Duisburg/Mülheim. Prozess in Duisburg: Jugendliche sollen im Juli in Mülheim eine 18-Jährige vergewaltigt haben. Die drei nun Angeklagten bestreiten den Vorwurf.

Sie waren erst 14 und zwölf Jahre alt, die fünf Jungs, die Anfang Juli in einem Mülheimer Waldstück Sex mit einer 18-Jährigen hatten. Das nämlich bestreiten die drei Älteren gar nicht: Nur sei alles „einvernehmlich“ gewesen, sagt einer der Verteidiger am Dienstag im Duisburger Landgericht. Dort sitzen drei der bulgarischen Jugendlichen, inzwischen 14 und 15, wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung auf der Anklagebank.

Sie kommen auf den letzten Drücker und mit der halben Familie, allerdings dürfen Oma und Opa nicht mit den Saal: Die 3. Große Strafkammer tagt als Jugendkammer, zum Schutz der Jugendlichen bleibt die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Trotzdem ist der Raum mit Anwälten, Übersetzern, Vertretern der Jugendgerichtshilfe gut gefüllt. Der 15-jährige Hauptangeklagte, seit dem Sommer in Untersuchungshaft, ist der Einzige, der nicht durch das Spalier aus Kameras muss, er wird durch eine Hintertür hereingebracht.

„Gewaltsam den Geschlechtsverkehr erzwungen“

Die beiden Jüngeren stürmen die breite Treppe hinauf, die Kapuzen ihrer langen Steppjacken tief ins Gesicht gezogen, einer hat sich mit einem weißen Schal vermummt. Nur die Knöchel über den Turnschuhen sind nackt, wie man das derzeit so trägt. Dünne Kerle sind sie beide, zarte Hände umklammern die eigenen Arme, aus den Jacken schauen spitze Gesichter mit leichtem Bartflaum. In der Anklage steht, sie sollen „gewaltsam den Geschlechtsverkehr erzwungen haben“.

Über den Vorwurf und das Verfahren sei sein Mandant „zutiefst schockiert“, sagt Rechtsanwalt Marc Decker in einer Prozesspause. „Er bestreitet nachdrücklich.“ Das gelte auch für die beiden anderen Angeklagten. Aussagen wollten die Drei aber nicht. Keine Einlassung also zu jenem 5. Juli 2019, dessen Geschehnisse nicht nur in Deutschland Aufsehen erregt hatten. Dem Abend, an dem fünf Jungen in Mülheim eine junge Frau vergewaltigt haben sollen.

Haupttäter soll die 18-Jährige schon einmal vergewaltigt haben

Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe betreuen die Angeklagten im Prozess um die Gruppenvergewaltigung.
Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe betreuen die Angeklagten im Prozess um die Gruppenvergewaltigung. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

„Es gab eine Begegnung“, sagt dazu Verteidiger Decker. Eine normale Verabredung, nicht die erste mit der 18-Jährigen, von der Decker sagt, sie habe eine „Persönlichkeitsstörung“. Die Staatsanwaltschaft formuliert es so: Einer der Angeschuldigten habe „das Opfer zu einem Treffpunkt bestellt“. Von dort habe das Quintett die junge Frau in ein Waldstück geführt – eigentlich nicht viel mehr als eine Baumreihe am Rande einer Straße am Eppinghofer Bruch in der Nähe der Mülheimer Innenstadt. Die Vergewaltigung soll dabei nicht die erste gewesen sein: Der Haupttäter soll sein Opfer zuvor schon einmal „zu sexuellen Handlungen gezwungen haben“, wie es im Justizdeutsch heißt.

Der 15-Jährige war den Behörden bereits als Intensivtäter bekannt und wurde im Aussteiger-Programm „Kurve kriegen“ betreut. Wie die anderen musste er nach den Sommerferien die Schule wechseln. Die Stadt Mülheim versuchte sogar, die Familie nach Bulgarien auszuweisen, weil die Eltern zunächst keinen gültigen Arbeitsvertrag vorweisen konnten. Im November legte die Mutter im letzten Moment einen Nachweis über eine Beschäftigung vor. Inzwischen soll die Familie nicht mehr in Mülheim wohnen.

Zwölfjährige sind strafunmündig – Sie können nicht verfolgt werden

Überhaupt aufgefallen war die Sache damals, weil die Hunde von Anwohnern anschlugen. Als die Mülheimer daraufhin im Halbdunkel nachsahen, entdeckten sie hinter ihrem Gartenzaun die Jugendlichen im Gebüsch und riefen die Polizei. Eine Streife konnte die flüchtenden Jungen wenig später aufgreifen. Das Ermittlungsverfahren gegen die beiden beteiligten Zwölfjährigen wurde indes rasch eingestellt, weil sie noch strafunmündig sind. Den drei Älteren droht eine Jugendstrafe von bis zu zehn Jahren.

Allerdings will Anwalt Decker am Ende des auf neun Tage anberaumten Prozesses auf Freispruch plädieren. Sein Mandant, mit den beiden anderen verwandt, sei „ein ganz normaler 14-jähriger Jugendlicher“ und „absolut umgänglich“. Er sei von der Anklage „massiv beeindruckt“, „er leidet sehr darunter“. Mehrfach betont Decker auf dem Gerichtsflur, der Sex sei „einvernehmlich“ gewesen.

Traumatisiertes Opfer soll an einem der nächsten Prozesstage aussagen

Das 18-jährige Opfer „wird das ganz anders schildern“, sagt Opfer-Anwältin Kirsten Etzbach, als der erste Verhandlungstag am Mittag zu Ende ist. Der jungen Frau gehe es „nicht gut“. Sie sei traumatisiert und werde psychologisch behandelt. „Sie muss stabilisiert werden.“ Als Nebenklägerin tritt die Frau nicht auf, sie betrachte das Verfahren aber als Teil der Aufarbeitung. An einem der nächsten Prozesstage soll sie als Zeugin aussagen.

>>INFO: NEUN PROZESSTAGE GEPLANT

Für die Verhandlung gegen die drei Jugendlichen hat die 3. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg zunächst neun Tage anberaumt. Nach bisherigem Zeitplan könnte ein Urteil am 5. März fallen.

Den jugendlichen Angeklagten droht wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.