Ruhrgebiet. Die steigenden Inzidenzen und Infektionszahlen zerren an den Nerven vieler Brautpaare. Doch nun gibt es für sie eine neue Hoffnung.

Update, 12. August, 15.40 Uhr: Wie das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) mitteilt, sind Hochzeiten - also private Partys und vergleichbare Feiern ohne das Einhalten des Mindestabstandes und der Maskenpflicht - auch in der Inzidenzstufe 2 ab dem kommenden Wochenende möglich. Voraussetzung dafür ist ein angemessenes Schutzkonzept. "Die Kommunen haben hier Spielraum für passgenaue Lösungen, die den örtlichen Gegebenheiten Rechnung tragen", erklärt das MAGS.

Hochzeiten in NRW: Ausnahme in der Corona-Schutzverordnung

Eine Ausnahme in der Corona-Schutzverordnung macht es möglich, "ohne dass bei langfristig geplanten Feiern und Hochzeiten auf Musik und Tanz verzichtet werden muss", schreibt das Ministerium in einer Pressemitteilung. Und beruft sich auf folgenden Teil der noch bis Donnerstag gültigen Corona-Schutzverordnung: "Ausnahmen von Geboten und Verboten dieser Verordnung können die zuständigen Behörden eigenständig nur in den ausdrücklich in dieser Verordnung vorgesehenen Fällen erteilen. Weitergehende Ausnahmen bedürfen der vorherigen Zustimmung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales."

In welcher Inzidenzstufe liegt ihre Stadt oder ihr Kreis? Hier geht es zur Liste. Bis zum heutigen Nachmittag war bei vielen Brautpaaren die Verunsicherung groß.

Lesen Sie hier den ursprünglichen Bericht: „Wir haben uns noch nie auf etwas so gefreut, wie auf diesen Tag“, sagt Sanja Dittmar. 14 Jahre lang ist sie mit ihrem Verlobten zusammen. „Eigentlich“, sagt sie, „wollten wir nie heiraten“. Irgendwann kam er doch, der Antrag, und mit ihm jede Menge Vorfreude. Die Hochzeit sei bis in kleinste Detail geplant, Ende August soll die Feier stattfinden. „Wir möchten keine Geschenke“, sagt die 52-Jährige. „Uns ist nur wichtig, dass wir und unsere Gäste einen unvergesslichen Tag haben.“

Doch die steigenden Zahlen könnten den Traum wenige Wochen vor der Hochzeit noch platzen lassen. So sind in der Inzidenzstufe 1 (Inzidenz zwischen 10 und 35) private Feiern mit bis zu 100 Gästen draußen und 50 Gästen in Innenräumen erlaubt. Geimpfte und Genesene werden nicht mitgezählt, auch der Mindestabstand muss nicht eingehalten werden. Liegt die Inzidenz jedoch über 35, muss zumindest die Party ausfallen.

Denn in der Corona-Schutzverordnung des Landes wird zwischen privaten Veranstaltungen und Feiern unterschieden. Zwar dürfen Hochzeiten in der Inzidenzstufe 2 weiter mit derselben Anzahl an Gästen stattfinden, Partys sind allerdings nicht erlaubt. Das enge Tanzen auf einer privaten Feier sei „ähnlich problematisch wie der Besuch einer Disco“, heißt es in der Verordnung. Der Mindestabstand darf lediglich an festen Sitzplätzen unterschritten, die Maske nur draußen und an den Tischen abgenommen werden.

Hochzeitsplanung in Corona-Zeiten: „Es raubt mir meine Nerven“

„Wir sind untröstlich und traurig“, sagt Sanja Dittmar. Von den 67 Gästen seien drei noch nicht vollständig geimpft. „Was sollen wir denn noch machen?“, fragt sich die Dortmunderin. „Wir haben nicht 25.000 Euro bezahlt, um am Kaffeetisch zu sitzen und Kuchen zu essen.“

In den sozialen Netzwerken teilen viele verzweifelte Paare die Sorgen der Braut: „Ich glaube, ich war noch nie so angespannt“, schreibt eine Kölnerin in einer Facebook-Gruppe. In knapp drei Wochen will auch sie heiraten. Für die Stadt Köln gilt derzeit noch die Inzidenzstufe 1, die Sieben-Tage-Inzidenz hat jedoch am Dienstag den Wert von 35 überschritten. „Man kann nicht mehr machen, als Daumen drücken“, schreibt sie. „Ich bange auch mit“, antwortet eine Frau aus dem Kreis Euskirchen. Sie und ihr Mann wollen Ende August heiraten. „Es raubt mir meine Nerven.“

Absage bei Tanzverbot: „Auf die Kulanz der Location hoffen“

„Es ist ein Auf und Ab der Gefühle“, weiß Hochzeitsplanerin Silvia Heßmer. Seit mehr als fünf Jahren organisiert die Essenerin unter dem Namen „Ruhrliebe“ Feiern im gesamten Ruhrgebiet. „Die ganze Situation ist sehr unsicher“, sagt sie. Das viele Zittern und Bangen führe dazu, dass sich die Brautpaare überhaupt nicht mehr auf ihre Hochzeit freuten. Einige sagten ab, weil sie keine Lust auf den ganzen Stress hätten. Dabei sei die Planungsphase normalerweise mit viel Vorfreude verbunden.

Für Brautpaare sei die Situation „ein Auf und Ab der Gefühle“, sagt Hochzeitsplanerin Silvia Heßmer.
Für Brautpaare sei die Situation „ein Auf und Ab der Gefühle“, sagt Hochzeitsplanerin Silvia Heßmer. © Ruhrliebe Hochzeits- und Eventplanung

Stattdessen haben einige Paare nun Ärger mit dem Veranstalter: „Ende August soll unsere Hochzeit stattfinden“, erzählt eine junge Frau aus der Nähe von Wuppertal. Aktuell sei der Inzidenzwert am Veranstaltungsort jedoch so hoch, dass nur eine Feier ohne Party erlaubt ist. Mehrfach habe das Paar die Veranstalterin kontaktiert: „Wir bekommen jedoch keine Rückmeldung oder immer nur gesagt: ‚Die Hochzeit kann auf jeden Fall stattfinden.‘ Ich bin so traurig“, sagt die Braut. Sie ist sich sicher, dass der Abend „recht schnell vorbei sein wird“, sollte keine Party erlaubt sein.

Da private Feiern auch bei einer Inzidenz über 35 nicht verboten sind, gäbe es für die Betreiber der Location keinen Grund, die Hochzeit abzusagen, sagt Silvia Heßmer. Die Paare müssen also selbst stornieren. Gerade bei kurzfristigen Absagen bleiben sie dabei nicht selten auf den gesamten Kosten sitzen. „Allerdings“, stellt Heßmer klar, sorge ein Tanzverbot schon dafür, dass die Feier anders stattfinden muss als geplant. Einen Teil des Geldes könnten betroffene Paare also zurückerhalten. „Im Endeffekt muss man auf die Kulanz der Location hoffen.“

„Für die Eventbranche ist das ein Verlustgeschäft“

Aber man müsse auch die andere Seite sehen: Auch Veranstalter hätten Kosten, müssten ihr Personal bezahlen, so die Hochzeitsplanerin. Innerhalb weniger Wochen könnten Betreiber einen Raum nicht neu vermieten. „Es gibt einige Dienstleister, die die Pandemie nicht überlebt haben“, sagt Heßmer. Auch sie hat im vergangenen Jahr nur eine große Feier organisiert – 2019 waren es 14. In diesem Jahr sei die 37-Jährige mit elf Feiern fast wieder auf „Vor-Corona-Niveau“ – „vorausgesetzt die kommenden Hochzeiten können stattfinden“.

Noch „so ein Jahr“ und es würde auch für Hochzeits-DJ Alexander Finger schwierig werden. Zwar sei der 36-Jährige für den Sommer so gut wie ausgebucht. Angesichts der steigenden Zahlen blickt er jedoch mit Sorge auf die kommenden Monate: „Der Herbst ist gefährdet“, sagt der Musiker aus Castrop-Rauxel. So wollten viele Paare keine Gäste ausladen – und würden die Feier lieber verschieben. „Für die Eventbranche ist das ein Verlustgeschäft.“

„Wir müssen zuversichtlich bleiben“

Ohne Musik und Tanz wollen Sanja Dittmar und ihr Mann ihre Hochzeit nicht feiern und auch nicht verschieben. Nur eine standesamtliche Trauung soll es in diesem Fall geben. „Unsere letzte Hoffnung ist die Ministerpräsidentenkonferenz am 10. August“, sagt die 52-Jährige. Sie hofft, dass dann nicht mehr nur die Sieben-Tage-Inzidenz als entscheidender Richtwert herangezogen wird. „Wir freuen uns beide so sehr auf die Hochzeit“, sagt Sanja Dittmar. „Wir müssen zuversichtlich bleiben. Was anderes können wir nicht tun.“