Essen. Am Montagnachmittag hat auch Deutschland die Corona-Impfungen mit Astrazenena ausgesetzt – ein herber Rückschlag für die Impfkampagne im Revier.

Es ist 15.46 Uhr am Montagnachmittag, als die Nachricht des Bundesgesundheitsministeriums die Stadt Mülheim erreicht: Impfstopp für Astrazenena. „Wir brechen sofort ab“, entscheidet die Stadt. Die Menschen, die da noch vor dem Impfenzentrum auf ihre Dosis warten, sie werden nach Hause geschickt; die angesetzten Termine für die nächsten Tage gestrichen; selbst die, die nur noch die zweite Impfung brauchen – sie werden vertröstet. In Mülheim wie anderswo: Seit Montag hat auch Deutschland die Impfungen mit dem Wirkstoff des britisch-schwedischen Pharmaunternehmens Astrazeneca ausgesetzt. Dem Wirkstoff, in dem wohl der Wurm steckt.

Erst mochte ihn die Stiko nicht für die Über-65-Jährigen empfehlen, da es an Daten zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen in dieser Altersgruppe mangelte. Als angebliche Ware zweiter Wahl verschmähten ihn zunächst auch die Jüngeren. Dann gaben die ihre Vorbehalte auf und die Stiko ihn für die Älteren frei – nun heißt es: Der Impfstoff könnte in Einzelfällen gefährliche Blutgerinnsel in den Hirnvenen verursachen. Doch 17 Millionen Dosen wurden europaweit bereits verimpft, allein in NRW haben bereits mehr als 346.000 Menschen das Vakzin erhalten...

„Wie es jetzt weitergeht, weiß ich noch nicht“

Allein in Gelsenkirchen sollten bis zum Monatsende 7500 Astrazeneca-Dosen in die Oberarme besonders Gefährdeter kommen, gut 2000 Dosen davon wurden bereits Lehrern, Erziehern oder Polizisten und anderen gespritzt. „Wie es jetzt weitergeht, weiß ich nicht“, gibt der ärztliche Leiter des Gelsenkirchener Impfzentrums, Klaus Rembrink, am Montag zu. Bis Mittwoch könne man „die vereinbarten Termine für die Berufsgruppen halten“. Doch was danach passiert: „Kann ich noch nicht sagen. Das hängt davon ab, ob die fehlenden Impfdosen mit Biontech und Pfizer kompensiert werden.“

17.000 Impfungen mit dem Wirkstoff Astrazeneca hatte die Stadt Essen für den Monat März geplant. Den am Montag verkündeten Stopp nennt der Leiter des dortigen Impfzentrums, Dr. Stefan Steinmetz, schlicht: „Katastrophe“. Bis kurz vor 16 Uhr am Montag hatte auch er noch Astrazeneca-Dosen verimpft, dann erhielt er die Anweisung: „Bitte einstellen!“ Steinmetz musste dennoch niemanden nach Hause schicken, der mit Termin kam: Für die für Montag einbestellten Impflinge (und sogar für Dienstag) gab es noch genug Biontech-Dosen. „Aber ab Mittwoch ist dann wohl Schluss“, fürchtet Steinmetz – auch wenn man noch niemandem absagen wolle. Astrazeneca ist im Essener Impfzentrum das zu 50 Prozent verimpfte Vakzin.

Oberhausen schickt die Feuerwehr zum Impfzentrum

Oberhausen wollte bis Ende der Woche weitere 2500 Menschen mit Astrazeneca impfen, unter anderem Lehrer und Kita-Personal, Polizisten und niedergelassene Ärzte. Nun, erklärt Krisenstabsleiter Michael Jehn, „liegen unsere Impfplanungen vorerst auf Eis“. Akut betroffen waren am Montag 150 bis 200 Menschen. Ihre – und alle Termine auch für die nächsten Tage – wurden „bis auf Weiteres“ abgesagt, mindestens aber bis Sonntag. Die Stadt schickte Kräfte der Feuerwehr zum Impfzentrum, als die Nachricht bekannt wurde…

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Gleiche Ansage in Duisburg, zum Trost heißt es in der städtischen Mitteilung hier nur: „Alle übrigen Termine mit den Impfstoffen der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna werden wie geplant im Impfzentrum durchgeführt.“

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In Herne versucht man noch, Betroffene zu erreichen: „Die Impfungen, die terminiert sind, können und dürfen nicht stattfinden“, betonte Stadtsprecher Christoph Hüsken. „Wir haben da keinen Handlungsspielraum.“ Könnte man nicht auch hier auf Vakzine anderer Hersteller ausweichen? Schlichtweg keine vorhanden, heißt es.

Betroffen: Pflegekräfte, Erzieher, Lehrer, Klinikpersonal...

Dortmund impft in seinem Zentrum nur zweimal in der Woche mit dem Astrazeneca-Vakzin, zuletzt am Samstag: 1800 Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher. In der ersten Märzwoche erhielten insgesamt 1967 Menschen den nun ausgesetzten Impfstoff. Der nächste Termin wäre der kommende Donnerstag gewesen. Wäre. 3400 weitere Astazeneca-Impfdosen hatte Dortmund im Kampf gegen die Pandemie bis Ende März eingeplant, Menschen der Prio-Gruppe-1 hätten sie erhalten sollen: Beschäftigte und Bewohner von Pflegeeinrichtungen oder Mitarbeiter von Krankenhäusern in Notaufnahmen und auf Intensivstationen.

Anfang März hatte die Stadt zusätzliche 17.000 Dosen erhalten. Damit sollten eigentlich Angehörige der Prio-Gruppe-2 in die Gunst einer Impfung gegen Corona kommen. In Dortmund sind das vor allem Lehrer in Grundschulen, Erzieher oder Beschäftigte in der Eingliederungshilfe sowie weitere Beschäftigte in Krankenhäuser. Auf dem Plan standen laut Bildungsdezernentin Daniela Schneckenburger unter anderem 2000 Grundschullehrer, 6000 Erzieher und etwa 1000 Kräfte in Ganztagseinrichtungen oder Schulsozialarbeiter.

399 für Dienstag vereinbarte Termine muss das Impfzentrum im Riuhrcongress Bochum kurzfristig stornieren. Die Stadt bittet alle Bürger, die für diesen Tag eine Zusage erhalten hatten, „nicht zu erscheinen“. Ausdrücklich nicht betroffen seien nur die Impfungen der über 80-Jährigen, da diese den Impfstoff Biontech erhalten.

Geimpft – aber nicht glücklich

Ursula S. ist bereits geimpft – aber nicht glücklicher deswegen. Denn die 60-Jährige Hauswirtschafterin aus dem Kreis Soest, die in der Wiedereingliederungshilfe arbeitet, erhielt vor zwei Wochen eben den Wirkstoff, dessen mögliche schwere Nebenwirkungen nun Sorgen bereiten: Astrazenenca. „Ein mulmiges Gefühl habe ich schon“, sagt sie. Angst nicht, es gehe ihr bestens.

Die Impfung selbst habe sie – abgesehen von ein paar milden Symptomen – gut vertragen: Etwas Schüttelfrost am Abend, eine belegte Zunge, Appetitlosigkeit. „Am nächsten Tag ging es mir wieder gut, ich habe seither auch keine Beschwerden.“ Für Ende April steht bei Ursula S. die Zweitimpfung im Kalender. „Ich schätze“, sagt die 60-Jährige, „den kann ich wohl erstmal streichen.“