Essen. Ein 22-Jähriger muss sich vor dem Landgericht Essen wegen Mordes an seiner Mutter verantworten. Der Angeklagte will im Affekt gehandelt haben.
Konzentriert wirkt er, ruhig. Auch als Staatsanwältin Julia Schweers-Nassif vorliest, dass er seiner Mutter hinterrücks eine Hantel auf den Kopf schlug und sie ermordete, zeigt der Essener Christian K. (22) keine Regung. Einen versuchten Mord wirft die Anklage dem Studenten vor. Heimtückisch und aus Habgier, um an das Erbe in Höhe von 400.000 Euro zu kommen.
Ein Mord in besseren Kreisen ist es, den das Essener Schwurgericht seit Donnerstag aufklären will. Das Opfer, eine 58 Jahre alte promovierte Chemikerin. Der Angeklagte ihr jüngerer Sohn, der laut Anklage heimlich sein IT-Studium abgebrochen hatte. Beide stark engagiert in der evangelischen Kirchengemeinde in Essen-Kupferdreh. Sie sogar als Presbyterin.
Diagnose der Rechtsmedizin: Tod durch Verbluten und Ersticken
Schulden sollen ihn belastet haben, so dass er den Tod der Mutter plante. Denn ein Mülheimer Unternehmer aus der Immobilienbranche habe ihm einen Etat von 300.000 Euro für Aktienspekulationen anvertraut. Doch aus dem erhofften Gewinn wurde nichts, schnell sei ein Verlust von 200.000 Euro angehäuft worden.
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Am 26. Juni soll Christian K. nach dem Abendessen mit seiner Mutter in der schmucken Einfamilienhaussiedlung seinen Plan verwirklicht haben. Einen Unfall habe er vortäuschen wollen, sagt die Anklage. Von hinten schlug er ihr deshalb mit einer Hantel auf den Kopf, heißt es weiter.
Als sie am Boden lag, soll er ihren Kopf mehrfach auf den Fliesenboden des Wohnzimmers geschlagen und ihr Plastikhandschuhe in den Mund gestopft haben. Tod durch Verbluten und Ersticken, so lautet die Diagnose von Rechtsmediziner Andreas Freislederer.
Angeklagter soll Mordplan auf Zettel skizziert haben
Anschließend soll Christian K. die Spuren beseitigt haben. Als er dabei durch seinen vier Jahre älteren Bruder, der gegen 23 Uhr nach Hause kam, gestört würde, soll er auch diesen angegriffen und mit Hantel und Messer verletzt haben.
Als wichtigen Beweis stuft die Anklage einen kleinen Zettel ein, den die Polizei im Zimmer des Angeklagten gefunden hat. Darauf soll er seinen Mordplan skizziert haben. Von Luft zuhalten sei da die Rede, von einem Umwerfen der Mutter. Selbst der Notruf 112 wird schriftlich vermerkt.
Am ersten der insgesamt neun Verhandlungstage wird aus Termingründen nur die Anklage verlesen. Verteidiger Nils Holtkamp teilt dem Gericht aber mit, sein Mandant habe eine Einlassung eigenständig niedergeschrieben, die er beim nächsten Mal vorlesen werde.
Verteidiger: Chemie zwischen Mutter und Sohn stimmte nicht mehr
Vor dem Saal berichtet Holtkamp der Presse von den Grundzügen der Verteidigung. Die Tat selbst werde nicht bestritten, schließlich “war zur fraglichen Zeit kein anderer Mensch am Tatort”. Es wird um das Motiv gehen, um die Tatausführung. Die Mordmerkmale Habgier und Heimtücke “werden wir widerlegen”.
Denn Schulden habe der Mandant gar nicht gehabt, die 200.000 Euro Verlust seien das Geschäftsrisiko gewesen und der Chef habe auch nicht auf Rückzahlung gedrängt.
Auch von Heimtücke sei keine Rede. Es habe sich vielmehr zu Beginn um einen Unfall gehandelt, aus dem sich dann in einer Art Blackout der Tod der Mutter entwickelt habe. Dies, so Holtkamp, müsse vor dem Hintergrund einer jahrelangen Entwicklung von Mutter und Sohn gesehen werden. Von Überforderung durch die Mutter wolle er aber nicht sprechen: “Ich weiß da gar kein Wort für. Vielleicht, dass die Chemie zwischen zwei Menschen nicht stimmte.”
Vollständig schuldfähig: Es droht lebenslange Haft
Der Mandant habe auch Probleme der zeitlichen Zuordnung während seines Blackouts. In seiner Erinnerung tauche auch die Hantel nicht auf. Holtkamp: “Wir sind uns angesichts der Spuren sicher, dass die Hantel den Kopf nicht berührt hat.”
Auch der Zettel falle in den Bereich des Blackouts, sagt der Verteidiger. Offenbar sei der nicht als Plan vor dem Tod der Mutter geschrieben worden, sondern erst danach.
Was genau Christian K. sagen will, hört das Schwurgericht erst am 10. Januar. In etwa hat er das aber schon der Psychiaterin Maren Losch und dem Psychologen Detlef Korff erzählt. In ihrem vorläufigen Gutachter kommen sie aber zu dem Schluss, ihn als voll schuldfähig einzustufen. Bei einer Verurteilung wegen Mordes kann der 22-Jährige dann nicht auf Milde hoffen. Lebenslange Haft wäre die Folge.