Ein gutes Verhältnis zu Jakob Funke wurde der Fotografin Marga Kingler nachgesagt. Wohl auch deshalb entstand 1954 ein besonderes Foto.
Im Ruhrmuseum auf dem Gelände des Welterbes Zollverein ruhen viele Schätze. Ein ganz besonderer ist das Fotoarchiv von Marga Kingler-Busshoff. Die großartige Bildjournalistin nicht nur des Essener Lebens ist 2016 im Alter von 85 verstorben. Doch ihre rund 160.000 dem Ruhrmuseum überlassene Aufnahmen wirken über ihren Tod hinaus – als Dokumente der Zeitgeschichte aber auch als Zeugnisse des Alltags im sich bis heute stetig wandelnden und neu erfindenden Ruhrgebiet.
Als die WAZ noch in den Kinderschuhen steckte, nahm Verlagsleiter und Mitherausgeber Jakob Funke noch die Einstellungen persönlich vor, so auch bei der damals 19-jährigen Fotolaborantin Marga Kingler. 1950, nur zwei Jahre nach der Gründung, stieß sie zur jungen Mannschaft der WAZ. Dass sich Frauen im Journalismus bewegten, war damals noch sehr ungewöhnlich. Kein Wunder also, dass es manchmal hakte. Bei einem Gespräch mit Funke stärkte er ihr den Rücken: „Mädel, Du machst das schon“, sagte er. Und sie machte. Bei einem ihrer unzähligen Streifzüge durch ihre Heimatstadt entdeckte sie offenbar auch einmal den falsch geparkten Mercedes von Jakob Funke in Essen-Holsterhausen.
Erinnerung an Essener Foto-Chronistin
Es ist unwahrscheinlich, dass dieses Foto in der WAZ veröffentlicht wurde. Doch da Marga Kingler ein gutes Verhältnis zu Familie Funke pflegte, dürfte sie es ihrem Chef bei Gelegenheit mit einem Augenzwinkern auf den Schreibtisch gelegt haben. Übrigens besaß Marga Kingler die Tugend, ihre Fotos so zu archivieren, dass sie selbst heute noch mühelos zu finden sind. Im Original nannte sie das Motiv übrigens: „Wagen von Herrn Funke (falsch geparkt.), April 1954.“ Wir fanden das witzig und haben es in die Überschrift aufgenommen.
Von dem Motiv gibt es im Ruhrmuseum mehrere Varianten. Ausgewählt haben wir das Foto, auf dem der Mercedes 170 S von Jakob Funke und das alte Parkverbotsschild am deutlichsten zu erkennen ist.
Diese Jubiläumsbeilage wäre ärmer, könnten wir nicht heute noch aus dem schier unerschöpflichen Bilder-Schatz Kostbarkeiten heben. Die Fotos decken die Zeitspanne von mehr als 50 Jahren ab.
Doch zurück zu unserem historischen Foto: Nicht überliefert ist, ob es für das verbotswidrige Parken ein Knöllchen gegeben hat. Wie auch immer, Marga Kingler, war es nicht entgangen, sie drückte auf den Auslöser und gab damit einer eigentlich unwichtigen Gegebenheit eine gewisse Unsterblichkeit.
Erich Brost hielt mit seiner Frau Anneliese engen Kontakt zu Bochum
Zeitlebens hielt Erich Brost, der einige Jahre auch eine Wohnung in Bochum hatte, bevor er Anfang der 1950er mit der WAZ sozusagen nach Essen umzog, einen engen Kontakt mit der Gründungsstadt. Ein Grund dafür dürfte auch seine zweite Frau Anneliese geb. Brinkmann, gewesen sein, die aus Bochum stammte und von Beginn an der WAZ-Mannschaft angehörte.
Ursprünglich hatte Anneliese Brinkmann, die wie ihr Mann der Sozialdemokratie angehörte, bei der Westfälischen Rundschau in Dortmund gearbeitet. Brost erkannte aber früh ihr organisatorisches Geschick und holte sie als seine Sekretärin und enge Mitarbeiterin nach Bochum, als seine erste Angestellte. In der Anfangszeit war Organisationstalent gefragt. Ganz gleich, ob es um Schreibmaschinen, Schreibmaschinenpapier, Bleistifte oder einen simplen Schreibtischstuhl ging – Ende der 40er-Jahre war alles knapp und von den Besatzungsbehörden gelenkt.https://www.waz.de/staedte/essen/wie-in-essen-vor-75-jahren-die-allererste-waz-erschien-id238066009.html
In einem Interview viele Jahre später beschrieb Anneliese Brost die elektrisierende Aufbruchstimmung dieser frühen Jahre. Damals war sie schon im hohen Alter: „Es gibt eine neue Zeitung! Haben die Leute in Bochum gerufen, als wir mit der WAZ das erste Mal auf die Straße gingen. Am Rathausplatz in Bochum riss man uns die Zeitung aus der Hand. Es war wunderbar. Ein unglaubliches Gefühl war das damals.“
Anneliese Brost starb hochbetagt am 8. September 2010. Sie hatte ihren Mann um 15 Jahre überlebt und sich nach seinem Tod um sein Vermächtnis bemüht. Auch dadurch, dass sie in dieser Zeit als Gesellschafterin regelmäßig noch lebhaften Anteil an der Entwicklung der damaligen WAZ-Zeitungsgruppe genommen hat.
Anton – Kumpel für die Ewigkeit
Beinahe genau so wichtig wie die Herstellung der Zeitung ist das Reden darüber. Sehr früh wurde etwas fürs Image getan. Dabei gelang es, für das Ruhrgebiet so etwas wie eine Identität zu schaffen und diese mit der WAZ zu verknüpfen: Die WAZ und das Ruhrgebiet gehören zusammen.
Es gab die verschiedensten Bücher: Das neue Verlagshaus wurde mit einem aufwendig mit Fotos von Albert Renger-Patzsch versehenen Bildband beworben, die Abo-Rechnungen zierten kleine Bildchen aus den Ruhrgebietsstädten, oder im Stile der damals üblichen Sammelalben gab es 1953 einen Band „Berühmte Bauten der Menschheit“.
Der aber mit Sicherheit erfolgreichste Coup ge lang mit der „Geburt“ von Kumpel Anton 1954. Immer in der Wochenendausgabe liefen mehr als 1400 dieser Geschichten, die liebevoll dem Volk auf Maul schauten. Geschrieben allesamt von dem früheren aus Bochum stammenden Sportredakteur Wilhelm-Herbert Koch (1905 - 1983). Wie hieß es noch:
„Dicken“, sachte mal Kumpel Anton (Bild) zu mich, „wenn ain aussen Kohlnpott is, dann is ain aussen Kohlnpott, schraipma so, wie datt Folk hier spricht.“ „Mann, Mann, Anton“, sarich, „watt mainze, wattat n Krach gippt! Die fain Leute und die Lehrers! Die sagn alle, datt wär fadormnet Deutsch!“
Krach hat es wenig gegeben aber dafür reichlich Lorbeeren: Wilhelm Herbert Koch erhielt sogar das Bundesverdienstkreuz, und die WAZ hält bis heute seine Schreibmaschine in Ehren.
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Dieser Beitrag erscheint anlässlich des 75. Geburtstages der WAZ. Alle Artikel zum Jubiläum finden Sie unter waz.de/75jahrewaz. Unsere große Jubiläumsausgabe können Sie auch online durchblättern als digitales „Flipbook“: waz.de/jubilaeum.