Gladbeck. Rund 60, zumeist minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, haben mit viel eigenem Engagement einen Platz für ein Berufspraktikum erhalten.
- 60 der 100 Schülerinnen und Schüle der Flüchtlingsklassen haben einen Praktikumsplatz gefunden
- Die Bildungsgang-Koordinatorin des Gladbecker Berufskollegs lobt die Motivation und hohe Lernbereitschaft
- Die Eigeninitiative der jungen Männer und Frauen für einen Praktikumsplatz hat den Unternehmen imponiert
. Durchaus mit einer gewissen Skepsis sei man am Berufskolleg Gladbeck das Thema Berufspraktika für die Schülerinnen und Schüler der Internationalen Flüchtlingsklassen angegangen, sagt Sabine Wibbe. Sie koordiniert die vier Klassen, die von rund 100 Geflüchteten besucht werden. „Dass dann letztlich 60 Prozent einen Praktikumsplatz gefunden haben, hat uns sehr gefreut und zeigt die große Bereitschaft in den Betrieben, die Integration von Flüchtlingen zu unterstützen.“
Dies auch mit dem Wissen, dass die jungen Männer und Frauen, etwa 70 Prozent unbegleitete Minderjährige, „die ja teils erst seit wenigen Monaten in Deutschland sind“, erst begonnen hätten, die deutsche Sprache zu erlernen. „Ihre Bereitschaft und Motivation, etwas lernen zu wollen, ist aber sehr hoch“, sagt die Koordinatorin. So dass sich auch der Großteil der Schüler selbst den Praktikumsplatz besorgt habe.
Das persönliche Engagement imponiert
„Und gerade dieses persönliche Engagement hat mir imponiert“, sagt Oliver Verkamp. Der Rechtsanwalt betreut in seiner Kanzlei in Zweckel die Schülerin Fatemeh-Anid, die aus dem Iran geflohen ist und seit September das Berufskolleg besucht. Die 17-Jährige spricht schon erstaunlich gut Deutsch.
„Ich möchte gerne internationales Recht studieren“, sagt die junge Frau. Nach dem Tod der Mutter habe sie eine Rechtsanwältin im Iran beim Antritt des Erbes „gut beraten und sehr geholfen“. Das habe sie tief beeindruckt. „Im Iran ist es für Frauen aber schwierig Richterin oder Rechtsanwältin zu werden, das ist hier in Deutschland einfacher.“
Übersetzungsprogramm genutzt
Er versuche ihr eine umfassenden Berufseinblick zu ermögliche, sagt Rechtsanwalt Verkamp, in der Kanzlei sowie als Begleitung bei Verhandlungsterminen vor Gericht. Wobei es für die Praktikantin nachvollziehbar schwer sei, die juristischen Schriftsätze zu verstehen. Fatemeh sei aber „eine sehr intelligente junge Frau, die dann selbst versucht über Übersetzungsprogramm am Computer den Inhalt zu verstehen.“ Aus diesem Grund habe er ihr bereits über das Praktikum hinaus angeboten, „in den Ferien vorbeizukommen, um sich weiter in das Berufsbild einzuarbeiten“. Das Berufsbild näher kennen zu lernen, diese Chance hat auch Migena bei der Physiotherapie Ketteler erhalten.
Die 16-Jährige ist vor fast zwei Jahren mit ihren Eltern und dem kleinen Bruder (10) aus Albanien nach Deutschland gekommen und spricht auch schon recht gut Deutsch. Sie hat auch eine persönliche Motivation, denn ihr Bruder wird von Physiotherapeutin Andrea Sobottka behandelt. „Das fand ich sehr interessant“, sagt Migena, die nun selbst davon träumt „Kindern als Physiotherapeutin zu helfen“.
Noch nicht entschieden, ob die Familie bleiben kann
Sie zeige dem engagierten Mädchen jetzt die Bandbreite des Berufes, „auch bei Hausbesuchen“, erzählt Andrea Sobottka. „Und wir versuchen ihr aufzuzeigen, was in Deutschland bei der Ausbildung möglich ist.“ Etwa, über welche Pfade ein Weg in den Beruf gelingen kann, auch wenn man sich nicht die Kosten für eine private Therapeutenschule leisten könne. Wobei das Mädchen zunächst eine ganz andere Frage belasten würde. „Denn es ist noch nicht entschieden, ob ihre Familie überhaupt in Deutschland bleiben kann, oder nicht“.