Essen. . Wir kaufen nicht nur, wenn wir etwas brauchen. Wir kaufen auch, um uns selbst zu belohnen. Und Männer können das genauso gut wie Frauen.

Wir kaufen ein Handy oder ein Hemd, weil wir uns dafür entschieden haben – ist das so? Wie sehr lassen wir uns von Verkäufern manipulieren? Maren Schürmann sprach mit Oliver Büttner (42), Professor für Wirtschaftspsychologie an der Uni Duisburg-Essen.

Kaufen Sie gerne ein?

Oliver Büttner: Es kommt drauf an. Wenn ich im Ausland bin oder im japanischen Viertel in Düsseldorf, gehe ich gerne in den Supermarkt. Das hat einen exotischen Faktor, da weiß ich bei vielen Produkten nicht genau, für was sie gut sind. Wenn ich aber etwas Bestimmtes brauche, mache ich das nicht so gerne.

Das zeigt schon, dass wir uns nicht immer rational entscheiden.

Beim Kaufen treffen wir viele Entscheidungen: Wie viel kaufe ich? Wo? Wann? Aber wir kaufen eben häufig nicht aufgrund eines Bedarfs, sondern aus Spaß. In der Forschung schauen wir uns dabei die Themen Selbstkontrolle und Impulsivität an. Viele Leute kennen das Gefühl nach dem Einkauf: ,Warum habe ich das gemacht?’

Und was tun Händler, damit die Kunden die Selbstkontrolle verlieren?

Da gibt es eine ganze Reihe von Faktoren. Zum Beispiel über die Anordnung von Produkten. Damit jemand einen Artikel ungeplant kauft, muss er die Ware erstmal sehen. Ein Beispiel ist die Wegeführung bei Ikea. Da muss ich an all den Dingen vorbeilaufen. Das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass ich etwas sehe und es tatsächlich kaufe.

 Konsumforscher Oliver Büttner
Konsumforscher Oliver Büttner © Fabian Strauch

Menschen mit viel Selbstdisziplin dürften aber auch ohne Teelichter wieder rauskommen?

Selbstkontrolle ist eine endliche Ressource. Wenn wir uns schon eine Weile kontrolliert haben und es kommt eine neue Situation, in der wir uns wieder kontrollieren müssen, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir nachgeben. Besonders, wenn wir erschöpft sind.

Dann tut es ja auch mal gut, sich etwas zu gönnen.

Wir kaufen auch ein, um uns zu belohnen. Es gibt aber Leute, bei denen das zur Sucht wird. Sie kaufen alles Mögliche, allein um ihre Stimmung zu verbessern. Doch das funktioniert auf Dauer nicht, sondern schafft Probleme, insbesondere finanzielle.

Viele machen sich einen Sport daraus: Sie wetteifern, wer der größte Schnäppchenjäger ist.

Es ist eigentlich lustig, dass ein kalter Faktor wie der Preis ganz heiße Emotionen auslöst. Das kann auch etwas mit Selbstkompetenz-Erleben zu tun haben: Ich kann so etwas, ich schaffe das, ich finde den günstigsten Preis, ich bin clever.

Auch wenn es unterm Strich gar nicht so günstig war. . . Wie werde ich noch beeinflusst?

Indem man Ihnen etwas schenkt, einen Kugelschreiber oder einen Espresso in einer Boutique. Es gibt diese ganz starke Norm der Reziprozität, wenn mir jemand etwas Gutes tut, dann tue ich ihm auch etwas Gutes. Man kauft also etwas.

Und dann möchte man in einem anderen Laden eigentlich nur einen Kaffee kaufen und geht mit Sportklamotten und Topfuntersetzer nach Hause, weil die jetzt nur für ganz kurze Zeit zu haben sind. . .

Knappheit ist auch so ein Trick. Ein Produkt ist begehrt, es ist nicht mehr lange verfügbar. Das wird online sehr oft eingesetzt: Dieses Produkt schauen sich gerade zwei andere an, nur noch eins ist auf Lager. Das schafft eine Situation, in der ich nicht so intensiv über meine Entscheidung nachdenken kann. Ich entscheide aus dem Bauch heraus.

Inwiefern unterscheidet sich der Einkauf im Netz von dem im Laden?

Online-Angebote sind stärker verfügbar, ich kann rund um die Uhr einkaufen. Aber der stationäre Einzelhandel befriedigt das Bedürfnis sofort, ich muss nicht warten. Auch spielt er mit Reizen wie Musik und Duft. Ich kann die Ware anfassen.

Wo trifft man die vernünftigere Entscheidung – online oder offline?

Das kann ich nicht abschließend beantworten. Häufig wird argumentiert, dass wir online unvernünftiger sind, weil wir immer und ohne Beobachtung einkaufen können. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Es spricht auch einiges dafür, dass wir online vernünftiger entscheiden. Wir können beispielsweise mehr vergleichen. Gleichzeitig ist die unmittelbare Verführung nicht so stark, wir können den Artikel beispielsweise nicht anfassen oder riechen. Es gibt Studien, die zeigen, dass wir eher zu gesunden als zu ungesunden Lebensmitteln greifen, wenn wir sie online einkaufen.

Shoppen ist als Freizeitaktivität bei Frauen anerkannter als bei Männern.
Shoppen ist als Freizeitaktivität bei Frauen anerkannter als bei Männern. © Getty

Kaufen Frauen eigentlich anders ein als Männer?

Vermutlich schon. Frauen geben in Befragungen an, erlebnisorientierter zu kaufen. Aber das kann auch daran liegen, dass das Shoppen bei Frauen eine sozial akzeptierte Freizeitaktivität ist, bei Männern eben nicht. Doch wenn Sie am Samstag in eine Technik-Abteilung gehen, sehen Sie, dass Männer auch sehr impulsiv einkaufen können.

Zu welchen Ergebnissen sind Sie in Ihrer Forschung gekommen?

Mit der Eye-Tracking-Methode scannen wir im Labor die Augenbewegungen der Probanden. Wir können damit Rückschlüsse darauf ziehen, welche Ware sie sich am Bildschirm anschauen. Wir Menschen fixieren die Umgebung in Millisekunden. Da können wir hinterher nicht mehr sagen, was wir genau gesehen haben. Doch mit dieser Methode bekommt man einen guten Einblick, was unsere Aufmerksamkeit anzieht. Wir haben so feststellen können, dass Menschen, die eher zu impulsiven Einkäufen neigen, bereits auch mehr Produkte wahrnehmen. Sie können dadurch schneller als andere in den Konflikt geraten: Soll ich kaufen oder nicht?

Wie verhindert man, dass man mit zig Einkaufstaschen heimkehrt?

Einen Einkaufszettel schreiben. Das klingt altbacken, aber der Zettel hilft dabei, sich zu konzentrieren. So lässt man sich schlechter ablenken. Erschöpft und hungrig sollte man auch nicht einkaufen. Und wenn man sich belohnen möchte und man merkt, man macht das zu häufig mit Einkäufen, dann kann man sich überlegen, wie man sich stattdessen etwas Gutes tun könnte.

>> Händler fürchten die Macht der Online-Riesen

Die Einzelhändler reagieren auf die Digitalisierung und versuchen, übers Netz den Kunden in den Laden zu locken. Fast jeder dritte Händler, der auch im Netz aktiv ist, bietet etwa Online-Reservierung oder Vor-Ort-Abholung an, wie die neue Studie „Der deutsche Einzelhandel 2017“ zeigt. 70 Prozent der befragten Händler sehen einen hohen bis sehr hohen Einfluss auf ihr Geschäftsmodell durch Online-Riesen wie Amazon, Ebay & Co. Trotzdem gehen die meisten davon aus, dass auch in Zukunft die Kunden in erster Linie in Geschäften ihr Geld ausgeben.

Für die Studie hat eine Forschergruppe von „ibi research“ an der Uni Regensburg zusammen mit 41 Industrie- und Handelskammern mehr als 2000 Einzelhändler befragt.