Essen/Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener, der eine Frau gestalkt und 21-mal auf sie eingestochen haben soll, sieht sich als Opfer. Das sagt er zum Prozessauftakt.
Sie hatte fast keine Chance, als der Stalker sie laut Anklage im Hausflur ihrer Wohnung in Buer abfing und 21-mal mit dem Messer auf sie einstach. Nur dank schneller ärztlicher Hilfe überlebte die 32-Jährige die brutale Attacke. Seit Montag muss sich der Mann, der sie rund zwei Jahre lang verfolgt haben soll, wegen versuchten Totschlags vor dem Essener Schwurgericht verantworten. Doch Faruk P. (43) zeigt sich keineswegs reumütig. Er sieht sich selbst als Opfer.
Der Auftritt des Angeklagten ist ein deutlicher Kontrast zu der Brutalität, von der Staatsanwältin Julia Schweers-Nassif in ihrer Anklage spricht. Da betritt ein eher klein wirkender Mann den Gerichtssaal. Freundlich lächelnd begrüßt er seinen Verteidiger Markus Waclawek.
Kennengelernt durch Zumba-Kurs
Das ist also der Mann, der hartnäckig sein Opfer unter Druck gesetzt haben soll. Kennengelernt hatte der Familienvater die 32-Jährige über seine Frau, die bei ihr einen Zumba-Kurs belegt hatte. Offenbar verguckte der 43-Jährige sich in die Jüngere, machte sich Hoffnungen, als sie sich von ihrem Mann trennen wollte. Doch sie ließ ihn abblitzen, wollte nichts von ihm wissen, sagt die Anklage.
Die Staatsanwaltschaft ist eindeutig in der Schuldzuweisung. Sie berichtet von den ständigen Nachstellungen des Angeklagten, die sich gegen die Frau und ihren Mann richteten. Auch die Justiz kam ins Spiel. Es gab Kontaktverbote, Strafanzeigen, Gerichtsverfahren. Aber es gab keine Ruhe.
Angeklagter gilt als psychisch krank
Psychisch krank ist der Angeklagte offenbar, aber das war direkt nach der Messerattacke noch nicht bekannt. Die psychiatrische Sachverständige Marianne Miller spricht von einer paranoiden Schizophrenie, bescheinigt ihm vorläufig eine Schuldunfähigkeit zur Tatzeit. Um die Gesellschaft vor ihm zu schützen, droht ihm also für nicht absehbare Zeit die geschlossene Psychiatrie.
Am 22. Juni fuhr Faruk P. von seiner Wohnung in Horst nach Buer. In einem Café saß er, nicht weit entfernt von der Wohnung der 32-Jährigen. Als er sie auf dem Gehweg sah, soll er mit der Hand eine Geste gemacht haben, als schneide er ihr die Kehle durch.
Im Hausflur überrumpelt
Sie rief die Polizei. Obwohl er bei den Beamten jede Drohung bestritt, warnten sie ihn und erteilten ihm einen Platzverweis. Doch kurz darauf soll er die 32-Jährige im Hausflur des Mehrfamilienhauses, in dem sie wohnte, überrumpelt haben. In letzter Not hatte sie sich trotz der vielen Stichverletzungen, die ihren Körper trafen, auf die Straße gerettet. Erst da habe er von ihr abgelassen, sagt die Anklage. Allerdings habe er ihr zum Schluss noch einen Stich in die Lunge versetzt. Noch heute leidet sie an den Folgen der Tat.
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Mit leisen Ausrufen des Entsetzens kommentieren einige der vielen Zuhörerinnen im Saal die Schilderungen der Anklage. Sie unterstützen das Opfer der Tat, sagt Nebenklageanwalt Frank Jasenski. Morgens hatten sie vor dem Landgerichtsgebäude demonstriert. Als einige Zuhörerinnen auch die Darstellung des Angeklagten kommentieren, verbittet Richterin Katrin Jansen sich jede Äußerung der Zuschauerinnen.
Angeklagter gibt Opfer die Schuld
Faruk P. erzählt, was er schon früher gesagt hat. Dass nämlich die 32-Jährige sich in ihn verliebt habe. Sechs Monate lang hätten sie eine Beziehung gehabt. Als ihr aber klar wurde, dass er Frau und Kinder nicht verlassen wollte, habe sie ihn belästigt und bedroht. Auch ihre Brüder hätten ihn mit dem Tode bedroht.
An die Tat selbst will Faruk P. keine Erinnerung haben. Er wisse nur, dass er gedacht habe, sie hielte ein Messer in der Hand. Warum er überhaupt in ihrem Hausflur war, dafür hat er keine überzeugende Antwort. Fünf weitere Prozesstage hat die Kammer geplant.
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