Ruhrgebiet. Mehr Sicherheit für Personal und Gäste? Oder eine Impfpflicht durch die Hintertür? Was Wirte von den verschärften Regeln für Ungeimpfte halten.

Angesicht der steigenden Infektionszahlen nimmt die Diskussion Fahrt auf, die Regeln für ungeimpfte Menschen künftig zu verschärfen. Um „sicher durch Herbst und Winter“ zu kommen, sollen laut einem Bericht des Bundesgesundheitsministeriums selbst getestete Ungeimpfte ab bestimmten Grenzwerten nicht ins Restaurant, Kino oder Stadion dürfen. Gleiches soll für Kulturveranstaltungen gelten. Was einige Gastronomen und Veranstalter im Ruhrgebiet als „Impfpflicht durch die Hintertür“ bezeichnen, stößt bei anderen auf Zustimmung.

„Alles, was ansatzweise mit Beschränkungen zu tun hat, finden wir grundsätzlich erst einmal blöd“, sagt Christian Bickelbacher, Vorsitzender der Immobilien- und Standortgemeinschaft Bermudadreieck Bochum (ISG). „Aber“, so der Gastronom, „wir sind ein sehr buntes Völkchen hier im Bermudadreieck“, der Partymeile in Bochum. Die Meinungen gingen dementsprechend weit auseinander: Während einige Betreiber den Ausschluss von Ungeimpften befürworteten, seien andere strikt dagegen.

Christian Bickelbacher betreibt sechs Läden in Bochum, darunter das Tucholsky (Bild).
Christian Bickelbacher betreibt sechs Läden in Bochum, darunter das Tucholsky (Bild). © FUNKE Foto Services | André Hirtz

„Letztlich ist das eine Impfpflicht durch die Hintertür“

Christian Bickelbacher betreibt sechs Restaurants und Kneipen in Bochum, hat viel Geld in Hygienekonzepte investiert. Ungeimpften den Zutritt zu verwehren, hält er persönlich für falsch: „Menschen in ihren Freiheiten einzuschränken, die es geschafft haben, in den vergangenen 16 Monaten gesund zu bleiben“, so der 50-Jährige, „das ist für mich ein Unding“. Eine Impfung sei eine individuelle Entscheidung. Erst kürzlich habe ihm ein Stammgast erzählt, er habe sich nur impfen lassen, weil er sonst „bald keine Rechte mehr“ habe. „Letztlich ist das eine Impfpflicht durch die Hintertür“, sagt Bickelbacher, „ein Eingriff in die Grundrechte“.

Und wenn nur noch geimpfte Menschen ins Restaurant dürfen, was ist mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern? So sind in den Läden von Christian Bickelbacher nur etwa zwei Drittel der insgesamt 300 Beschäftigten geimpft. Alle anderen, vor allem Jüngere, hätten sich bewusst gegen eine Impfung entschieden, so der Gastronom. „Diese Frage beschäftigt viele Betreiber“, sagt Renate Dölling vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Westfalen. Schließlich könnten sie Beschäftige nicht zu einer Impfung zwingen. Und um nur immunisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen zu können, fehle es der Branche an Kräften. „Wir haben ja jetzt schon kaum Personal.“

„Vielleicht kommen wir dann dahin, wo wir hin wollen“

Nobert Menzel, Chef des LM:V Veranstaltungsservice Herne, würde es begrüßen, wenn künftig nur Menschen mit vollem Impfschutz Veranstaltungen besuchen dürften. „Ich fände es gut“, sagt der 64-Jährige, „um meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen“. Aber auch, damit Partys und Konzerte wieder sicher stattfinden könnten – draußen und drinnen.

Norbert Menzel ist Chef des LM:V Veranstaltungsservice in Herne.
Norbert Menzel ist Chef des LM:V Veranstaltungsservice in Herne. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„Wir haben lange Zeit hintenangestanden“, sagt Nobert Menzel, der seit 30 Jahren Feiern in und um Herne organisiert, darunter Geburtstage, Hochzeiten und Firmenevents. Mittlerweile gäbe es für jeden ein Impfangebot. „Wenn die Leute sich nicht impfen lassen wollen – selbst Schuld“, sagt er. Was andere als „Impfpflicht durch die Hintertür“ bezeichnen, könne in seinen Augen durchaus ein Ende der Pandemie bedeuten: „Vielleicht“, so Menzel, „kommen wir dann dahin, wo wir hin wollen“: Zu einer Impfquote von rund 85 Prozent.

Dehoga NRW: Keine Einschränkungen für den Restaurantbesuch

Am Dienstag (10.8.) wollen die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das weitere Vorgehen in der Corona-Krise besprechen. Der Hotel- und Gaststättenverband in NRW fordert, dass künftig „andere, relevante Faktoren“ wie zum Beispiel die Impfquote, Krankheitsverläufe oder die Auslastung der Intensivstationen berücksichtigt werden. „Die derzeit geltenden und längst überholten Inzidenz-Grenzwerte müssen schnellstmöglichst angepasst und deutlich heraufgesetzt werden“, heißt es vom Verband. Es dürfe durch „unangepasste Schwellenwerte“ und „2- oder 3-G-Regelungen“ nicht zu erneuten Einschränkungen für den Restaurantbesuch oder Hotelaufenthalt kommen. „Um es in aller Deutlichkeit zu sagen“, so Regionalpräsident Haakon Herbst: „Unsere Branche wird keinen einseitigen Lockdown mehr mittragen“.