Berlin. Auch in einer Beziehung fühlen sich Frauen oft einsam. Eine Psychologin erklärt, woher der Unterschied zu Männer kommt und gibt Tipps.

Während er behauptet, die täglichen Gespräche im Büro reichten ihm aus, fehlen ihr seit Wochen die Gespräche mit der besten Freundin. Die Nachbarin ist seit Kurzem verwitwet, seither versucht sie das Paar auf einen Kaffee einzuladen. Und daneben wohnt die alleinerziehende Mutter, die man nur ganz selten trifft. Einsamkeit hat viele Gesichter – und fast jeder hat eines davon schon mal zu spüren bekommen.

Eindeutige Ergebnisse zum Einsamkeitsempfinden auf internationaler Grundlage gibt es nicht. Was Deutschland betrifft, zeigt das Einsamkeitsbarometer des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hingegen klar: Frauen sind öfter einsam als Männer. Das zeigen die in diesem Jahr veröffentlichten Zahlen. Während 12,8 Prozent der Frauen 2021 angaben, einsam zu sein, traf das nur auf 9,8 Prozent der Männer zu.

Mit zunehmendem Alter ist der Kontrast sogar noch stärker. Bei der Altersgruppe über Achtzig fühlten sich 17,5 Prozent der Männer und 29 Prozent der Frauen nach Angaben des Robert Koch-Instituts 2023 einsam. Das ergibt eine Differenz von 11,5 Prozent und zeigt: Nicht umsonst hat sich in den letzten Jahren der Begriff „Gender Loneliness Gap” etabliert. Doch woran liegt das?

Frauen eher einsam als Männer? Das ist der wahre Grund

Ein Erklärungsansatz des BMFSFJ besteht in Unterschieden beim Antwortverhalten. Demnach schämten sich Männer eher für das Gefühl der Einsamkeit und antworteten seltener, dass sie sich einsam fühlten – selbst wenn sie das in Wirklichkeit täten.

Auch Theresa Feulner, Onlinepsychologin mit Fokus auf Paartherapie, sieht in der unterschiedlichen Selbsteinschätzung einen wesentlichen Faktor: „Frauen geben eher zu, sich einsam zu fühlen, weil sie weniger Stigmatisierung als Männer befürchten. Zudem werden Frauen meist dazu erzogen, ihre Emotionen differenzierter wahrzunehmen und könnten gegenüber Einsamkeit sensibler sein.”

Theresa Feulner behandelt in ihrer Onlinepraxis unter anderem Paare, die trotz Beziehung einsam sind.
Theresa Feulner weiß als Psychologin, wie Einsamkeit entsteht und was sich dagegen tun lässt. © privat | Privat

Zugleich führten gesellschaftliche Normen dazu, dass Frauen Beziehungen stärker priorisierten. Ein Mangel könne Frauen unter Umständen stärker belasten, so Feulner. „Außerdem bestehen Bewältigungsstrategien, um mit Gefühlen umzugehen, für Frauen häufig in Gesprächen mit Freunden, während sie für Männer eher im Ablenken, in Aktivitäten oder der Arbeit liegen. Das könnte dazu führen, dass Frauen einen Mangel an Beziehungen, in denen dieser Austausch möglich ist, eher mit Einsamkeit verbinden.”

Gender Loneliness Gap: Risikofaktoren treffen häufiger auf Frauen zu

Das Einsamkeitsbarometer hält eine Reihe Risikofaktoren fest. Darunter:

  • niedriges Einkommen
  • hohes Alter
  • übermäßige Care-Arbeit

All das trifft häufiger auf Frauen als auf Männer zu. „Frauen leben im Schnitt länger als Männer und könnten daher von Einsamkeit im Alter betroffen sein“, erklärt Feulner. Der Grund liegt also zum Teil in der Biologie. Aber Frauen bleiben auch häufiger längere Zeit daheim, um sich beispielsweise um die Kinder zu kümmern. Daraus folgten laut Feulner weniger soziale Kontakte am Arbeitsplatz und eine größere soziale Isolation.

Don't worry sweetie, mommy is here!
Gender Loneliness Gap: Alleinerziehende Frauen sind oft von Einsamkeit betroffen. © iStock | skynesher

Insbesondere Alleinerziehende seien häufig von Einsamkeit betroffen, so das BMFSFJ. Und das sind zum Großteil Frauen: Für 2023 verzeichnet das Statistische Bundesamt fast 2,4 Millionen alleinerziehende Frauen, aber nur 580.000 alleinerziehende Männer. Gerade im Alter sind Frauen zudem häufiger von Armut betroffen: 23 Prozent der Frauen und 18,1 Prozent der Männer über 65 Jahren lebten 2023 laut Statistischem Bundesamt in Armut oder sozialer Ausgrenzung.

Unabhängig vom Geschlecht kann es sehr schwer sein, sich die Einsamkeit einzugestehen und darüber zu sprechen. Um dieser entgegenzuwirken, sei es laut Feulner jedoch wichtig, sich anderen mitzuteilen. Bei Kontakten zu Freunden, der Familie oder dem Partner komme es weniger auf die Anzahl als auf die Qualität der Beziehungen an.

„Manchmal hilft schon ein kleines Gespräch beim Bäcker gegen Einsamkeit“

Eine Möglichkeit, Einsamkeit zu bekämpfen, sei, sich größeren Communities oder Interessengemeinschaften anzuschließen, zum Beispiel einer Wandergruppe, einem Buchclub oder dem Planungsteam eines kulturellen Events. „Auch Kontakte zu Bekannten oder Menschen, mit denen man täglich in Berührung kommt, können gepflegt und ausgebaut werden – zum Beispiel ein kleines Gespräch mit dem Bäcker, bei dem man immer sein Brot kauft, den Menschen, die in der gleichen Sportklasse sind, oder dem Pendler, den man häufiger sieht“, sagt Psychologin Feulner.

Zusätzlich zu den anderen Faktoren könne auch die Selbstfürsorge dabei helfen, mit den unangenehmen Gefühlen umzugehen, so Feulner. Zum Einen könne es helfen, die Gefühle zu reflektieren und zu fragen, was man braucht, damit es einem besser geht. Möglich sei zum Beispiel en geführtes Tagebuchschreiben oder ein Gespräch mit Freunden. Zum Anderen sei es wichtig, Selbstmitgefühl zu etablieren, beispielsweise durch Meditation oder gezielte Übungen. Neben dem Aufbau und der Pflege sozialer Kontakte, sei es wichtig, zu lernen, sich selbst ein guter Freund zu sein.