Essen. Er brachte der Kundin die Tiefkühlware ins Haus, dann wollte er laut Anklage Sex. Jetzt steht der 58-Jährige Gladbecker vor Gericht.

Er weist jede Schuld von sich. Doch die 52-jährige bleibt am Dienstag vor dem Landgericht Essen dabei: Der Angeklagte, Auslieferungsfahrer einer Tiefkühlfirma, habe sie am 6. Februar 2018 in ihrer Wohnung sexuell bedrängt. Auf Vergewaltigung lautet die Anklage.

Seit 2017 kommt der heute 58 Jahre alte Gladbecker regelmäßig zu ihr, um neue Ware zu bringen. Laut Anklage soll er schon mal anzügliche Bemerkungen gemacht haben. Mitbekommen habe er auch, dass der Mann seiner Kundin im Sommer 2017 bei einem Unfall getötet wurde.

Kundin in den Schritt gegriffen

Nicht einmal ein halbes Jahr später soll es zu der Tat gekommen sein. Er sei zudringlich geworden, nachdem er die Ware in der Wohnung abgestellt hatte. Sie habe die Annäherungsversuche zurückgewiesen, doch davon habe er sich nicht stoppen lassen. Er soll ihr in den Schritt gegriffen haben, was rechtlich eine Vergewaltigung ist. Danach ging er.

Die Frau erzählte davon in der Familie. Bevor die Polizei eingeschaltet wurde, ermittelte ihr Schwiegersohn zunächst bei der Tiefkühlfirma den Namen des Fahrers. Zwei Tage nach dem Vorfall kam es zur Anzeige.

Seit 13 Jahren Auslieferungsfahrer

Nichts davon sei wahr, weist der Angeklagte am Dienstag vor der XVI. Strafkammer jede Schuld von sich. Er fahre seit 13 Jahren Tiefkühlware für diese Firma aus, habe regelmäßig 50 bis 55 Kunden zu beliefern. So etwas sei ihm noch nie passiert.

Als ihr Mann noch lebte, habe er die Wohnung nie betreten dürfen, sagt er. Die Kundin habe die Tür immer nur ein wenig geöffnet. Nach dem Tod habe sie ihn dagegen eingelassen. Das sei dann alles so gewesen wie bei anderen Kunden auch.

Gespräch über die Angst vor dem Alleinsein

An den fraglichen Tag erinnert er sich. In der Wohnung habe sie auf einmal angefangen zu erzählen. Dass sie Angst habe. Angst, allein zu sein. Angst, keinen Mann mehr zu bekommen. Er habe gehen wollen. Denn "als Fahrer haben wir dafür keine Zeit".

Sie redete aber weiter, sagt er. Über Sex habe sie gesprochen. Wie ihr Mann mit ihr verkehrt habe. Als sie sich dann über die Größe seines Geschlechtsteiles ausgelassen habe, will er ihr abrupt die Hand geschüttelt und sich verabschiedet haben.

Eine Woche lang durfte er nicht mehr fahren

Von der Geschichte habe er nur seiner Frau erzählt, nicht aber in der Firma. Zwei Tage später stellte sein Chef ihn erst einmal frei, nachdem der Schwiegersohn der Frau bei ihm aufgetaucht war. Eine Woche später wurde die Maßnahme aufgehoben, er durfte wieder fahren. In U-Haft kam er nicht. In die Wohnungen der Kunden darf er heute nicht mehr - aber das gilt für alle Fahrer und liegt an Corona.

Die Frau wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Später heißt es, sie sei im Kern bei dem Vorwurf geblieben. Im Randgeschehen sei es aber zu Widersprüchen gekommen. Sie bestreite nicht einmal, sich beim Angeklagten freizügig über Sex mit ihrem Mann geäußert zu haben. Vielleicht sei ihr das herausgerutscht, habe sie gesagt.

Angeklagter lehnt Bewährungsangebot ab

Die XVI. Strafkammer nimmt die Aussage zum Anlass, dem Angeklagten für ein Geständnis Bewährung anzubieten. Doch das lehnt er ab. Er will einen Freispruch.

Der Prozess wird fortgesetzt. Viel wird davon abhängen, zu welchem Ergebnis der Aussagepsychologe Detlef Korff kommen wird. Während des Ermittlungsverfahrens hatte er die Frau bereits begutachtet und ihre Angaben als glaubhaft bewertet. Erst dieses Gutachten hatte dafür gesorgt, dass der 58-jährige Gladbecker sich vor Gericht verantworten muss.