Mülheim. „Pia’s Restaurant“ musste im Herbst wegen Corona schließen. Die Chefin fand eine neue Arbeit - wo ihr die alten Talente wieder nutzen.
Im Schriftzug zur Straße hin klafft eine auffällige Lücke. „Restaurant Kegelbahn Wirtshaus“ steht noch da, aber das selbstbewusste, rosafarbene, schreibschriftliche ,Pia’s’ ist fort. Pia’s Restaurant ist Vergangenheit, auch das geht auf die Rechnung von Corona; die Wirtin ist keine Wirtin mehr, musste etwas Neues mit sich anfangen - wie so viele.
In Mülheim-Dümpten gehört Pia Sündermann zur Einrichtung. Sie lebt hier, seit sie zwei war. Ist jahrelang die Wirtin der „Dümptener Stube“ gewesen. Ist jahrelang die Wirtin im „Dümptener Tor“ gewesen, sagenhafte Karnevalsfeiern waren das. Eine dieser patenten Ruhrgebietsfrauen hinterm Tresen, bei denen gilt: Vor meinem Zapfhahn sind alle gleich. Tach, Jürgen.
Nach dem ersten Lockdown ist es nicht mehr dasselbe Restaurant
,Pia’s Restaurant’ im Gebäude des Hotels Kuhn läuft 2018 gut an: Kegelbahn, Bridge-Clubs, Hochzeiten, die Hotelgäste natürlich, viele Dümptener. Als dann auch noch Kabel 1 über sie berichtet (“Mein Lokal, dein Lokal - Wo schmeckt’s am Besten?“), wird es richtig voll: „Und alle haben das Menü des Restaurant-Kritikers bestellt“, erinnert sich die 56-Jährige: „Rumpsteak im Blätterteig und Pommes Dauphine.“ Corona ist zu diesem Zeitpunkt im Winter 2019 noch nicht angekommen, jedoch unterwegs.
Den ersten Lockdown von März bis Mai steht sie durch, danach ist es nicht mehr dasselbe Restaurant: Plexiglaswände, Zettelwirtschaft, Namenslisten - falls sich jemand erinnert. Doch die Gäste kommen nicht in ausreichender Zahl zurück. Zu wenige Hotelgäste, die Kegler und die Kartenspieler dürfen nicht mehr beieinander sitzen, und wer in diesen Monaten ein Bier trinken geht, will draußen sitzen.
„Bevor wir uns weiter verschulden, geht hier kein Geld mehr rein“
“Pia’s“ an der verkehrsdurchtosten Mellinghofer Straße hat keine Chance auf Außengastronomie. Messen werden abgesagt, Hochzeiten, für Dezember 2020 schon die ersten Weihnachtsfeiern, und die weihnachtsmarktseligen Holländer würden auch nicht kommen. „Zuerst habe ich noch privates Geld reingesteckt“, sagt Pia Sündermann: „Und das Hotel ist uns sehr entgegen gekommen.“
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“Ob das noch was wird?“ Es schleppt sich, es wird nicht. „Aus Vernunftgründen habe ich dann gesagt: Bevor wir uns weiter verschulden, geht hier kein Geld mehr rein.“ Nach über 20 Jahren in Lokalen in Dümpten gibt es im Herbst 2020 die Wirtin Pia Sündermann nicht mehr. „Anfangs war ich traurig, aber es war die richtige Entscheidung.“
Dehoga: Branche steht weiter vor einem harten Überlebenskampf
Im Jahr 2020 sind die Umsätze in der NRW-Gastronomie um 40 Prozent zurückgegangen, und „die Branche steht auch im neuen Jahr vor einem harten Überlebenskampf“, sagt Bernd Niemeier vom Gastgewerbe-Verband Dehoga. Zwei Drittel der Gastwirte fürchteten um ihre Existenz. Richtig ist aber auch: Noch befinden sich viele in einem Schwebezustand, endgültige Schließungen sind weiter selten.
Bei Sündermanns ist es zunächst ein Witz im familiären Kreis. Die Tochter hat doch diese Tankstelle in Kamp-Lintfort gepachtet - ob da nicht die Mama . . .? Doch der Witz nimmt Fahrt auf. Die Wirtin Pia Sündermann ist heute die Stationsleiterin Pia Sündermann. „Buchführung, Personalführung, Bestellung, das konnte ich alles“, sagt sie.
„Ich würde bestimmt mal irgendwo einspringen, wenn Not am Mann ist“
Und noch mehr. Denn manchmal steht sie vorne. „Auch in eine Tankstelle kommen teilweise Leute zum Quatschen.“ Ihre Tochter Sabrina Sündermann sagt: „Ich kann auch nett ,Hallo’ und ,Tschüss’ zu den Kunden sagen, aber meine Mutter erzählt mir immer: Bei denen ist das Mofa kaputt und bei der ist der Mann krank.“ Gelernt ist gelernt.
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Seit es „Pia’s“ nicht mehr gibt, hat Kabel 1 „Mein Lokal, dein Lokal“ schon zwei Mal wiederholt. „Das ist total komisch. Man denkt natürlich: Schande.“ Aber inzwischen ist sie glücklich über die Schließung hinweg: „Wenn da noch Schulden wären . . .“ Ist das ihr letzten Wort zum Thema Wirtin? „Ich würde bestimmt mal irgendwie einspringen, wenn Not am Mann ist“, sagt Pia Sündermann. Ihre Tochter und Chefin sagt: „Zum Glück muss man sich Nebenjobs ja genehmigen lassen.“