Ruhrgebiet. Schwimmkurse sind rar in einigen Städten. Denn viele Lehrschwimmbecken werden geschlossen. In Mülheim sind Wartezeiten bis zu zwei Jahren üblich.
„Wir empfehlen den Eltern, ihre Kinder bei der Geburt für einen Schwimmkurs anzumelden“, sagt Frauke Jerabeck von der DLRG Mülheim. „Wir rufen sie dann zurück, sobald ihr Kind im richtigen Alter ist, und fragen, ob sie noch Interesse haben.“ Alternativ kann man auch bis zu zwei Jahre warten, bis man in Mülheim seinen Wunschplatz bekommt, wobei es im grünen Osten der Stadt auch nur ein halbes Jahr dauern kann und im Süden wieder anderthalb Jahre. Es sind Zustände, wie man sie bisher nur vom Kampf um Kindergartenplätze kannte.
„Es gibt einfach zu wenig Wasser in der Stadt“, sagt Martina Grees vom Mülheimer Amateur Sport Club (ASC). Und das trifft wohl auch auf Bottrop zu. Hier warten 400 Kinder auf Schwimmkurse. In Dinslaken sind es ähnlich viele, auch in Hattingen gibt es Wartelisten, Schulen klagen über lange Wege, eine unvorhergesehen lange Baustelle verschärft die Krise, Ende des Jahres soll das Schwimmbad Niederwenigern gänzlich schließen.
Lage lokal extrem unterschiedlich
Die Lage sei lokal extrem unterschiedlich, sagt Achim Wiese, Bundessprecher der DLRFG. Aber es gebe klar einen Trend zur Zentralisierung. Soll heißen: Badstandorte gerade in den Vierteln werden geschlossen, dafür werden im besten Fall mehr Kapazitäten in der Stadtmitte geschaffen. Denn bei einer „Aufwertung“ des Bades steigen die Einnahmen stärker als die Betriebskosten. Man kann auch sagen: Aus der Sauna entstehen Gewinne. So gehe auch das reine Lehrschwimmen immer weiter zurück“, sagt Wiese „Die Ausbildungszeiten nehmen netto ab. So ist es in Bottrop, wo Lehrschwimmbecken geschlossen wurden und der Sport- und Bäderbetrieb nun schlicht keine zusätzlichen Wasserzeiten mehr auftreiben kann.
„Bundesweit werden etwa 80 Bäder pro Jahr geschlossen“, sagt Wiese. „Und NRW ist besonders davon betroffen.“ Seit 2000 ist so jedes zweite Bad weggefallen. Allerdings sind diese Zahlen nicht unumstritten. Von einem „beispiellosen Bau-Boom“, spricht dagegen gar der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen. Christian Ochsenbauer leitet dies in seiner Verbandszeitschrift ab von einer eigenen Erhebung zum Zeitraum 2016-2018. Hier gab es zwar 18 Schließungen bundesweit, darunter das Essener Bad am Südpark, und fünf echte Neubauten, dazu aber 110 Sanierungen, Erweiterungen und Ersatzneubauten - überwiegend in Süddeutschland.
Die üblicherweise verwendeten Zahlen gehen dagegen auf einen Vergleich zweier unterschiedlicher Statistiken zurück, DLRG-Sprecher Wiese hält sie jedoch für realistischer. Laut DLRG-Zahlen verschwanden seit 2016 in NRW 36 Schwimmbäder. Er warnt: Schon jetzt könne mindestens jedes zweite Kind am Ende seiner Grundschulzeit nicht sicher schwimmen. Tendenz: schlechter.
Tatsächlich erfasst keine der beiden Berechnungen die Lehrschwimmbecken, darüber hat niemand eine Übersicht, auch nicht die Staatskanzlei, die das Programm „Schwimmen lernen in NRW“ leitet. Doch gerade die sind entscheidend für die breite Schwimmausbildung. Im Sommer nächsten Jahres soll eine Studie der Hochschule Koblenz die Grundlage schaffen, um vergleichbare Lebensverhältnisse im Land herzustellen. Auch die Schwimmbadsituation im Ruhrgebiet soll hier eingehend thematisiert werden.
Oberhausen verfolgt ein interessantes Konzept
Derzeit teilen sich im Revier etwa 29.000 Bürger ein Bad (ohne Lehrschwimmbecken), fast doppelt so viele wie im Bundesschnitt – was angesichts der kürzeren Wege im Ballungsraum nicht per se schlimm sein muss. Oberhausen etwa hat unter dem Druck seiner Schulden früher als andere auf Zentralisierung gesetzt. Hier kommt nur noch ein Bad auf 52.000 Bürger. Allerdings sind die Schwimmkurse nur moderat überfragt. In einen aktuellen Kurs kommt man wohl nicht, „aber in den nächsten, spätestens den übernächsten“, sagt Hubert Stüber vom Stadtsportbund, was maximal ein halbes Jahr Wartezeit bedeute.
Ohne die relativ hohe Zahl an Lehrbecken ging das wohl kaum. Denn sieben von neun hat Oberhausen damals erhalten – auch weil alle Sportvereine sich auf eine gemeinsame Interessenvertretung geeinigt hatten. Zwei Hallenbäder wurden unter Protest der Bürger aufgegeben, das in Osterfeld und das Ostbad. Dafür wurde ein marodes Bad am gleichen Standort neu gebaut, ein anderes grundsaniert und der Aquapark am Centro kam hinzu. „Die Wasserfläche hat sich vergrößert“, sagt Stüber. Und die längeren Wege hätten sich „überhaupt nicht ausgewirkt. Unser Vorteil ist, dass Oberhausen ein kleines Gebiet hat“ und deutlich kompakter sei als etwa Essen oder Duisburg.
Aber noch eine zweite Sache macht Oberhausen anders und womöglich vor: Man müsse die knappen Zeitfenster im Wasser besser nutzen, erklärt Stüber. Schüler lernen schneller schwimmen , wenn sie besser betreut werden. Darum bekommen die Lehrer in allen Hallenbädern an gewissen Tagen Unterstützung durch Übungsleiter der Vereine, entlohnt durch die Stadt. Was wohl deutlich günstiger kommt, als mehr Wasserfläche vorzuhalten.