Bochum. Abstand halten und Kontakte reduzieren – in einer Sechser-WG sind die Corona-Regeln nicht so leicht umzusetzen. Ein Einblick in den WG-Alltag.
Sie können Partys feiern, abends mit einem Bier im Garten sitzen und sich gegenseitig ihr Herz ausschütten: Was etlichen jungen Erwachsenen in der Pandemie fehlt, ist Alltag einer Wohngemeinschaft in Bochum. Doch wo viele Personen zusammenkommen, steigt auch das Risiko, sich mit Corona zu infizieren. Sich in ihren Zimmern einzusperren, kommt für Maik, Caro, Björn und Franzi aber nicht in Frage. „Wir sind ja ein Haushalt, eine Familie.“
Sechs Menschen, na gut, die meiste Zeit sind es fünf, leben im Bochumer Stadtteil Werne auf etwa 250 Quadratmetern. „Wir sind eine recht frische WG“, erzählt Mitbewohner Maik. Der 24-jährige Geotechnik-Student kommt aus der Nähe von Heilbronn in Baden-Württemberg und ist im vergangenen November hergezogen. Carolin, von allen Caro genannt, wohnt seit Oktober in dem Haus mit der hellgrauen Fassade, Björn zog im August ein. Franzi, das jüngste WG-Mitglied, hat erst vor wenigen Wochen ihre Heimat Schwerte verlassen. Der Umzug in einer Zeit, in der sämtliche Geschäfte geschlossen waren, sei schon eine Herausforderung gewesen. „Ich hatte zeitweise nur ein Bett in meinem Zimmer“, erzählt die 19-Jährige
Das Leben in dem Haus mit der Nummer drei spielt sich auf vier Etagen ab. Drei Bäder, eine Gemeinschaftsküche, einen Sportraum und ein kleines Stück Grün hinterm Haus haben die Mieter zusätzlich zu ihren etwa 16 Quadratmeter großen Zimmern. Neben den vieren wohnen noch zwei weitere Studentinnen dort, die eine lebt seit Beginn der Pandemie wieder bei ihren Eltern, kommt nur für Klausuren ins Ruhrgebiet. Die andere möchte nach ihrem Abschluss nun ausziehen, für sie suchen die Bewohner derzeit einen Nachfolger. „Wir lachen viel“, sagt Maik, der Interessenten auf Wunsch auch virtuell durch das Haus führt. Zwar ist der selbst ernannte „bunte Haufen“ keine Party-WG, gegen einen geselligen Abend – mit Musik und Cocktails, aber ohne Gäste – sollte der neue Mitbewohner jedoch nichts haben.
„Es ist schon praktisch, dass wir zusammen raus dürfen“
Für einen Spaziergang verlassen die WGler auch mal zu viert oder fünft das Haus. „Es ist schon praktisch, dass wir zusammen raus dürfen“, sagt Caro. Die 21-Jährige studiert Gesundheit und Sozialraum an der Hochschule für Gesundheit in Bochum, arbeitet nebenbei als Werkstudentin und ist für einen sozialen Verein tätig. „Mein Workload ist in der Pandemie deutlich gestiegen“, sagt die gebürtige Velberterin, die nur „sehr selten“ Freunde in die WG einlädt. Und: „Egal mit wem ich mich treffe, ich erwähne immer, dass ich in einer WG wohne“ – damit sie wüssten, worauf sie sich einließen. „Jeder von uns hat ja noch sein eigenes Leben“, ergänzt Maik. Wenn sie nach einem Osterbesuch bei den Eltern wieder nach Hause kämen, werde in der WG „alles zusammengetragen“.
Angst vor Corona haben die vier aber nicht. „Ich bin geimpft“, sagt Franzi, angehende Krankenpflegerin im Josef-Hospital in Bochum. Auch Caro hat die erste Impfung schon erhalten – weil sie in einer Grundschule arbeitet. „Ich werde regelmäßig auf der Arbeit getestet“, erzählt Maik. Zum Schutz seiner Familie machte der 24-Jährige außerdem vor dem Weihnachtsfest einen Test – „für damals noch 40 Euro“.
Bisher gab es in der Sechser-WG nur einen „Corona-Verdacht“, woraufhin sich alle Bewohner „aus Solidarität“, wie Caro sagt, in freiwillige Quarantäne begeben hätten. „Ich möchte niemandem das Gefühl antun, abgesondert zu werden“, so die Studentin. „Ich bin überzeugt, wenn es einer hat, dann haben wir es alle.“ Und das, obwohl die Nachbar-WG, Hausnummer 3a, ihnen gezeigt hat: Es geht auch anders. Einer von ihnen hatte sich mit dem Virus infiziert. „Die Mitbewohner haben versucht, den Kontakt so gut es geht zu vermeiden“, erzählt Maik. Per WhatsApp hätten sie sich abgesprochen, Küche und Bad regelmäßig desinfiziert und gelüftet. Und tatsächlich: „Es hat sich niemand angesteckt.“
WG-Leben: Rücksichtsvoller Umgang hat „mit Corona nichts zu tun“
Corona hin oder her: „Für mich war schon immer klar, dass ich in eine WG ziehen möchte“, sagt Caro, die gerne einmal mehr das Bad putzt, weil Maik sich um alle Angelegenheiten mit dem Vermieter kümmert und Björn ein Auge auf das WG-Konto hat. Abends schauen sie gemeinsam eine Serie, bestellen auch mal beim Italiener. „In der Regel kocht aber jeder für sich selbst“, erzählt Björn – nur heute schmeißt er für Franzi ein paar Spaghetti mehr in den Topf. Es gibt gebratene Nudeln mit Soja-Honig-Sauce.
„Ich finde die Gesellschaft toll“, so der 23-Jährige. „Wenn ich in der Küche stehe und koche, kommt immer irgendjemand dazu. Das ist einfach schön.“ Der angehende Mediengestalter hat „WG-Erfahrung“. Während eines Auslandsaufenthaltes in Japan habe er in einer 50er-WG gelebt, mit acht Leuten in einem Zimmer geschlafen. „Anfangs dachte ich, da kriege ich niemals ein Auge zu.“ Aber: „Man gewöhnt sich an alles.“
Björn verbringt viel Zeit am heimischen Schreibtisch, maximal an einem Tag in der Woche fährt er ins Büro. Gequatsche oder Gelächter machen dem Auszubildenden dank neuer „Noise Cancelling“-Kopfhörer mittlerweile nichts mehr aus – „man wird kreativ“. Es sei aber nicht so, dass keiner Rücksicht auf den anderen nehme. Hat Caro zum Beispiel wichtige Meetings, bleiben Waschmaschine und Trockner nebenan aus. Und auch wenn Maik Klausuren schreibt oder Franzi nach ihrer Nachtschicht im Krankenhaus versucht, zu schlafen, ist es auf den Fluren ruhig. „Ich finde, man sollte immer rücksichtsvoll miteinander umgehen. Das hat mit Corona nichts zu tun“, meint Caro. Allein die wackelige Internetverbindung hält sich nicht an die Absprachen.