Essen. Am Montag waren Räumdienste vom Schneeeinbruch überrascht - am Dienstag waren sie oft überfordert. Der Winter hat NRW im Griff. Auf den Straßen sorgt das für Stillstand. Nahverkehrsbetriebe mahnen, auch im Rest der Woche drohen Verspätungen. Kurios: In Düsseldorf liegt mehr Schnee als im Sauerland.
Schnee im Januar – das sollte völlig normal sein. Und doch waren viele Bürger in Nordrhein-Westfalen überrascht, als sie am Montag aus ihren Fenstern blickten. Flocken hier und da hatten die Meteorologen im Vorfeld auf dem Schirm gehabt – allerdings keine zehn Zentimeter Neuschnee. Der Schnee sorgte für Unfälle und Verspätungen im Berufsverkehr. Und auch am Dienstag meldeten die Verkehrsexperten vom WDR gegen 9 Uhr bereits bis zu 400 Kilometer Stau auf den Autobahnen in NRW - fast soviel wie am Vortag, wo der Schnee die Räumdienste kalt erwischt hatte.
Am Dienstagnachmittag spitzt sich die Lage im Essener Süden wegen gefrierender Nässe noch einmal zu. Da einige Streckenabschnitte derzeit nicht mehr befahrbar sind, haben einige Buslinien der EVAG um 17 Uhr den Betrieb zwischenzeitlich eingestellt.
Die Räumdienste haben mit den Witterungs-Verhältnissen zu kämpfen: "Wir können nicht überall gleichzeitig sein", sagte Bernd Löchter, Sprecher vom Landesbetrieb Straßen.NRW. 700 Räumfahrzeuge seien landesweit im Einsatz, in einigen der 80 Straßenmeistereien sei die ganze Nacht durch gearbeitet worden.
Dass die Autobahnen im Ruhrgebiet am Morgen dennoch verschneit waren, hatte logistische Gründe: "Die Autobahnen waren geräumt und mit Salz bestreut, aber danach hatte es wieder zu schneien begonnen", erkärte Löchter. Die Räumpläne seien nicht spontan änderbar, jedes Fahrzeug sei gut drei Stunden auf Tour, auch Pausenzeiten und Schichtwechsel der Fahrer müssten berücksichtigt werden.
Zug der S1 zwischen Essen und Bochum liegen geblieben
Die Bahn meldet zum Teil Verspätungen bis 30 Minuten. Zwischen Bochum und Essen ist am Morgen ein Zug der Linie S1 liegen geblieben. Es fallen Verbindungen aus, bzw. werden umgeleitet. Grund sei ein Schaden am Triebfahrzeug der S-Bahn, die in Bochum-Ehrenfeld liegen geblieben ist, erklärte ein Bahnsprecher. Bis auf weiteres sei auf der S1 nur ein S-Bahngleis frei. Eine technische Störung sorgte am frühen Morgen auch für Verspätungen an der Strecke Köln-Düsseldorf zwischen Köln-Mülheim und Langenfeld, sei aber mittlerweile behoben, hieß es gegen 10 Uhr: "Wir haben keine großen Witterungsprobleme im Bahnverkehr", sagte der Bahnsprecher mit Blick auf die gesamte Verkehrssituation. Zum Teil aber gibt es erhebliche Verspätungen im S-Bahn- und Regionalverkehr; Züge sind zum Teil bis zu 20 Minuten zu spät. Ein oft genannter Grund: "Verspätung aus vorheriger Fahrt". Im Fernverkehr werden Verspätungen bis zu 80 Minuten angezeigt.
Hier geht's zur Auskunft der Bahn.
Auf den Autobahnen staut sich der Verkehr am Dienstagmorgen zur Hauptzeit des Berufsverkehrs vor allem auf der A40 kräftig. Zwischen Moers und Dortmund meldet die Verkehrsinfo Autobahn.nrw.de gegen 9 Uhr nahezu lückenlos dichten bis zähfließenden Verkehr auf dem Ruhrschnellweg. Vor allem zwischen Mülheim und Essen staute sich der Verkehr in Richtung Dortmund; in Gegenrichtung gab es mehrere Staus zwischen Bochum und Essen. Ebenfalls hoch belastet war die A52, wo zwischen Essen und dem Breitscheider Kreuz Schneckentempo angesagt war. Auch auf der A42 und der A2 stand der Verkehr im Raum Dortmund-Gelsenkirchen-Duisburg streckenweise mehr, als dass er rollte.
73 Minuten Fahrzeit im Auto von Bottrop nach Essen
Wie stark sich Autofahrer am Dienstagmorgen in Geduld üben müssen, geht aus den Verkehrsdaten des Navigations-Dienstleisters TomTom hervor: Als schwerwiegendeste Störungen meldete TomTom gegen 9 Uhr im Rhein-Ruhr-Raum die B224 von Gelsenkirchen nach Essen-Karnap: Für 8,1 Kilometer mussten Autofahrer dort 73 Minuten Fahrzeit kalkulieren. Auf der A52 zwischen Essen-Ost und dem Kreuz Breitscheid waren es zeitweilig 62 Minuten für 15,4 Kilometer. Insgesamt meldete der Staudienst zum Berufsverkehr am Morgen alleine im Großraum Essen 176 Störungen; berechnet aus den Daten aller Straßen. Im Raum Köln wurden 138 Störungen angezeigt, in Düsseldorf sogar fast 170. Am späten Morgen hatte sich die Lage dann weitgehend entspannt.
Auch der Öffentliche Personen-Nahverkehr leidet unter der Verkehrslage auf den Straßen: Bis zu 30 Minuten Verspätung meldet die Essener Evag auf ihren Bus- und Bahnlinien. Aktuell fahren zwei Linien ihre Strecke nicht komplett durch - weil die Busse die Steigungen dort nicht packen. Ansonsten hängt der Bus- und Bahnverkehr in den Seilen, weil die Straßen voll mit anderen Fahrzeugen sind: "Auf 80 Prozent unseres Liniennetzes teilen wir uns die Straßen mit den Autos", sagte ein Evag-Sprecher.
Auch Winterreifen schützen nicht vor Bus-Verspätungen
Bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft DVG warnt man seine Fahrgäste schon mal vor: "Auch in den nächsten Tagen muss man mit Verspätungen rechnen", sagte Sprecher Helmut Schoofs am Dienstag. Weil das Schnee-Wetter uns erhalten bleiben soll. Verspätungen bis zu 50 Minuten werden von einigen der Bus-Linien in Duisburg und Umgebung am Morgen gemeldet. Der Grund auch dort: "Die vollen Straßen", sagte Schoofs. Auch auf den drei Straßenbahnlinien in der Stadt ist der Fahrplan derzeit mehr Wunsch als Wirklichkeit: 20 bis 25 Minuten Verspätungen meldet die DVG aktuell.
Während der Nahverkehr am Niederrhein am Montag noch weitgehend verschont blieb vom Schnee, hat der Winter nun auch diese Region erfasst. Folge: Niag-Sprecherin Beate Kronen meldet "starke Verspätungen bis 40 Minuten in den Kreisen Wesel und Kleve und im Duisburger Umland, obwohl alle Busse mit Winterreifen ausgerüstet seien. Die Vestischen Verkehrsbetriebe in Herten haben vor allem in Bottrop Schwierigkeiten mit dem Fahrplan. Busse fahren bis zu eine Stunde verspätet. Und die Schnellbus-Verbindung SB24 zwischen Recklinghausen und Dortmund-Mengede wird ihrem Namen angesichts der Straßenlage nicht gerecht.
Unterdessen spricht man bei der Bochumer Bogestra nur von "leichten Verspätungen", im gesamten Stadtgebiet. Um die zehn Minuten würden Busse und Bahnen sich verspäten. Schwierigkeiten gebe es besonders in den hügeligen Teilen des Streckennetzes, also im Bochumer Süden, im Raum Hattingen und Witten. Bogestra-Sprecherin Sandra Bruns versichert aber, wie alle anderen Verkehrsgesellschaften auch: "Wir bedienen derzeit alle unsere Linien".
Winter
In Düsseldorf liegt mehr Schnee als auf dem Kahlen Asten
Die Verkehrsprobleme dürften in den nächsten Tagen in der Region erhalten bleiben, mit Verweis auf die Wetteraussichten: Am Dienstag-Nachmittag kündigen sich neue Schneefälle an, sagt Rebecca Krampitz vom Wetterdienst Meteomedia in Bochum. Auch am Mittwoch ist mit Schnee zu rechnen. Donnerstag und Freitag dieser Wochen dürfte es wohl trocken bleiben; "in einigen Landesteilen könnte sich dann auch die Sonne zeigen".
Die kalte Luft strömt von Nord-Ost-Europa nach Deutschland und bestimmt das Wetter hier. Am Mittwoch soll es vorwiegend in Bayern und Sachsen, aber auch in Teilen Mitteldeutschlands stärker schneien; in NRW dürfte der Neuschnee dann etwas nachlassen. Für das Wochenende wird erneut mit Schneefällen gerechnet, "soweit man das jetzt schon sagen kann", räumt Krampitz ein. Ihr Fazit: "Es ist Winter!"
Sauerland hilft mit Schneekanonen nach
Zwar hat der Schnee NRW flächendeckend erfasst, gleichwohl gibt es Regionen, die derzeit weniger Weiß sind als etwa Rheinland oder Ruhrgebiet: "Das Sauerland hat vergleichsweise wenig abgekommen", sagt Meteorologin Cornelia Urban vom Deutschen Wetterdienst in Essen. "Mit sechs Zentimetern Schnee liegt in Düsseldorf derzeit mehr Schnee als auf dem Kahlen Asten."
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Entsprechend auf Hochtouren laufen seit vergangener Woche die Schneekanonen in den Wintersportregionen im Sauerland. Die natürliche Schneedecke beträgt in Winterberg und Umgebung nur wenige Zentimeter. "Das macht ein schönes Bild, reicht aber weder fürs Ski- noch Langlaufen", erklärte eine Sprecherin der Wintersport-Arena am Dienstag. "Allerdings sind die derzeitigen Temperaturen von fünf Grad minus optimal für die Beschneiungen der Pisten." Tag und Nacht feuern die Schneekanonen und häufen Schneereserven für die bevorstehende Saison in den kommenden Wochen an - knapp ein halber Meter Schnee liegt so schon auf den Pisten.
Viele Räumdienste waren vom Schneefall überrascht
Warum stimmten die Wetter-Prognosen nicht?
Rückblick: Nur ein wenig Schneegriesel hatten die Wetterdienste für Montag vorausgesagt. Doch das, was die Bewohner im Ruhrgebiet, im Rheinland und in der Eifel am Morgen auf der Straße sahen, war mehr als Griesel. „Es waren immer kleinräumige Zellen, in denen viel Schnee runtergekommen ist“, erklärt Roland Vögtlin.
Viele Autofahrer waren verwundert, stapften sie doch erst über eine dicke Schneedecke zu ihrem Pkw und sahen dann nach zehn Kilometern Fahrt nichts mehr von der weißen Pracht. „Und je kleinräumiger der Schnee runter kommt, desto schwieriger ist er auf dem Bildschirm zu erkennen“, sagt Vögtlin.
Waren die Räumdienste auf den Schneefall eingestellt?
Der Landesbetrieb Straßen.NRW wurde vom Wintereinbruch kalt erwischt. „Die Wetterdienste hatten zwei Zentimeter Schnee vorhergesagt, an Rhein und Ruhr waren es dann aber zehn Zentimeter. Das ist natürlich ein großer Unterschied“, sagte Sprecher Bernhard Löchter.
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Ab Sonntagabend um 23 Uhr seien die Räumdienste im Einsatz gewesen. Doch der Schneeeinbruch am Morgen ließ das ausgestreute Salz rasch unwirksam werden: „Das hat uns anfangs Probleme bereitet“, sagte Löchter. Insgesamt 700 Winterdienstfahrzeuge waren auf den Autobahnen und Landstraßen im gesamten Bundesland im Einsatz. Löchter vermutet, dass noch weitere Touren anstehen. „Wir stellen uns für die nächsten Tage auf weiteren Schneefall ein“, betont er.
Wie sah es in den großen Städten aus?
In Duisburg waren ab vier Uhr insgesamt 20 Groß- und 26 Kleinstreuer im Einsatz. 96 Mitarbeiter der Wirtschaftsbetriebe wollten die Gefahren für Verkehrsteilnehmer minimal halten. Trotzdem kam es in Duisburg zu starken Verkehrsbehinderungen. Lastwagen mit Sommerreifen blieben stecken und verstopften die Straßen in den Stadtteilen Ruhrort und Neuenkamp. Die Blechschäden hielten sich in Grenzen: Die Duisburger Polizei zählte bis zehn Uhr nur 23 Unfälle, die aber meistens glimpflich abliefen: Nur ein Radfahrer zog sich leichte Verletzungen zu.
In Essen gab es kaum Unfälle, dafür hatten die Räumdienste große Probleme. „Der Schnee kam in der Rushhour runter. Deswegen konnten wir nicht so räumen, wie es die Essener Bürger von uns gewohnt sind“, berichtet Rolf Friesewinkel. Um 6.30 Uhr war der Einsatzleiter des Winterdienstes über die Ruhrallee nach Essen gefahren. „Da waren die Straßen noch schwarz.“ Sie wurden schnell weiß, sehr zum Leidwesen der Räumdienste. „Wir haben mit den Bürgern im Stau gestanden. Und bei gelbem Licht fährt auch keiner zur Seite“, sagt Friesewinkel. Um 9.30 Uhr hatte sich die Situation wieder entspannt.
Weiße Überraschung
Welche Regionen blieben vom Schnee komplett verschont?
Im Kreis Kleve hieß es allerorts: Freie Fahrt. Flocken wurden nicht gesichtet. Und auch im benachbarten Kreis Wesel gab es keine Probleme mit dem Schnee. Zumindest keine unmittelbaren: Ein Lkw-Unfall auf der A 59 führte zu einem Rückstau bis auf die A 40 nach Moers. (mit dae/kari)