Essen. . Marga Kingler-Busshoff, die legendäre WAZ-Fotografin früherer Tage, ist am Montag im Alter von 85 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
Sommer 1977, Jugendherberge Werden. Plötzlich steht der Herbergsvater im Zimmer: Die WAZ ist gekommen, braucht ein Bild für eine Reportage. Draußen steht eine Fotografin, die uns 15-jährige Jungs routiniert aufstellt. Dann macht es dreimal „Klick“ – meine erste Begegnung mit Marga Kingler-Busshoff, der damals legendären Fotografin der WAZ-Lokalredaktion, die im Laufe von fast vier Jahrzehnten Tausende Essener vor der Linse hatte und bis zu ihrer Pensionierung 1991 die Bildsprache dieser Zeitung entscheidend prägte (direkt zur Fotostrecke).
Am Montagmorgen ist sie im Alter von 85 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben. Doch rund 160 000 ihrer Essener Bilder, die im Ruhrmuseum aufbewahrt werden, machen Kinglers Werk unsterblich.
Marga Kingler biss sich durch und fand ihren Stil
Gute Nerven, wenig Angst und ein schwer erschütterbares Selbstvertrauen – das war das Mindeste, was eine Frau brauchte, wenn sie 1950 die Pressefotografie erobern wollte. WAZ-Mitbegründer Jakob Funke hatte die 19-jährige Fotolaborantin eingestellt, doch wenige Tage nach dem ersten Arbeitstag standen sie und ihr Vorgesetzter im Verlegerzimmer. Ihr unmittelbarer Chef kam mit einer Frau im Job nicht klar. „Mädel, du machst das schon“, befand der Verleger väterlich. Damit war die Sache erledigt.
Marga Kingler biss sich durch, fand ihren Stil und wurde für die Essener Lokalredaktion zum Markenzeichen. „Das erste Foto war ein Autounfall am AEG-Haus an der Kruppstraße“, erinnert sie sich einmal. Und auch daran, dass ihre Mutter am nächsten Morgen um 5 Uhr aufstand und den Boten abpasste, um zu schauen, ob das Foto der Tochter wirklich in der WAZ stand.
Sie verstand es, Leuten die Scheu vor der Kamera zu nehmen
Unfälle und Katastrophen waren allerdings nicht ihre Lieblingsmotive. „Da diente die Kamera manchmal auch als Schutz, um die eigene Betroffenheit zu verbergen.“
Menschen in alltäglichen Situation, die seinerzeit rasanten baulichen Veränderungen, das Stille am Rande – das lag ihr mehr. Und wenn man sie ließ, dann brachte die stets elegant auftretende Fotografin auch eine ganz neue Ästhetik und Bildsprache in die Zeitung: Mode etwa oder Kinder. „Ich habe immer am liebsten Menschen fotografiert“, erzählte sie gern.
Dabei kam ihr zugute, dass sie die vielleicht wichtigste Tugend eines Fotoreporters besaß: Sie verstand es, Leuten die natürliche Scheu vor der Kamera zu nehmen.
Das heißt nicht, dass sie nicht auch da war, wo es weh tat, wo Konflikte aufbrachen. „Ich hatte viel Ärger mit der Polizei, die damals ja viel härter auftrat.“
Vom Ring wegbeordert – weil sie „die Boxer angeblich nervös machte“
Bei der Mai-Kundgebung 1954 auf dem Burgplatz wurde sie sogar kurz festgenommen und unsanft in die „Grüne Minna“ befördert.
Prägend war auch immer wieder die Erfahrung, einzige Frau in einer damals stark männerdominierten Zeitungswelt zu sein. In der Dubois-Arena in Borbeck, wo in den 1950er und 1960er Jahren große Boxkämpfe stattfanden, hat sie mal ein Funktionär vom Ring wegbeordert, „weil ich als Frau die Boxer angeblich nervös machte“.
Der Mann hat das vermutlich nur einmal versucht. Sie konnte, wenn nötig, sehr scharfzüngig sein.
Exklusive Fotos auf Villa Hügel
Weit überwog aber das Positive im Beruf. „Am schönsten war es auf der Villa Hügel, wenn Alfried Krupp Kaiser und Könige zu Gast hatte.“ Berthold Beitz mochte sie, und das kam Marga Kingler und der WAZ oftmals zupass. Etwa als sie exklusiv auf der Hochzeit von Arndt von Bohlen mit Prinzessin Henriette von Auersperg fotografieren konnte.
Von fernen Schauplätzen zu berichten, war damals schwierig. „Wir reisten mit schwerem Funkkoffer, den man zum nächsten Postamt schleppen musste, um Bilder zu versenden.“ Wenn dann der Redakteur daheim die Fotos aus Platzgründen arg klein ins Layout malte, konnte sie pampig werden: „Bitte nicht als Briefmarke veröffentlichen!“
Beerdigt wird Marga Kingler-Busshoff in ihrer Geburtsstadt Essen
Ab und zu hat sie uns in den letzten Jahren besucht, hat Fotos mitgebracht, alte Geschichten erzählt und stolz berichtet, dass sie in einem Buch vorkommt: „Medienfrauen der ersten Stunde.“ Als Rentnerin war sie mit ihrem Mann ins Sauerland gezogen. Beerdigt wird sie, das war ihr Wunsch, in Essen, ihrer Geburtsstadt, zu deren wichtigsten Foto-Chronisten sie gehörte.
Wir von der WAZ werden diese großartige Kollegin nicht vergessen.