Essen. Unter seinem Lkw starb der 19-Jährige. Doch das Gericht sah nur eine geringe Schuld des Fahrers und stellte das Strafverfahren ein.
Gestraft sein fürs Leben dürfte er schon durch die Tat, als er beim Rangieren mit dem Lkw seinen Beifahrer überrollte. Am Dienstag musste der 23-Jährige sich wegen fahrlässiger Tötung vor dem Essener Amtsgericht verantworten, blieb aber ohne eine Verurteilung. Amtsrichter Johannes Wecker stellte das Strafverfahren wegen geringer Schuld ohne Auflagen ein.
Ein Fall, der traurig macht. Ein Fall, der fast jedem am Steuer eines Lkw passieren kann. Am Dienstag, 14. Januar 2020, war der Berufskraftfahrer, der aus seiner Heimat im Westerwald kam, in Essen an seiner Einsatzstelle angekommen. An einer Baustelle in Höhe des Tierheims an der Grillostraße nördlich der City sollte er einen Baucontainer anliefern. Neben ihm auf dem Beifahrersitz ein 19-Jähriger, Auszubildender zum Berufskraftfahrer.
Hinter den Lkw getreten
Als der Angeklagte vor der Baustelle rangieren musste, ließ er den Jüngeren aussteigen, damit dieser ihn einwies. Laut Anklage stoppte er den mit einem Anhänger versehenen Lkw, fuhr rückwärts, stoppte erneut kurz, setzte wieder zurück. Kurz zuvor muss wohl der 19-Jährige seinen sicheren Platz verlassen haben und hinter den Lkw getreten sein.
Ein fataler Schritt. Der 19-Jährige reagierte nicht mehr rechtzeitig auf die erneute Rückwärtsfahrt des Lkw, geriet unter ihn und wurde vom Reifen überrollt.
Zwei Stunden später verstorben
Der Fahrer hatte das Hindernis bemerkt und war ausgestiegen. Als er den Beifahrer unter dem Reifen entdeckte, bewegte er das Gespann zwar schnell nach vorne und alarmierte die Feuerwehr. Letztlich kam die Hilfe aber zu spät. Der 19-Jährige starb zwei Stunden später im Krankenhaus.
Wer trägt die Schuld? Die Anklage wirft dem Fahrer vor, dass er sich angesichts der ersten Fahrt des Auszubildenden besser hätte vergewissern müssen, dass keine Gefahr bestand.
Fabrikneuer Lkw
Der 23-Jährige enthält sich jeder Wertung. Er erzählt, wie sie sich morgens um fünf Uhr auf dem Parkplatz der Spedition im Westerwald getroffen hätten. Gemeinsam seien sie um das Auto gegangen, um den Zustand zu überprüfen. Alles war ok. Kein Wunder, den Lkw hatte er erst ein Jahr zuvor fabrikneu übernommen. Ausführlich habe er sich mit dem Auszubildenden über den genauen Ablauf an der Baustelle unterhalten.
Danach habe der 19-Jährige sich mit dem Handy beschäftigt, gespielt. "Das ist ja auch sein gutes Recht", sagt der Angeklagte. Vor Ort in Essen hätten sie sich die Baustelle angeguckt und einen Plan gemacht. "Das sollte ihm ja beigebracht werden", erklärt er. Zunächst hatten sie den Hänger abstellen wollen, um dann in die Baustelle zu fahren. "Ich habe ihn dann gebeten, seine Warnjacke anzuziehen und mich einzuweisen."
Zukunft nicht verbauen
Er schildert sein Fahrmanöver. Und dann? "Plötzlich sah ich im Rückspiegel, dass etwas auf der Straße lag. Ich meine, es waren seine Schuhe."
Wer will da Richter sein bei diesem Augenblicksversagen, den 19-Jährigen nicht die gesamte Zeit im Blick gehabt zu haben? Ein Verkehrsrowdy ist der Angeklagte ausweislich des Verkehrsregisters nicht. Richter Johannes Wecker stuft die Schuld des 23-Jährigen gering ein, stellt das Verfahren ein. Er begründet es: "Dem jungen und ordentlichen Kraftfahrer, dem nur eine geringfügige Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist, sollte die berufliche und private Zukunft nicht verbaut werden."