Essen. . Sie stehen zum Teil seit Jahrzehnten an den Straßen - doch fallen sie dort eigentlich noch auf? Bis Ende dieses Jahres wird die Telekom ihre Notrufsäulen abbauen, bundesweit. Nur an den Autobahnen wird es dann noch Notruftelefone geben. Fragt sich, für wie lange.
Autofahrer auf der Bundesstraße 67 an den Rheinbrücke bei Rees oder auf der B220 an der Brücke bei Emmerich könnten sich seit Ostern fragen: "War hier nicht mal was?" Doch bei der Kreispolizei Kleve hält man es für wahrscheinlicher, dass keiner etwas merkt. Seit Jahrzehnten standen dort zwei Notrufsäulen am Straßenrand. Jetzt ist ihre Zeit um.
Seit wenigen Tagen jedenfalls sind die beiden Säulen Geschichte. Sie sind abgebaut worden, teilte jetzt die Kreispolizei Kleve mit: "Das Betriebssystem wird nicht mehr unterstützt. Ein Ersatzsystem steht nicht zur Verfügung".
Telekom lässt ihre 3300 Notrufsäulen verschrotten
Warum auch? Für die Deutsche Telekom ist die Antwort klar: "Notrufsäulen haben sich technisch überlebt", sagt Sprecher George-Stephen McKinney. 3300 dieser Säulen betreibt die Telekom derzeit bundesweit. Aber nur noch bis Ende dieses Jahres. Dann werden die Säulen verschrottet.
"Vom Säugling bis zum Greis hat statistisch jeder in Deutschland 1,4 Mobiltelefone in der Tasche", sagt McKinney. Bei einem Notfall zücke man heute das Mobiltelefon. Das bestätigt auch die Kreispolizei Kleve: In den vergangenen drei Monaten, nachdem die Telekom den Abbau der Säulen angekündigt hatte, "haben wir keinen einzigen Anruf von einer der Notrufsäulen registriert". Und vorher hatte man nicht mehr darauf geachtet.
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"Es geht ein Stück Sicherheit verloren"
Trotzdem: "Es geht ein Stück Sicherheit verloren", glaubt Pierre-Enric Steiger, Präsident der Björn-Steiger-Stiftung in Stuttgart. Notrufsäulen waren in den vergangenen 40 Jahren ein wichtiges Mittel der Notfallhilfe in Deutschland - "und sind es noch immer", sagt Steiger. Dem Engagement der Stiftung, die sich für Verbesserungen bei der Notfallhilfe stark macht, ist es u.a. überhaupt zu verdanken, dass etwa an den Autobahnen heute Notrufsäulen stehen.
"Der größte Teil der Notrufe kommt heute per Handy", räumt auch Pierre-Enric Steiger ein. Mitunter würden Autofahrer sogar dann ihr Telefon nutzen, wenn in der Nähe eine Notrufsäule ist. Gleichwohl haben die Säulen Vorteile. Der wohl größte: Notrufsäulen sind geo-vermessen; in der angeschlossenen Notrufzentrale weiß man stets präzise, wo der Anrufer ist. Anders bei Handys. Zudem sei es seit Jahren "politisch nicht gewollt", dass die Notrufzentralen GPS-Daten von Mobiltelefonen nutzen, kritisiert Pierre-Enric Steiger. Er hat dafür kein Verständnis, zumal Peter Schaar, der frühere Datenschutzbeauftragte des Bundes, stets postuliert hätte: "Am Datenschutz darf keiner sterben".
Notrufsäulen sind "verlässliche Helfer"
Im Gegensatz zu den Notrufsäulen an Landstraßen, bleiben die Notruftelefone an den Autobahnen noch für mindestens vier Jahre erhalten. Sie gehören dem Bund, der Betrieb wird ausgeschrieben: Anrufe landen vorerst bis Ende 2018 in der Notrufzentrale einer Tochterfirma des Gesamtverbands der Deutschen Versicherer. Dort hält man die Notrufsäulen für "verlässliche Helfer, die man kennt".
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Derzeit gibt es 16.847 Notrufsäulen an den Autobahnen bundesweit - "Tendenz steigend", sagt Unternehmenssprecherin Birgit Luge-Ehrhardt: "Mit jeder neuen Autobahn kommen neue Säulen dazu". Mit dem Auftauchen der Handys sei die Zahl der Notrufe zwar zurückgegangen, mittlerweile sei sie jedoch "stabil". 2013 gingen bundesweit etwa 118.000 Anrufe ein - darunter 72.000 reine Notrufe, zwei Drittel davon Pannen-Meldungen.
Unterdessen geht die technische Entwicklung weiter. Ab 2015 sollen Neuwagen in der EU mit dem "eCall"-System ausgerüstet sein - sozusagen eine automatische Notrufsäule in jedem Auto. Schon jetzt setzen Modelle von BMW, Mercedes und Peugeot bei einem schweren Unfall von sich aus Notrufe ab. "Bis eCall flächendeckend funktioniert, braucht es mindestens zehn bis 15 Jahre", sagt Pierre-Enric Steiger. Er setzt sich nun dafür ein, dass das Notrufsystem bei Mobiltelefonen jetzt verbessert wird: "Notrufe per SMS sind bis dato in Deutschland nicht erlaubt". Dabei mache das Sinn, etwa bei Gehörlosen, sagt Steiger.
Im Kreis Kleve werden demnächst noch zwei weitere stationäre Notrufmöglichkeiten abgebaut; Grüne Kästen mit Drehhebel, die bisher an den Polizeidienststellen in Emmerich und Kalkar hängen. Auch sie "haben sich überlebt", sagt Polizeisprecher Heinz Vetter. Er gesteht ein: "Bei den beiden Notrufsäulen bei Emmerich und Rees musste ich mich auch erstmal fragen, wo genau die dort stehen".
Handys im Wandel der Zeit