Bochum. . Der am Sonntag aus der Justizvollzugsanstalt Bochum entflohene Häftling gilt entgegen erster Angaben nun doch als gefährlich. Der aus Polen stammende 47-Jährige werde in seinem Heimatland unter anderem wegen des Verdachts auf Tötung und Brandstiftung gesucht, teilte das Justizministerium mit.
Der aus der Justizvollzugsanstalt Bochum entflohene Häftling ist möglicherweise doch gefährlicher als bislang angenommen. Der aus Polen stammende 47-Jährige werde in seinem Heimatland unter anderem wegen des Verdachts auf Tötung und Brandstiftung gesucht, teilte das NRW-Justizministerium am Montag in Düsseldorf mit. Die Einschätzung, dass es sich bei dem Flüchtigen um einen harmlosen Kleinkriminellen handelt, "können wir nicht mehr aufrechterhalten“, sagte Detlef Feige, Sprecher des Ministeriums gegenüber DerWesten.
Laut Feige wird der Mann mit europäischem Haftbefehl gesucht. Das sei jedoch nicht in der Akte der JVA vermerkt gewesen. Deshalb habe man zunächst auch nicht vor dem Ausbrecher gewarnt. Erst die Generalstaatsanwaltschaft Hamm habe diese neue Erkenntnis weitergeleitet.
Für die CDU im Landtag ist die Informationspolitik des Justizministeriums und der JVA ein Skandal. „Über 24 Stunden lang lässt man die Öffentlichkeit über die Gefährlichkeit des Mannes im Ungewissen. Was sollte da vertuscht werden?“ fragt der CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach. Aus seiner Sicht ist es kaum glaubhaft, dass der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bochum die Täterprofile seiner Häftlinge nicht kennt. Justizminister Thomas Kutschaty wirft er vor, im Falle des Ausbruchs in Bochum bisher massiv versagt zu haben. "Kutschaty muss schleunigst für Klarheit und Sicherheit sorgen.“ Auch die FDP forderte Kutschaty zur Aufklärung des Falles auf.
Flucht wegen drohender Auslieferung nach Polen?
Möglicherweise hatte der Mann Angst vor seiner drohenden Auslieferung nach Polen und ist deshalb geflüchtet. Denn im nächsten Monat sollte er zu Hafthalbzeit nach Polen überstellt werden. Dort hätte ihm der Prozess gedroht und im Falle einer Verurteilung eine wesentlich höhere Strafe. In Deutschland war er wegen Diebstahls, Hehlerei und leichter Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Ob die Flucht eine Spontanaktion war oder von langer Hand geplant, ist noch unklar. In der JVA Bochum galt der Mann als kooperativ und zuverlässig, so das Justizministerium. Deswegen durfte er auch im Besucherkontrollbereich putzen. Dort war der 47-Jährige am Sonntag durch ein mit Panzerglas gesichertes Fenster geflohen, das er aufgrund eines Baumangels öffnen konnte. Das Fenster war nur mit Aluleisten gesichert, und ließ sich so leicht herausnehmen.
Weiter auf der Flucht
Von dem Mann fehlte am Montag weiter jede Spur. Er wird von der Polizei so beschrieben: Der Mann ist 1,88 Meter groß, kräftig, hat kurze Haare, eine Stirnglatze, trägt eine Brille und war mit einer schwarzen Jogginghose, schwarzen Turnschuhen sowie einem grünen Trikot in Übergröße bekleidet. Die Polizei hat mittlerweile auch ein Fahndungsfoto veröffentlicht. Die Bochumer Polizei bittet unter der Rufnummer 0234 / 909-4441 um Hinweise.
Die dritte Flucht eines Häftlings aus der JVA Bochum binnen eines Jahres hat indes zu neuen Diskussionen über die Sicherheit dieser Justizvollzugsanstalt geführt. Peter Brock, NRW-Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbeamten, bezeichnete die Bausubstanz des über 100-jährigen Gefängnisses als nicht sicher. Er kritisierte dabei auch Versäumnisse des Landes.
Justizministerium: "JVA Bochum ist sicher"
Das NRW-Justizministerium bleibt jedoch bei seiner Aussage: "Die JVA Bochum ist sicher", so Sprecher Feige. Im vergangenen Jahr habe es dort nur einen Ausbruch gegeben. Der zweite Fall sei während eines Ausganges passiert. Im dritten Fall vor zwei Wochen sei der Ausbruchsversuch eines Häftlings schließlich gescheitert. Das habe bewiesen, dass die JVA sicher sei. Damals war es einem Insassen gelungen, die Gitterstäbe seiner Zelle durchzusägen. Der Mann wurde wenig später auf dem Dachboden des Gefängnisgebäudes entdeckt und festgenommen.
Nach diesem gescheiterten Ausbruchsversuch werden derzeit in Bochum alte Gitterstäbe durch neue mit Mangan-Stahl ersetzt. Außerdem hat das Justizministerium als Konsequenz aus der aktuellen Flucht vom Sonntag alle JVA in NRW aufgefordert, Fenster mit Panzerglasscheiben auf Baumängel hin zu überprüfen.