Essen./Gladbeck. Der Gladbecker Fahrer eines Tiefkühlanbieters, der eine Kundin vergewaltigt haben soll, ist in Essen freigesprochen worden.
Knapp war es für den 58 Jahre alten Gladbecker, aber letztlich sah die XVI. Essener Strafkammer keinen Beweis für seine Schuld. Am Dienstagabend sprach sie den Auslieferungsfahrer eines Tiefkühlanbieters vom Vorwurf der Vergewaltigung einer Kundin frei. "In dubio pro reo, im Zweifel für den Angeklagten", begründete Richterin Annette Rabe das Urteil.
Viel Zeit hatten die Plädoyers in Anspruch genommen, viel Zeit benötigte auch die Kammer für die Urteilsberatung. Denn es stand Aussage gegen Aussage. Laut Anklage hatte der 58-Jährige seine langjährige Kundin, die damals seit einem halben Jahr verwitwet war, am 6. Februar 2018 sexuell bedrängt. Unvermittelt soll er sie berührt und in ihre Hose gefasst haben. Rechtlich kann das schon eine Vergewaltigung sein.
Angeklagter wies Vorwürfe zurück
Der Angeklagte hatte diese Vorwürfe stets zurückgewiesen. Zum Prozessauftakt am 6. Oktober hatte er geschildert, dass im Gegenteil die Frau ein sexuell anzügliches Gespräch mit ihm begonnen und Details über das Sexleben mit ihrem Mann erzählt habe. Dies sei ihm so peinlich gewesen, dass er sich abrupt verabschiedet habe.
Welche Geschichte stimmt, bleibt ungewiss. Richterin Rabe: "Der Fall hat uns sehr beschäftigt. Aber es gelang uns nicht aufzuklären, was am 6. Februar 2018 tatsächlich passiert ist." Vieles spreche zwar für die Version der 52-Jährigen, aber Widersprüche in ihrer Aussage führten am Ende dazu, dass Zweifel an der Schuld des Angeklagten blieben.
Beide Aussagen nicht zu widerlegen
Grundsätzlich sei auch die Aussage des 58-Jährigen plausibel, auch für sie spreche einiges. In Randbereichen sei er auch bestätigt worden. So habe die 52-Jährige in ihrer Aussage vor Gericht eingeräumt, dass sie vom Sexualleben mit ihrem Mann gesprochen habe.
Sicher sei die Kammer deshalb, dass der Angeklagte an jenem Tag die Tiefkühlware zu ihr in die Wohnung getragen und sie ein Gespräch mit sexuellen Details begonnen habe. Was dann geschehen sei, darüber erlaubt sich das Gericht kein Urteil.
Anzeige auf Drängen der Tochter
Zwei Tage später sei der Tochter und ihrem Mann bei einem Besuch aufgefallen, dass die Mutter bedrückt wirke. Auf hartnäckiges Fragen habe diese erzählt, dass sie vom Auslieferungsfahrer bedrängt worden sei. Darauf habe der Schwiegersohn beim TK-Anbieter den Namen des Fahrers erfragt, und die 52-Jährige habe auf Drängen ihrer Tochter Anzeige bei der Polizei erstattet.
Das Gericht räumte ein, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Frau sich die vielen Details ausgedacht habe. Sie leidet allerdings an einer Erbkrankheit, die ihre intellektuelle Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Die Richterin zählte auch Widersprüche in der Aussage der Frau auf.
Über den Gutachter hinweggesetzt
Die XVI. Strafkammer setzte sich mit ihrer Bewertung des Falles über den psychologischen Sachverständigen Detlef Korff hinweg. Er hatte die Glaubwürdigkeit der Zeugin zu untersuchen und hielt ihre Angaben für belastbar, sie beruhten auf echtem Erleben.
Staatsanwältin Laura Zdarta hatte den Vergewaltigungsvorwurf zwar nicht mehr gesehen, für eine sexuelle Nötigung dennoch ein Jahr und zehn Monate Haft mit Bewährung beantragt. Opfer-Anwalt Jan Czopka sah den Angeklagten in seinem Plädoyer ebenfalls als schuldig an. Letztendlich folgte die Kammer aber Verteidiger Oliver Verkamp, der engagiert für einen Freispruch gekämpft hatte.