Essen/Gelsenkirchen. Die Integration zugewanderter Kinder müssen häufig benachteiligte Schulen leisten. Bosnierin Bejta Sapcanovic (19) hat es trotzdem weit gebracht.

Von ihren Mitschülern musste sich Bejta Sapcanovic öfter abfällige Kommentare anhören – nicht, weil ihr Deutsch fremd, zu bosnisch klingt. Vielmehr, weil ihre Deutschnoten häufig besser waren als die manch eines neidischen Muttersprachlers. Erst seit 2016 lebt die 19-Jährige in Gelsenkirchen. Sie wurde von ihrem Vater nachgeholt, der ohnehin seit Jahren in Deutschland arbeitete. Jetzt macht sie ihr Abitur, danach will sie Medizin studieren. „Ich habe auch nach der Schule gelernt, statt viel auszugehen“, sagt sie im perfekten Deutsch.

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Ihre Schule, das Berufskolleg Am Goldberg in Gelsenkirchen, hat ihr Sprachtalent und ihren Eifer schnell erkannt und sie gezielt gefördert. Die Schule wird in einer neuen Studie der Mercator-Stiftung als Positivbeispiel dafür genannt, wie die Inte­gration von Seiteneinsteigern an Schulen gut gelingen kann.

Integration bleibt an benachteiligten Schulen hängen

Die Schule ist ohnehin international ausgerichtet, je nach Bildungsgang haben zwischen 50 und 80 Prozent der Schüler eine internationale Familiengeschichte. Da habe man die Integration geflüchteter und neu migrierter Schüler eher als Bereicherung gesehen, um sich als multikultureller Standort weiter zu professionalisieren, heißt es in der Studie. „Wenn man will, dann klappt es auch“, sagt Schulleiter Ralf Niebisch über den Unterricht in internationalen Förderklassen, wo die ausländischen Schüler zuerst unterricht werden. „Wir haben aber auch den Luxus, dass bei uns keine Lehrstelle unbesetzt ist.“

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Der Normalfall ist das nicht. Denn gerade die Schulen, die in benachteiligten Regionen mit einer hohen Einwandererdichte liegen, hätten häufig große Schwierigkeiten, genügend Lehrkräfte zu finden, diagnostiziert das Gutachten der Mercator-Stiftung. „In südlicheren und wohlhabenderen Wohngebieten im Ruhrgebiet nehmen die Schulen die Seiteneinsteiger meist nicht auf“, sagt die Studienautorin und ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Christiane Bainski, die für ihr Gutachten 30 Interviews mit Akteuren aus der Bildungs- und Integrationsarbeit geführt hat. „Die Einrichtungen mit den ohnehin stärksten Herausforderungen haben dagegen auch beim Unterricht von Seiteneinsteigern die größten Herausforderungen.“, sagt Bainski.

Mercator-Stiftung: Mehr Mittel für Schulen in schwierigen Regionen

Ein Gefälle gibt es auch bei den Schulformen: Während der Anteil der Seiteneinsteiger-Klassen bei den Gymnasien zurückgeht, nehmen die Berufskollegs, Haupt- und Gesamtschulen immer mehr auf. „Die vom Land gewollte Sonderstellung der Gymnasien bei dieser Aufgabe ist alles andere als sinnvoll“, kritisiert Bainski mit Blick auf Schulministerin Yvonne Gebauers (FDP) Entscheidung, Gymnasien bei Aufgaben wie Inklusion und Integration nicht länger zu verpflichten. Weitere Probleme sieht Bainski bei der Lehrerausbildung: Insbesondere in den Ballungsräumen müsse die Mehrsprachigkeit der Schülerschaft in der grundständigen Lehrerausbildung stärker berücksichtigt werden.

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Die Mercator-Stiftung sieht weitere Möglichkeiten, die Situation in Seiteneinsteiger-Klassen zu verbessern. „Für die laufende Überarbeitung des Sozialindex NRW sollten für Schulen in sozial herausfordernden Lagen mehr Mittel für Fortbildung und Beratung vorgesehen werden“, fordert Susanne Farwick, Leiterin der Abteilung Integration der Stiftung. Anhand des neuen Sozialindex, den das Land aktuell erarbeitet, sollen Lehrkräfte in NRW bedarfsgerechter eingesetzt werden – also vermehrt dort, wo die Arbeitslosenquote oder der Anteil von Schülern mit Zuwanderungsgeschichte hoch ist. Einen Ansatz zur Minderung des Lehrermangels sieht die Stiftung darin, zugewanderte Lehrer als neue Lehrkräfte zu gewinnen – ein Konzept, das das Programm „Lehrkräfte Plus“ verfolgt.

Bejta Sapcanovic bräuchte kein Sonderprogramm, um künftig als Lehrerin zu arbeiten – „mein Plan B, wenn es mit dem Medizinstudium nicht klappt.“ Für die Schullandschaft in NRW wäre Bejtas Alternativroute der Goldweg.