Essen. Fallpauschalen für Geburten sorgen dafür, dass sich Geburtsstationen für kleinere Krankenhäuser nicht rechnen. Ein Kommentar von Karoline Poll.
Die Geburt lohnt sich nicht mehr: 44 Kliniken haben in den vergangenen zehn Jahren in Nordrhein-Westfalen ihre Geburtsstationen dicht gemacht. Die Ansprüche der Eltern könne die Klinik nicht mehr erfüllen, hieß es etwa 2017 beim Aus für die Geburtshilfe an den Ev. Kliniken Gelsenkirchen. Tatsächlich entscheiden die werdenden Eltern mit. Viele steuern nicht das kleine Krankenhaus, sondern lieber gleich das medizinisch hoch ausgestattete und spezialisierte Geburtszentrum an.
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Geburtshilfe wird deshalb in großen Zentren gebündelt, kleinere Kliniken haben kaum mehr eine Chance. Für werdende Eltern heißt das, dass sie immer weitere Wege auf sich nehmen müssen, um ins nächste Krankenhaus zu kommen. Bis zu 40 Minuten dauere das in Nordrhein-Westfalen, heißt es in einem Gutachten des NRW-Gesundheitsministeriums.
Geburt: Finanzierung muss reformiert werden
Im Krankenhaus angekommen konkurrieren werdende Eltern dann – wenn sie Pech haben – untereinander um einen Platz im Kreißsaal und die Aufmerksamkeit der wenigen diensthabenden Hebammen. Denn auch sie leiden unter dem Kostendruck der Krankenhäuser.
Diese bekommen – egal wie lange eine Geburt dauert – eine Fallkostenpauschale erstattet. Das ist weltfremd, ist eine Geburt doch so individuell, wie die Kinder die dabei auf die Welt kommen. Das NRW-Gesundheitsministerium deutet an, die Geburtshilfe im kommenden Jahr gezielt zu fördern. Notwendig wäre vielmehr eine Reform der Finanzierung. Davon könnten auch Hebammen profitieren, die dann wieder mit mehr Stellen im Kreißsaal vertreten sein könnten. Damit sich eine Geburt nicht nur für Eltern, sondern auch für die Krankenhäuser lohnt.
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