Cox’s Bazar. Kutupalong im Süden von Bangladesch ist das größte Flüchtlingslager der Welt. Allein 400.000 Kinder leben hier. Auch dort ist Corona angekommen.
Was die Mädchen und Jungen schon vor einem Jahr geplagt hat, das stand damals an einer Tafel im Schutzzentrum der Kinder. Auf Englisch natürlich: „Fieber, Dengue Fieber, Durchfall, Masern, Malaria . . .“ Und weitere tropische Schrecken. Und wie man sich schützen kann. „Covid-19“ hat dann niemand mehr hingeschrieben. Covid ist da. Das Schutzzentrum ist zu.
Kutupalong im Süden von Bangladesch ist das größte Flüchtlingslager der Welt. Eine Million vertriebene Menschen aus dem kleinen Volk der Rohingya leben hier, 400.000 von ihnen Kinder. Aus ihrer Heimat Myanmar hat das Militär sie vertrieben, Bangladesch hält sie fest im Lager, in Hütten aus Bambus, Planen und Überlebenswille.
Von zwölf Lebensjahren hat sie mehr als drei in Lagern verbracht
Im November 2019 waren wir dort im Zuge der gemeinsamen Weihnachts-Spendenaktion von Kindernothilfe (KNH) und WAZ, vielleicht erinnern Sie sich. Sie haben gespendet für die Kinder dieser Rohingya, gespendet wie noch nie haben Sie. Und 2020? Können wir Projektberichte lesen. Die letzten Helfer interviewen, die dort sein dürfen. Mit Kindern in einer wackeligen Whatsapp-Gruppe sprechen. „Ich muss Ihnen leider schreiben, dass das Internet im Lager nicht gut funktioniert“, hatte Ronald Chakma zuvor geschrieben; für die einheimische Hilfsorganisation Skus arbeitet er, die mit der KNH zusammenwirkt.
Mohina als Wackelbild. Ein Kind, das wir kennen von damals. Hallo, Mohina! An der Tür hinter ihr steht „Beratungsraum“, doch der Beratungsraum ist geschlossen, wo die Helfer früher mit traumatisierten Kindern gearbeitet haben. Mit Mädchen wie Mohina, deren Familie im August 2017 vertrieben wurde, ein Bruder ist seitdem vermisst; und die Familie lebt nun in Lagern. Man muss sich das ganz klar machen: Dieses Kind von knapp zwölf Jahren hat mehr als drei davon in Lagern verbracht.
Bei einer Million Menschen auf engem Raum ist Abstand nicht möglich
Doch ein Lager ist kein Zustand. Und „Kutupalong, Camp 17, Block A, Sub-Block 85“, ihre Adresse, keine gute Adresse. Mohina, erzähl! Wegen Covid gibt es keinen Unterricht mehr, erzählt sie, unterstützt von einer Skus-Mitarbeiterin. Die Kinder-Schutzzentren sind auch geschlossen. Auch das, in dem sie selbst behandelt wurde, in dem nach der Flucht ihr Selbstbewusstsein wiederfand und neue Freunde zum Spielen. Und jetzt ist sie das Gesicht der 400.000 Kinder dort. Auf einem Handy-Bildschirm.
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Nein, sie dürfen auch nicht raus. Covid-19. Außer zu wichtigen Einkäufen. Oder zu ärztlicher Behandlung. Oder zur Toilette – es gibt ja nur öffentliche Toiletten, eine auf Hunderte Menschen. Soviel zum Thema: regelmäßig Hände waschen. Im Angesicht des Seuchenzuges haben die Skus-Leute Schutzkleidung verteilt, haben Menschen über Corona aufgeklärt. Aber Abstand? Vergiss es einfach. Dies ist eine Million Menschen, zusammengepresst auf einer Fläche von 25 Quadratkilometern – halb so groß wie die Kleinstadt Waltrop.
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Mohina versucht zu lernen, aber ein organisiertes Angebot gibt es auch im Netz nicht. Bücher und Stifte sind dem Mädchen ausgegangen. Freundinnen können zu ihr kommen, dann spielen sie, spielen womit? Die Mitarbeiterin berichtet, die Kinder in Kutupalong machten sich eigenes Spielzeug. Aus Bambus, Papier und Schlamm.
„Viele Kinder langweilen sich und beschäftigen sich mit Kinderarbeit“
Da es nur noch Freizeit gibt, Zusammenhocken, Aussichtslosigkeit, Nichtstun, „langweilen sich viele Kinder und beschäftigen sich mit Kinderarbeit“, heißt es in einem Skus-Bericht an die Kindernothilfe. „Jungen arbeiten als Hausierer oder Straßenhändler, Mädchen werden dazu gezwungen, früh zu heiraten.“ Viele Kinder würden aggressiver, manche Opfer häuslicher Gewalt. Ihre Spenden, liebe Leser, helfen in diesem Jahr Projekten weltweit, die besonders unter Corona leiden; und finanzieren wird KNH auch in Kutupalong dringend notwendige gesundheitliche, soziale und psychosoziale Hilfen.
Wenn man Kinder in elenden Umständen fragt, was sie werden wollen, dann geben sie dieselbe Antwort auf der ganzen Welt, nicht ahnend, dass die Zukunft vielleicht nicht auf ihrer Seite ist. „Lehrerin“ und „Arzt“ sagen sie im brasilianischen Slum, „Ärztin“ und „Lehrer“ sagen sie im ugandischen Flüchtlingslager. Mohina sagt, sie möchte wieder zur Schule gehen. Ihre Eltern übermitteln später, sie wünschten sich für ihre Kinder ein Leben in Sicherheit („. . . wish to see them safe“). Ein Lager ist kein Zustand.
>>Info: Das Spendenkonto von WAZ und Kindernothilfe
Hier können Sie Kindern helfen: Das Spendenkonto für die Weihnachtsspenden-Aktion von WAZ und Kindernothilfe hat dieselbe Nummer wie in vergangenen Jahren. Empfänger: Kindernothilfe Stichwort: Corona – Hilfe für Kinder weltweit IBAN : DE4335 0601 9000 0031 0310 BIC : GENODED1DKD (Bank für Kirche und Diakonie). Hier können Sie direkt spenden