Essen. Warum weitere Verzögerungen der Impfkampagne und die neue Angst vor dem Impfstoff Astrazeneca eine Katastrophe in der Katastrophe sind.
Die Impfungen mit Astrazeneca nun auch in Deutschland auszusetzen, ist in jedem Fall eine folgenschwere Entscheidung. Ob es auch eine folgenschwere Fehlentscheidung ist, wird sich noch herausstellen. Tatsache ist, dass nach Angaben der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) die Zahl der thromboembolischen Vorfälle bei geimpften Menschen nicht (!) höher ist als die Zahl in der Gesamtbevölkerung.
Dies lässt zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder verfügt das Paul-Ehrlich-Institut über weitere Informationen, die die Öffentlichkeit noch nicht kennt. Oder es führt den Stopp in reflexhafter Weise nur deshalb herbei, weil nicht völlig und restlos auszuschließen ist, dass es doch eine Gefahr gibt – die allerdings, und das ist womöglich das Fatale an der Entscheidung, aller Wahrscheinlichkeit nach ungleich geringer wäre als die handfesten, sehr realen Gefahren, die aus dem Impfstopp resultieren.
Impfstopp diskreditiert das Thema Impfung insgesamt
Denn erstens verzögern wir die ohnehin schleppende Impfkampagne, während die dritte Welle bereits unaufhaltsam auf uns zurollt. Die Zahl der Ansteckungen mit der britischen Variante wächst exponentiell. Und zweitens zerstört der Impfstopp das letzte Vertrauen der Bevölkerung in die Regierenden und diskreditiert das Thema Impfung insgesamt.
Machen wir uns bitte nichts vor: Das Coronavirus gefährdet nicht nur ältere Menschen. Nachdem die Zahl der Toten in den vergangenen Tagen erfreulicherweise deutlich gesunken ist, weil die Impfung der Ältesten ihre Wirkung nicht verfehlt, werden wir in den nächsten Wochen wieder einen Anstieg sehen. Diesmal werden die jüngeren Ungeimpften auf den Intensivstationen landen, wenn auch mit Verzögerung.
Thrombosen werden eher durch das Coronavirus als durch eine Impfung ausgelöst
Das Risiko, durch das Coronavirus eine womöglich lebensgefährliche Thrombose zu erleiden, ist nach allem, was bekannt ist, ungleich höher als ein bislang nicht einmal nachgewiesenes oder auch nur statistisch erkennbares Risiko durch Astrazeneca. Und auch die langfristigen Folgen einer Erkrankung, auch nach mildem Anfangsverlauf, sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, Stichwort: Long Covid.
Vertrauen ist ein zartes Pflänzchen. Es braucht lange, um zu wachsen und zu gedeihen. Zertrampeln kann man es binnen Sekunden. Hoffen wir, dass sich das Paul-Ehrlich-Institut und in der Folge der Bundesgesundheitsminister, bildlich gesprochen, nicht als Trampeltiere erweisen.