Mülheim/Duisburg. Die Täter waren 12 und 14 Jahre alt, als sie eine 18-Jährige in Mülheim vergewaltigten. Der Fall schlug hohe Wellen. Nun ist das Urteil gefallen.

Gemeinschaftliche Vergewaltigung, das war die Anklage. Und so lautet auch das Urteil. Schuldig. Zu fünft waren die Jugendlichen, erst zwölf und 14 Jahre alt, als sie Anfang Juli in einem Gebüsch in Mülheim Sex mit einer 18-Jährigen hatten – das haben die die drei Älteren nie bestritten, die am Donnerstag auf der Anklagebank des Duisburger Landesgerichts sitzen. Die 12-Jährigen waren noch nicht strafmündig. Die Verteidigung hatte allerdings erklärt, der Geschlechtsverkehr sei "einvernehmlich" gewesen. Richter Ulrich Metzler sah das anders. Den Haupttäter, mittlerweile 15 Jahre alt, hat das Gericht unter seinem Vorsitz zu zwei Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe verurteilt, die beiden 14-Jährigen kommen mit Bewährung davon: jeweils ein Jahr und sechs Monate. Zusätzlich müssen sie vier Wochen in den Dauerarrest.

Der Haupttäter sitzt seit Monaten in U-Haft und wird erst nach Beginn der nicht öffentlichen Sitzung hereingeführt. Die beiden etwas jüngeren Mitangeklagten betreten den Gerichtssaal am Donnerstagmorgen verhüllt, wollen nicht fotografiert werden. Die weiße Frotteekapuze über den Kopf gezogen, Dolce & Gabbana auf dem Rücken, so hockt sich einer auf die Bank, den lachsfarbenen Aktenstapel auf dem Richtertisch, fast einen halben Meter hoch, im Blick. Der andere vergräbt sich unter dem rotbraunen Mantel einer Verwandten, wippt nervös mit den von der stylisch durchlöcherten Jeans freigegebenen Knien.

Vergewaltigungsprozess – Urteil erst im zweiten Anlauf

Es ist bereits der zweite Versuch, den Prozess zum Abschluss zu bringen. Die plötzliche Quarantäne einer Schöffin verhinderte die Urteilsfindung Mitte März. Eine der spärlich zur moralischen Unterstützung angereisten Verwandte ist vollverschleiert erschienen, einer in Jeansjacke mit Glitzerkragen, zwei Eltern in Trainingsanzug und Hausschlappen. Die Angeklagten und ihre Familien stammen aus Bulgarien. Die des Hauptangeklagten ist inzwischen aus Mülheim nach Essen gezogen, als die Stadt versucht hatte, sie auszuweisen. Der Vater hatte zuvor einen "gefakten" Arbeitsvertrag vorgelegt, doch die Mutter fand im November offenbar noch rechtzeitig eine Anstellung als Putzfrau.

Aufgeflogen war die Tat, als die Hunde von Anwohnern die Jugendlichen Anfang Juli 2019 im Unterholz aufspürten, als sie sich gerade an ihrem Opfer vergingen. Wäre der Fall sonst überhaupt vor Gericht gelandet? Der Haupttäter soll die 18-Jährige schon einmal vergewaltigt haben. Auch dieser Fall ist in der Anklage gelandet. Von einer "normalen Verabredung" sprach Marc Decker zum Prozessauftakt, der Verteidiger des Hauptangeklagten. Und tatsächlich bestätigte die 18-Jährige diesen Vorwurf in der Hauptverhandlung nicht.

Ohrfeigen für das Opfer

Sie soll ebenfalls freiwillig mit den fünf Jungen in das Waldstück gegangen sein. "Auch mit den sexuellen Handlungen war sie zunächst einverstanden", erklärt Gerichtssprecherin Sarah Bader. "Dies änderte sich jedoch erkennbar im Laufe des Geschehens, spätestens, als Gewalt angewendet wurde - zum Beispiel Ohrfeigen." Auch darum haben die Richter das maximal mögliche Strafmaß von zehn Jahren nicht ausgeschöpft. Sie folgten letztlich den Aussagen des Opfers und der Expertise einer Psychologin. Hinzu kommt, so Bader, dass "die Angeklagten an der Schwelle zur Strafmündigkeit standen", also sehr jung waren.

Seinen Mandanten beschrieb Decker als "absolut umgänglich", "ein ganz normaler 14-Jähriger". Das Opfer dagegen habe eine „Persönlichkeitsstörung“. Das sah die Anwältin der 18-Jährigen freilich ganz anders. Ihre Mandantin sei traumatisiert und werde psychologisch behandelt, hatte Kirsten Etzbach erklärt. Sie sei zufrieden mit dem Ausgang des Prozesses, sagt sie am Donnerstag. Die Verteidiger der Jugendlichen äußern sich nicht mehr zum aus ihrer Sicht verlorenen Prozess. Wortlos ziehen sie und die zwei jüngeren, weiterhin verhüllten Angeklagten ab. Wann sie ihren Arrest antreten, ist noch nicht klar, ihre Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Der Haupttäter wird abgeführt - da die Untersuchungshaft jedoch angerechnet wird, verbleiben ihm bei guter Führung nur noch wenige Monate in der Jugendstrafanstalt.

Chronologie des Falls