An Rhein und Ruhr. . Andrea K. hat sich für zahlungsunfähig erklärt. Geholfen hat es ihr nicht. Die 46-Jährige kann seit Monaten nur mithilfe ihrer Freunde und Verwandten überleben. Die Geschichte einer Privatinsolvenz.
Es gibt ein paar Menschen, die sind reich, ohne sich großartig anzustrengen. Damit der Staat ihnen nichts wegnimmt, schicken sie ihr Geld in Steuerparadiese, transferieren es nach Luxemburg oder auf die Cayman Islands. Doch die meisten Menschen leben vom Lohn ihrer Arbeit, zahlen Steuern, kommen so zurecht. Und dann gibt es Menschen, die geraten dabei in Schwierigkeiten.
2012 waren es 129.743 Haushalte, in denen es so ähnlich zugegangen sein mag, wie bei Andrea K. (Name geändert). Die 46-Jährige kann seit Monaten nur mithilfe ihrer Freunde und Verwandten überleben. Im Oktober 2012 hat Andrea K. Insolvenz beantragt, seitdem hat eine vom Gericht bestellte Insolvenzverwalterin das Sagen - über Einkünfte, Konten, alles, was zu Geld gemacht werden kann. „Wenn ich gewusst hätte, wie es läuft, hätte ich es nicht gemacht“, sagt Andrea K.: „Es ist unwürdig.“
Andrea K. muss mit 200 Euro im Monat auskommen
Dass eine Insolvenz kein Zuckerschlecken ist, sei ihr klar gewesen. Dass sie jedoch mit 200 Euro im Monat auskommen soll, dass laufende Kosten nicht bezahlt, Gelder für eine Reha nicht bewilligt werden - kurzum, dass ihr die Möglichkeit, in Zukunft zu arbeiten und Schulden abzubezahlen, genommen werden soll, will sie nicht akzeptieren.
Seit zwölf Jahren ist Andrea K. Geschäftsfrau, sie hatte ein Solarium, verkauft Geschenkartikel und betreibt im gleichen Laden eine Post-Filiale.
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Als die Post zuletzt von ihren Schwierigkeiten erfuhr, kam prompt die Zusicherung, man würden die Zusammenarbeit gerne fortsetzen. „Die sind mir entgegengekommen“, erzählt Frau K., ebenso wie jene Finanzbeamtin, mit der sie kurzzeitig eine Ratenzahlung ihrer Steuerschulden aushandeln konnte, ebenso wie der Vermieter, der ihr eine Weile die Ladenmiete stundete, ebenso wie der Sozialarbeiter der Diakonie, der sich „die Finger wund telefonierte“, um ihr zu helfen. Ach ja, dann sind da noch ihre drei großen Söhne, die sie unterstützen, und die Freunde, die Weihnachten mit Essen in die kalte Wohnung kamen, weil der Strom abgestellt worden war.
Aber da gibt es auch die anderen
Andrea K. hat gut verdient. Der Laden ist an sieben Tagen der Woche zehn Stunden geöffnet, sie putzt selbst, rechnet selbst ab und auch am Wochenende läuft die Sonnenbank. Ein schönes Auto ließ sich finanzieren, ebenso die Eigentumswohnung, in der sie mit Mann und Kindern viele Jahre lebte.
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Doch dann zerbricht die Ehe. Andrea K. will in der Wohnung bleiben, zahlt ihren Mann aus, verschuldet sich. Und mitten im Trennungschaos kündigt das Finanzamt eine Buchprüfung an. K.’s Steuerberater beschwichtigt: Das sei normal, vielleicht müsse sie etwas nachzahlen.
Finanzamt schätzt bei fehlenden Unterlagen rückwirkend
Das Finanzamt wühlt sich durch die Bücher, reklamiert fehlende Unterlagen. Keiner weiß, wo sie sind. Andrea K. soll Tage der letzten Jahre nachprotokollieren, das kann sie nicht. Nun schätzt das Finanzamt rückwirkend, nimmt etwa den Stromverbrauch, um die Sonnenbankbesucher hochzurechnen: 39 000 Euro Steuern soll sie nun für alle Jahre nachzahlen.
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Ein Teufelskreis beginnt. Sie handelt eine Ratenzahlung aus, aber das Finanzamt will auch einen Batzen sofort, die Steuerschulden werden verzinst, dazu muss sie mehr reguläre Steuern zahlen. Sie geht zu ihrer Hausbank, doch die winkt ab: „Alleinerziehend“, sagt sie nur.
Sie leiht sich Geld bei Freunden
Sie „verschleudert“ die Sonnenbank für 5000 Euro. Damit bricht aber ein Teil der Einnahmen weg. Sie beginnt, sich bei Freunden Geld zu leihen, gibt das teure Auto ab, kündigt ihre private Krankenversicherung und bleibt drei Jahre unversichert. Sie stopft hier ein Loch und reißt dort ein neues auf. Schließlich rät ihr Anwalt, Insolvenz anzumelden, um die Schuldenlast geordnet abzuarbeiten.
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Das macht sie auch, da erleidet sie im Herbst 2012 einen schweren Verkehrsunfall. Brüche, Kopfverletzungen. Gottlob war es ihrem Anwalt zuvor noch gelungen, sie in der gesetzlichen Krankenversicherung unterzubringen. Noch im Krankenhaus, schildert Andrea K., habe die Insolvenzverwalterin angerufen und gefragt, ob sie Geld zu erwarten hätte - Schmerzensgeld etwa.
Insolvenzverwalter kassiert
Das Verhältnis zwischen ihr und der Verwalterin ist von Anfang an zerrüttet. Letztere bestimmt fortan über ihre Einnahmen, Ausgaben und die „Insolvenzmasse“ an beweglichen Gütern, vom alten Auto bis hin zum alten Papageienpärchen. Alles soll zu Geld gemacht werden, aus dem großen Topf sollen die Gläubiger bezahlt werden. Je mehr reinkommt, desto mehr bekommen auch Insolvenzverwalter. Und umgekehrt.
Andrea K. kämpft mit Anweisungen und Fristen in kühlem Juristendeutsch. Sie bittet - handschriftlich hilflos - um notwendige Überweisungen, um wenigstens den Lebensunterhalt für sich und den jüngsten Sohn bestreiten zu können, um die Bewilligung einer Aushilfe, weil sie seit dem Unfall noch nicht lange stehen kann, um die paar Euro Zuzahlung für die Krankengymnastik. Sie schreibt sogar an den Landgerichtspräsidenten. Ohne großen Erfolg.
Jetzt "werde sie wenigstens wieder wie ein Mensch behandelt"
Sie verdient zwar weiter Geld mit ihrem Laden, doch das Einkommen wird gepfändet, sie darf nicht an ihr Konto, aber Stromrechnungen und Ladenmiete werden auch nicht beglichen und seit Oktober wartet die Krankenversicherung auf Beiträge. Und sie soll raus aus der Eigentumswohnung, obwohl „eine Mietwohnung ebenso teuer wäre und mir keiner sagt, wie ich den Umzug finanzieren soll...“
Sie weiß, dass ihr eigentlich ein unpfändbarer Betrag von etwa 1000 Euro zusteht, aber sie weiß nicht, wie sie ihn bekommt. Lediglich 200 Euro monatlich werden ihr gelassen. Mittlerweile hat Andrea K. einen Anwalt gefunden, der ihr helfen will. Seitdem der Briefe schreibt, „werde ich wenigstens wieder wie ein Mensch behandelt“, sagt sie.
Was soll jetzt werden? Andrea K. weiß es nicht. Sie will ihr Geschäft behalten, will nicht Hartz IV beantragen müssen. Aber wie soll das gehen? „Ich war immer der Motor. Aber nun bin ich nur noch müde.“