Mülheim/Duisburg. Auch die Justiz ist frei von Corona. Zur mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung von Mülheim kann kein Urteil fallen - das verhindert eine Quarantäne.

Richter, Staatsanwalt und Verteidiger, Presse und natürlich die jugendlichen Angeklagten sind gekommen, um im Landgericht Duisburg der Wahrheitsfindung zu dienen. Haben die fünf Jungen bulgarischer Herkunft, 12 bis 14 Jahre nur, in Mülheim eine 18-Jährige gemeinschaftlich vergewaltigt oder war der Sex einvernehmlich, wie ihre Verteidiger sagen. Im Falle eines Schuldspruches droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Doch an diesem Montag wird es nicht dazu kommen. Eine von fünf Schöffinnen fehlt - wie man hört, sitzt sie in häuslicher Quarantäne. Corona ergreift auch die Justiz.

Noch arbeiten die Gerichte, noch gibt es keine Ansage, dass auch diese Zusammenkünfte ausgesetzt werden müssen, sagt Gerichtssprecherin Antje Hahn. Aber der Fall der fehlenden Schöffin deutet auf das Problem hin, das ja auch die Deutsche Bahn zu ihrem Krisenfahrplan veranlasst: Personal droht auszufallen. Sei es wegen Quarantäne, sei es wegen der Kinderbetreuung. Die Urteilsverkündung im Prozess um die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung ist nun - mit einigem Optimismus - terminiert auf den 14. April.

Aufgespürt von Hunden

Die Hunde von Anwohnern hatten die Jugendlichen Anfang Juli 2019 in einem Gebüsch aufgespürt, als sie mit der 18-Jährigen Sex hatten. Wäre der Fall sonst überhaupt vor Gericht gelandet? Der Haupttäter soll sie schon einmal vergewaltigt haben. Auch dieser Fall ist in der Anklage gelandet, in der steht, dass die fünf Jungen „gewaltsam den Geschlechtsverkehr erzwungen haben“ sollen. Von eine normalen Verabredung, sprach Marc Decker zum Prozessauftakt, der Verteidiger des Hauptangeklagten. Der damals 14-Jährige und seine vier anderen Verwandten "bestreiten nachdrücklich", dass es sich um eine Vergewaltigung gehandelt habe. Das Opfer, sagt Decker, habe eine „Persönlichkeitsstörung“.

An diesem Montag sind die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen, als zwei der Jungen den Gerichtssaal betreten. Denn dass die Schöffin nicht erscheinen wird, das klärt das Gericht - warum auch immer so spät - erst einige Minuten später. Sie tragen enge Jeans, Turnschuhe und viel zu dicke Steppjacken für diesen frühlingshaften Märzmorgen, doch um die Kapuzen eben geht es. Auch als sie den Saal wieder verlassen, verbergen die Jugendlichen ihre Gesichter in Polstern und hinter Schals. Sind sie erleichtert oder wollten sie es nun endlich hinter sich bringen? Ob sie in rund einem Monat Klarheit über ihr Schicksal erlangen, das ist wie alles dieser Tage abhängig vom weiteren Verlauf der Corona-Krise.