Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener Kneipe Armin No. 8 droht die Schließung: Weil die Dezemberhilfe noch nicht kam, konnte die Wirtin ihre Pacht nicht bezahlen.

Anke Brennecke ist mit ihren Nerven am Ende. Die Wirtin des traditionsreichen Armin Nr. 8, einer der wenigen verbliebenen Kneipen im Gelsenkirchener Süden, fürchtet um ihre Existenz. Ihr ist der Mietvertrag gekündigt worden – weil sie aufgrund der ausbleibenden Corona-Hilfen des Bundes ihre Pacht für den Januar und Februar nicht bezahlen konnte.

Wenn Brennecke von ihrer Situation erzählt, dann zittert ihre Stimme. „Ich kann nicht mehr. Ich verliere alles“, sagt die 51-Jährige. Seit drei Jahren betreibt sie nun das Armin Nr. 8. Fast seit einem Jahr kann sie sie ihre Kneipe nicht oder nur mit Einschränkungen öffnen. Nun steht sie vor dem finanziellen Ruin. „Ich kann nachts nicht mehr schlafen“, schildert die Wirtin verzweifelt ihre Lage. „Wo bekomme ich denn mit 51 einen Job, wenn ich jetzt schließen muss? Eine Arbeitslosenversicherung konnte ich mir als Selbstständige nicht leisten.“

Betriebe sollen 75 Prozent ihres Durchschnittsumsatzes bekommen

Zum Hintergrund: Die von den Corona-bedingten Schließungen betroffenen Betriebe werden durch eine „außerordentliche Wirtschaftshilfe“ unterstützt, die sogenannte November- und Dezemberhilfe. Die Betroffenen erhalten Zuschüsse von 75 Prozent ihres Umsatzes vom November bzw. Dezember 2019, tageweise anteilig für die Dauer des Lockdowns.

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Brenneckes Problem: Sie habe die Dezemberhilfe bis heute gar nicht nicht und von der Novemberhilfe nur einen Abschlag in Höhe von 1590 Euro bekommen. Damit konnte die Wirtin nicht einmal ihre Fixkosten bezahlen, denn die belaufen sich auf etwa 4000 bis 5000 Euro. „Die Pacht für November und Dezember habe ich aus eigener Tasche bezahlt“, klagt Brennecke. Nun seien aber alle Rücklagen aufgebraucht.

„Von den Problemen der Gastronomie spricht ja sowieso keiner mehr“

Von der Politik fühlt sie sich im Stich gelassen: „Ich finde es dreist, dass überhaupt von ‘Corona-Hilfen’ gesprochen wird. Das müsste eigentlich ‘Entschädigungszahlen’ heißen. Aber von den Problemen der Gastronomie spricht ja sowieso keiner mehr.“ Nach dem ersten Lockdown habe sie „ohne Ende“ in ihr Hygienekonzept investiert – nur um mit der im Oktober angeordneten Sperrstunde einen Großteil ihrer Kundschaft zu verlieren und im November wieder schließen zu müssen.

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Brennecke ist kein Einzelfall, wie Lars Martin, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Westfalen auf Nachfrage bestätigt: „Wir hören von sehr vielen unserer Mitglieder, dass sie nur einen Abschlag in Höhe von 50 Prozent, aber noch nicht die zweite Hälfte der Dezemberhilfe erhalten haben.“ Einigen sei auch der Abschlag oder sogar die Novemberhilfe noch nicht ausgezahlt worden.

Dehoga: Dass Betriebe schließen müssen, ist keine Seltenheit

„Das ist genau die Entwicklung, die wir seit Monaten befürchten“, sagt Martin. „Die Hilfen werden zu spät gezahlt und in der Zwischenzeit ist bei den Betrieben keine Liquidität mehr vorhanden.“ Dass Betriebe nun schließen müssen, weil sie ihre Fixkosten nicht mehr decken können, sei keine Seltenheit. Und: Auch die sogenannte Überbrückungshilfe III, die Betroffenen im Frühjahr 2021 durch den Lockdown helfen soll, komme viel zu spät: „Die kann man jetzt überhaupt erst beantragen.“

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Auf der Internetseite des NRW-Wirtschaftsministeriums heißt es zum aktuellen Bearbeitungsstatus der November- und Dezemberhilfen: „Nach den bereits erfolgten Abschlagszahlungen haben jetzt auch die Regelauszahlungen in der Novemberhilfe und Dezemberhilfe begonnen. Die Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen arbeiten mit Hochdruck an der Bearbeitung, Prüfung und Bewilligung aller vorliegender Anträge.“

Altmaier (CDU) entschuldigte sich für verzögerte Corona-Hilfszahlungen

So werden die Hilfen beantragt

Anträge für die November- und Dezemberhilfe können die Betroffenen seit dem 25. November 2020 bzw. 23. Dezember 2020 bis zum 30. April 2021 durch Steuerberater, Anwälte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer über die bundes­einheitliche Antragsplattform der Überbrückungshilfe beantragen lassen. Ab sofort bis zum 31. August 2021 kann man auch die Überbrückungshilfe III beantragen.

Online-Anträge stehen unter den Webadressen ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de, antragslogin.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de und direktantrag.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de zur Verfügung.

Vor der Eingabe von Daten sollte man sich vergewissern, dass eine dieser drei Online-Adressen im Adressfeld des Browsers steht – es sind nämlich auch Fake-Websites im Umlauf.

Hätten Antragsteller auch noch keine Abschlagszahlung erhalten, so sei der betreffende Antrag sehr wahrscheinlich in einer zufälligen Stichprobe zur Prüfung möglicher Betrugsfälle gezogen worden, heißt es weiter aus dem Ministerium. Eine Auszahlung könne in diesen Fällen erst nach abgeschlossener Prüfung erfolgen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte sich jüngst bereits bei der Wirtschaft für die langsame Auszahlung der Corona-Hilfen entschuldigt. Da die Bundesländer sich nicht in der Lage gesehen hätten, die November- und Dezember-Hilfen zu administrieren, habe man eine Plattform dafür „aus dem Boden stampfen müssen“, sagte er bei „Bild Live“.

Für Gelsenkirchener Wirtin ist es ein Wettlauf gegen die Zeit

Für Wirtin Anke Brennecke beginnt nun ein Wettlauf gegen die Zeit. Gegen die Kündigung geht sie anwaltlich vor – und hofft, dass sie zurückgenommen wird, sobald die Corona-Hilfe da ist. Doch wann das sein wird, kann ihr niemand sagen. „Es besteht keine Möglichkeit, Auskünfte zum Stand einzelner Antragsverfahren zu erteilen“, heißt es auf der Internetseite des NRW-Wirtschaftsministeriums.