Frankfurt/Main. Wenn man mal eine braucht, ist meist keine da. Und wenn doch, dann stinkt sie wahrscheinlich, ist mit Graffiti besprüht oder vermutlich kaputt. Telefonzellen sind ein Relikt der Vor-Handy-Ära und einer Zeit, in der die Intimität von Telefongesprächen noch geschätzt wurde.
Sie sind oft versaut oder kaputt. Telefonzellen galten vielen lange nicht nur als wichtiger Ort der Kommunikation, sondern auch als kleiner Schandfleck im Stadtbild. Heute haben die Menschen Handys - und die öffentlichen Fernsprecher machen meist nur noch von sich reden, wenn mal wieder einer von Vandalen gesprengt wurde oder vom Betreiber abgebaut wird. Weniger als 50.000 Apparate gibt es noch in Deutschland, ein knappes Drittel des einstigen Bestandes. Doch mancher hat inzwischen sein Herz für die Geräte entdeckt - und lobt, wie identitätsstiftend sie sind.
Dass Münz- und Kartentelefone für die Bundesnetzagentur im Jahr 2014 nicht den allergrößten Stellenwert haben, verrät ein Blick in das Inhaltsverzeichnis des 380-seitigen Tätigkeitsberichts "Telekommunikation". Mobilfunk, Breitband, Kurznachrichten - das alles ist an prominenter Stelle aufgelistet, der Punkt "Öffentliche Telefone" ist dagegen gut versteckt. Unter dem Stichwort "Universaldienst" wird die "flächendeckende Bereitstellung öffentlicher Münz- und Kartentelefone" erwähnt.
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Rund 48.000 öffentliche Telefonstellen gab es Ende des vergangenen Jahres noch in Deutschland, wie der Sprecher der Bundesnetzagentur sagt, René Henn. 2011 waren es noch rund 60.000 Münz- und Kartentelefone von Telekom und privaten Anbietern gewesen. Wesentlich höher ist die Zahl der Handys - rein rechnerisch hat jeder in Deutschland mindestens eins. "Ende 2013 registrierte die Bundesnetzagentur 113 Millionen SIM-Karten", sagt Henn. Seine Beobachtung: "Spätestens seit dem Jahr 2000 erkennt man den Rückgang der Telefonzellen und die Zunahme der Handys."
Ein Fluchtpunkt mitten auf der Straße
Bei manchen steht der öffentliche Fernsprecher aber weiter hoch im Kurs. Die Frankfurter Kulturhistorikerin Lioba Nägele würdigt ihn als ein "radikaldemokratisches Medium". Denn durch öffentliche Münzfernsprecher, wie sie ab 1899 aufgestellt wurden, konnten auch Menschen telefonieren, die sich keinen eigenen Festnetzanschluss leisten konnten. "Rein theoretisch hätte jeder Bürger einen Politiker wie Walther Rathenau an die Strippe bekommen können", sagt die Historikerin, die im Museum für Kommunikation arbeitet. Dort stehen rund 150 "Münzer", wie sie die Apparate liebevoll nennt.
Der Augsburger Schüler Stefan Zaum, der im vergangenen Jahr die "Arbeitsgemeinschaft zum Erhalt der deutschen Telefonzelle" gegründet hat, attestiert den gelben Häuschen gar "etwas Gemütliches". "Sie sind ein Fluchtpunkt mitten auf der Straße, ein kleines Wohnzimmer. Wenn es zum Beispiel anfängt zu regnen, sucht man den Schutz des Telefonhäuschens."
In der Fachsprache der Telekom schwingt weit weniger Romantik mit: Da gibt es etwa das FeH78 (Fernsprech-Häuschen 1978), die FeHb82 (Fernsprech-Haube 1982) oder das TelH90Sm (Telefon-Häuschen 1990 moderne Stadtbilder). Angaben zur Zahl der Telefonzellen auf regionaler oder lokaler Ebene macht die Telekom nicht. "Aus Kostengründen werden Standortzahlen nur für den Fall erstellt, dass ein operativer/geschäftlicher Anlass vorliegt", teilt der Sprecher der Telekom für die Region Nord, George-Stephen McKinney, mit.
"Basistelefon" ist nur mit Karte zu bedienen
In Frankfurt gab es Mitte 2011 rund 820 Apparate - das hatte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" damals ermittelt. Nahezu sicher ist, dass es inzwischen weniger geworden sind. "Viele Plätze sind einfach nicht mehr wirtschaftlich für die Betreiber", sagt Bundesnetzagentur-Sprecher Henn.
Einfach abbauen darf die Telekom eine öffentliche Telefonzelle aber nicht. "Sollte sich im Verlauf von zwölf Monaten zeigen, dass ein Standort unwirtschaftlich ist, dann setzen wir uns mit der Kommune in Verbindung, um den Abbau - im Konsens mit der Kommune - zu avisieren", erklärt McKinney. Was genau "unwirtschaftlich" bedeutet, das lasse sich "pauschal nicht beantworten".
Beharren die Kommunen auf dem Standort, tauscht die Telekom ein im Unterhalt teures Gerät gegen ein sogenanntes "Basistelefon" aus, das nur mittels Telefon- oder Kreditkarte zu bedienen ist. "Das geschieht ausnahmslos im Konsens mit der jeweiligen Kommune", sagt McKinney. Durch das bargeldlose Bezahlsystem sei das Basistelefon weitestgehend vor Vandalismus geschützt, heißt es in der Telekom-Werbebroschüre.
Überhaupt entscheide alleine der Kunde durch sein Nutzungsverhalten darüber, wo und in welcher Anzahl öffentliche Telefone zur Verfügung stehen, so der Telekom-Sprecher. Komplett überflüssig sind sie nach Ansicht von Bundesnetzagentur-Sprecher Henn nicht: "Insbesondere an Bahnhöfen oder Flughäfen machen öffentliche Telefonzellen immer noch Sinn." (dpa)