an einen „korruptiven Einzelfall“. Er sieht aber auch, dass beim Übertrag der Noten leicht manipuliert werden kann. Bei 120.000 Prüfungen pro Semester, die an der Uni Duisburg-Essen abgelegt würden, sei eine wirksame Kontrolle nur mit mehr Personal möglich. Löwer: „Man kann sich schlecht schützen gegen Mitarbeiter, die auf die falsche Spur geraten.“ Die Uni beschäftigt gut 1500 Menschen in Technik und Verwaltung.

Uni: Es geht um unseren Ruf

Die Landesrektorenkonferenz (LRK) hofft auf eine strenge Ahndung. „Der Fall ist jedoch sicher nicht dazu angetan, an einer korrekten Leistungsbewertung an Hochschulen zu zweifeln“, so die LRK. Das betont auch Uni-Sprecher Wittek: „Wir nehmen den Fall sehr ernst. Es geht um das Vertrauen in unsere Prüfungsverfahren und Abschlüsse, die man bei uns erwerben kann.“