Oberhausen. .
Die Lüfter arbeiten so hart wie die jungen Forscher im Batterie-Testlabor des Fraunhofer Umsicht-Instituts gegenüber des Oberhausener Centros. Thorsten Seipp und Sascha Berthold klebt Grafit an Fingern und Kitteln. Beschichtete Platten, Messer, Gummihammer liegen auf dem Werktisch, nebenan im Nassraum beugt sich ein Kollege mit Schutzbrille über Becken mit elektrisch leitfähigen Flüssigkeiten. Hier bedeutet Spitzenforschung noch Handarbeit. Und am Ende steht ein Produkt: eine bessere Batterie – wie gemacht für die Energiewende.
Genauer gesagt bauen Seipp, Berthold und ihre Mitarbeiter einen wiederaufladbaren Akku nach dem „Redox Flow“-Prinzip: Die Energie wird in einem Gemisch aus Wasser und dem Metall Vanadium gespeichert. Das besitzt eine besondere Eigenschaft: Man kann es laden und entladen. Und so braucht man nur eine Flüssigkeit als Energieträger statt zwei wie in den meisten anderen Batterien. Sie fließt zwischen zwei Tanks hin und her durch einen Stapel leitfähiger Platten in der Mitte – und diese galvanische Zelle kann Energie in das Vanadium hineinpumpen oder heraussaugen.
„Der Vorteil besteht darin“, erklärt der 29-jährige Thorsten Seipp, „dass man die Kapazität des Energiespeichers einfach und günstig erhöhen kann, indem man die Tanks größer macht – ganz unabhängig von der Leistung der Zelle. Zudem schwächelt diese „Flussbatterie“ nicht nach gewisser Zeit wie ein Lithium-Ionen-Akku.“
Man muss die Batterie nicht neu erfinden – nur besser machen
Das Prinzip ist lange bekannt, die Leistung, die die Forscher in den vergangenen acht Jahren in Oberhausen geleistet haben, ist: die Batterie wirtschaftlicher zu machen. Ein neues Grafit-Kunststoffgemisch für die leitfähigen Platten ermöglicht einen vielfach geringeren Materialeinsatz und einen einfacheren Bau. Die ehemals spröden Platten sind nun flexibel wie Folie. Man kann nun auf Dichtungen verzichten und die Lagen rundum zuschweißen.
Seipp und Berthold haben mit Thomas Gebauer die Firma „Volterion“ gegründet, um die Batterien von der Größe eines amerikanischen Kühlschranks in Haushalte mit Solardächern zu bringen. Die Idee: Mehr vom selbst produzierten Strom nutzen (80 statt 20Prozent), statt ihn tagsüber billig einzuspeisen und abends teuer zurückzukaufen. Und natürlich können solche Batterien im intelligenten Stromnetz der Zukunft als Schwarmspeicher fungieren – der Besitzer könnte seine Kapazität vermieten. Produzieren soll Volterion in Dortmund auf Phoenix West.
Auch interessant
Dass junge Forscher sich selbstständig machen, wird gefördert von Fraunhofer. An den vier Instituten im Ruhrgebiet wird stets auch geforscht, wie wissenschaftliche Erkenntnisse zur marktreifen Anwendung geführt werden können. Fast hundert Patente hält allein Umsicht, jährlich kommen zehn hinzu: für Abwasserfreie Ledergerbung, Schokopulver, das sich aromatisieren lässt, und isolierenden Kunststoff mit eingebautem Brandschutz. Für sich selbst reparierende Dichtungen aus aufquellenden Gelkügelchen oder für Sicherheitsschaltungen in LED-Röhren, die ermöglichen, dass man sie in bestehende Neonröhrenfassungen einsetzen kann.
Auch von Volterion wird Fraunhofer als Patentinhaber eine Lizenzgebühr nehmen. Für eine größere Variante der Vanadiumbatterie sucht das Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik derzeit Industriepartner. Die Energietanks könnten Windradanlagen so ergänzen, dass diese beständig Strom liefern. Genau die Technik, die für die Energiewende benötigt wird.
Im Folgenden stellen wir weitere interessante Spitzenforschungsprojekte jenseits der Universitäten vor.
Krebswachstum blockieren
Warum wuchert ein Tumor? Auch weil dessen Zellen einen Vorteil haben: Sie werden angeregt von Wachstumssignalen, die von einem Protein namens RAS ausgehen können. In jedem dritten Tumor – bei Bauchspeicheldrüsenkrebs fast immer – sind außer Kontrolle geratene RAS-Moleküle auf Dauersendung. Den Dortmunder Forschern am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie ist es gelungen, den Wirkstoff „Deltarasin“ zu entwickeln, der die Wirkung von RAS deutlich abschwächt. Dazu haben sie 150 000 Moleküle getestet und die vielversprechendsten optimiert.
200 000 Fotos pro Sekunde
Eigentlich sollte der Wunderchip nur Geld prüfen können. Allerdings während es rasend schnell aus der Presse kommt. Herausgekommen ist am „Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme“ (IMS) in Duisburg ein Sensor, der doppelt so schnell arbeitet wie bisherige: Er nimmt bis zu 200 000 Farbbilder pro Sekunde auf – und erkennt 3D-Strukturen. Nun kann man sich weitere Anwendungen vorstellen: Beim Recycling könnte der Sensor bereits geschredderte Materialien trennen. Und die Bahn könnte ihre Schienen auch bei 300 km/h auf Haarrisse prüfen ...
Das intelligente Warenlager
Künstliche Intelligenz ist ein großes Thema im Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund. Das Team um Dr. Sören Kerner hat ein Hochregallager zum „LivingLab“ umgemodelt, zum „lebenden Testlabor“: Statt Gabelstapler transportiert eine Vielzahl kleiner Fahrzeuge die Waren von A nach B. Der Clou: Wie sie das machen, bleibt ihnen überlassen. Die Fahrzeuge entscheiden selbst über die besten Routen, sie tauschen sich aus ohne zentrale Steuerung. Will man die Kapazität erhöhen, schickt man mehr Fahrzeuge rein – das Lager macht den Rest.
Früherkennung für Herzinfarkte
350 000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch einen Test, der anzeigt, wie groß das Risiko eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts ist, gibt es nicht. Die Forscher um Dr. Julia Burkhart am Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften in Dortmund (ISAS) wollen ihn entwickeln – mit langem Atem. Über mindestens ein Jahrzehnt hinweg untersuchen sie bei gesunden und kranken Menschen Blutzellen, die für die Blutgerinnung zuständig sind. Das Land fördert das Projekt mit 3,6 Millionen Euro – auch weil die Methode klinikreif entwickelt werden soll.
Energiewende auf Zucker
Damit die Energiewende klappt, muss man Energie speichern können. Ein Weg wäre, damit Wasser zu spalten in Sauer- und Wasserstoff. Letzterer kann per Brennstoffzelle wieder verstromt werden. Doch für die Wasserspaltung sind bislang teure Edelmetalle nötig. Prof. Robert Schlögl und Dr. Saskia Buller arbeiten am Mülheimer Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversation daran solche Materialien zu ersetzen – beispielsweise durch günstigen Zucker. Man kann ihn so verändern, dass er elektrisch leitet und mit Metalloxyden beschichten, die das Wasser spalten.
Ein Ersatz für Tierversuch
Tierversuche sind nicht nur umstritten – auch ihre Aussagekraft steht in Frage, denn eine Mäuseleber ist keine Menschenleber. Doch Zellen in der Petrischale bilden die Vorgänge im Körper nicht ausreichend genau nach. An der Lösung dieses Dilemmas forscht das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung (IfADo) in Dortmund. Zusammen mit der ETH Zürich haben sie hier einen „Biochip“ entwickelt, bei dem das Gewebe dreidimensional aufgebaut ist. Die Zellen werden in hängenden Tropfen kultiviert. So entsteht eine künstliche „Minileber“, die viele Tierversuche überflüssig machen könnte.