Aachen. Stephan Jentgens, Aachener Diözesancaritasdirektor, berichtet über die Situation in den Krisengebieten und wie geholfen wird und werden soll.
Stephan Jentgens ist Aachener Diözesancaritasdirektor. In seinem Zuständigkeitsbereich liegen einige der am schwersten von den Überschwemmungen betroffenen Gebiete wie Schleiden und Eschweiler.
Wie ist die Lage in den Überschwemmungsgebieten zwei Wochen nach der Katastrophe?
Stephan Jentgens: Die Blaulichtphase ist vorbei. In der hatten freiwillige und professionelle Helfer unermüdlich daran gearbeitet, Trümmer und Unrat wegzuräumen, damit die Seuchengefahr zurückgeht. Es war auch die Phase, in der Pflegedienst-Mitarbeiter weiter in der Pflege gearbeitet haben, obwohl sie selbst ihr Dach über dem Kopf verloren haben. Es war eine Phase, in der pflegebedürftige Menschen von diesen Mitarbeitern tot in ihren Betten gefunden wurden. Dann begann die seelische Flutwelle, in der die Menschen feststellten, was sie alles verloren haben. Da braucht es seelsorgerische und psychologische Unterstützung. Jetzt geht es auch um die auszuzahlenden Soforthilfen.
Wie haben Sie den Betroffenen damit bislang helfen können?
Wir haben allein in der Eifel schon mehrere hundert Familien mit Soforthilfen in einer Gesamthöhe von fast 500.000 Euro unterstützen können. Die Anträge wurden bewusst unkompliziert gestaltet. Ausgezahlt wurden Beträge zwischen 1000 und 5000 Euro. Mit diesem Geld können sich Menschen beispielsweise neuen Hausrat wie Elektrogeräte kaufen. Diese Unterstützung werden wir weiter leisten.
Wie geht es danach weiter?
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Wir haben nicht nur die erste Nothilfe im Blick. Wir helfen auch dann, wenn die Katastrophe nicht mehr sichtbar ist. Auf längere Sicht müssen wir dazu beitragen, dass die Orte wieder lebenswert sind. Wir stehen dabei auf der Seite der Benachteiligten. Unsere Leute sind direkt vor Ort und identifizieren Unterstützungsbedarf. Wenn Häuser saniert oder wiederaufgebaut werden müssen, setzt staatliche Unterstützung oft einen Eigenanteil voraus. Den können manche Menschen natürlich nicht leisten. Viele sind auch unterversichert. Dann werden wir helfen. Allerdings nach genauer Prüfung der Einkommenslage und den Vermögensverhältnissen. Wichtig ist uns auch, Menschen zu begleiten, die traumatische Erfahrungen hatten.
Bei der Spendenaktion von Funke Mediengruppe und Caritas sind bislang mehr als vier Millionen Euro zusammengekommen. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?
Das Spendenaufkommen ist überwältigend. Es zeigt, wie wir als Gesellschaft in der Not zusammenhalten. Es macht mich dankbar, dass Medien, die mit ihrer Berichterstattung gesellschaftliche Verantwortung tragen, solidaritätsstiftend unterwegs sind.