Essen. Das Ruhrhochwasser hat dem Ehepaar Henselowsky aus Essen-Werden fast alles genommen. Nun kommt erste Hilfe aus dem Spendentopf unserer Leser.
Die Ruhr floss schon mehr als zwölf Stunden durch das Erdgeschoss, da holten sie die Leute mit Tauchern. In Schwimmwesten und Gänsemarsch tasteten sie sich die Treppe hinab, immer tiefer in den Schlamm, bis ihnen das Wasser bis über die Brust stand, jeder eine einzige Tasche auf dem Kopf. Über die Mülltonnen kletterten sie in die Rettungsboote, klitschnass, einen Blick noch wagte Rainer Henselowsky zurück – und sah, „dass alles schwamm“. Es war Donnerstag, der 15. Juli, Henselowsky sagt: „Tag X“.
Es riecht, wie es gerade überall riecht, wo das Hochwasser in das Leben der Menschen gekommen ist, nach Schlamm, Schimmel und Feuchtigkeit. Dabei ist gar nichts mehr da, was riechen kann. Die Wohnung der Henselowskys in Essen-Werden ist leer. Es gibt keine Möbel mehr, die Stäbchen des Parketts liegen draußen im Container, die Fliesen, selbst der Estrich muss noch weichen und vielleicht die Wände, die nicht tragen. Zwei Haken stecken noch in einer Mauer, es hing hier ein Spiegel, der Rest ist: weniger als Rohbau. „Unsere Wohnung“, sagt Rainer Henselowsky, „ist ertrunken.“
Am Apfelbäumchen hielten sich tapfer sieben Früchte
„Tag X“ war zugleich die „Stunde Null“ im Leben des Paares, „es war überhaupt nichts mehr zu retten“. Nur zwei schlammverkrustete Kisten Wein aus dem Keller, etwas ebensolches Sprudelwasser und ein paar Blumenkübel: Die haben sie hergerichtet, „aus psychologischen Gründen“, die Bienen summen schon wieder um die Stauden, und am Apfelbäumchen hängen tapfer sieben Früchte. Eine Freundin hat eine Sonnenblume gebracht, sie steht in einer Plastikflasche, ein Zeichen der Hoffnung.
Aber woher sollen sie Hoffnung nehmen? Am Donnerstag ist der Bautrupp nicht gekommen, sie müssen jetzt eigentlich alles rausreißen, schnell, es ist ein Kampf gegen den Schimmel. Die vollgesogene Dämmung der Tiefgarage hängt noch, Wanne und Dusche müssen weg; nebenan haben sie erst jetzt das Mobiliar hinausgeworfen: Alles stinkt, die Schimmelpilze wachsen aus dem Sofa. Henselowskys haben das sofort angepackt, fünf Großcontainer sind abgefahren worden, zurück blieb das Nichts.
„Verwüstung“: Kissen in der Küche, Schlamm in der Badewanne
Rainer Henselowsky, 53, zeigt Fotos vom Wasser, er ist gleich am nächsten Morgen zurückgekehrt – und rückwärts wieder rausgegangen, einmal durchatmen. „Den Anblick wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht.“ Alles umgekippt, zerbrochen, die Kissen aus dem Schlafzimmer schwammen in der Küche, die Badewanne voller Schlamm, Henselowsky hat nur ein Wort dafür: „Verwüstung“.
Dabei hatte er versucht, zu retten, was zu retten war, als früh um fünf das Ruhrwasser an der Laupendahler Landstraße leckte. Als die Ruhr bei Hattingen schon hoch stand und in Werden der Pegel schon nicht mehr messbar war. Die Autos aus der Tiefgarage!, da musste er schon waten, ein paar Sachen aus dem Keller!, da war der Strom schon weg; das nasse Kerzentablett liegt immer noch dort unten.
Taucher retteten die Bewohner, die Wohnungen gab die Feuerwehr auf
„Wir haben keine Sandsäcke mehr“, meldete die Feuerwehr, man habe aber welche bestellt, aus Kleve. „Ihre Keller sind nicht zu halten“, sagte die Feuerwehr, und noch später: „Das Erdgeschoss auch nicht, die Wohnungen laufen voll.“ Dann fiel im Keller ein Regal um, der Fluss brach ein Loch in die Wand, „es war ein großes Rauschen“, 400.000 Liter sollen im Untergeschoss gestanden haben, Henselowsky floh. Ins Erdgeschoss, dann in die oberen Etagen, wo er auf Tischen und Betten seine Kleidung fand: Nachbarn hatten gerafft, was in der Eile ging, „ich weiß gar nicht, wie die das geschafft haben“. Henselowsky hat deshalb noch „Hemd, Hose und etwas Unterwäsche“.
Strom haben die Nachbarn bis heute nicht. Warmes Wasser auch nicht. Eben kommt ein alter Herr den matschigen Bürgersteig entlang, eine Hand am Rollator, in der anderen eine rote Thermoskanne. In Henselowskys Wohnung gibt es nur noch einen Besen, aber der wirbelt bloß Staub auf. Was weg ist, ist „mein Rückzugsort“, Henselowskys hatten es sich gemütlich gemacht, alle Besucher haben das stets gesagt. Eingerichtet hatten sie sich seit 2002, „wie wir uns das immer erträumt hatten“.
„Jeder Euro zählt“ für den Wiederaufbau
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Aber jetzt steht Rainer Henselowsky da, zeigt in leere, feuchte Räume und sagt immerzu: „Das war…“, „das war...“ und „das war...“ „Von den Möbelstücken haben wir kein einziges Stück gerettet.“ Weg ist auch die liebevoll gepflegte Rezeptsammlung seiner Frau und die letzte Postkarte seines früh verstorbenen Großvaters. „Dinge, die ans Herz gehen“, sagt der 53-Jährige. Er muss funktionieren, das hilft, aber es geht ihm nicht gut und seiner Frau noch schlechter.
Sie wohnen jetzt in einer möblierten Wohnung, müssen dort natürlich Miete zahlen, versichert gegen Hochwasser waren sie nicht: Als Anwohner der Ruhr war eine solche Versicherung nicht zu bekommen. Einen Antrag auf Hilfe bei der Caritas, in deren Töpfe das Spendengeld der Funke-Leser fließt, hat Henselowsky dankbar gestellt, „jeder Euro zählt“. Wie es auch immer weitergeht, sie wollen zurückkommen, ein Jahr wird das vielleicht dauern: „Das ist meine Heimat, das will ich wieder aufbauen.“
Betroffene in Essen können Soforthilfe beantragen: Einfach unter der Mailadresse hilfe@caritas-e.de kurz die Sachlage schildern, Name, Adresse, telefonischen Kontakt (wenn möglich) nicht vergessen. Zusätzlich Kontodaten, Anzahl der Personen im Haushalt und evtl. eine Kopie des Personalausweis mitsenden.