Berlin. Meditation wird heute so viel praktiziert wie nie zuvor. Doch Experten warnen: Der Trend zu mehr Achtsamkeit birgt auch Risiken.
Meditation hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Immer mehr Menschen wenden sich der jahrhundertealten Praxis zu – um Stress abzubauen, ihre geistige Gesundheit zu verbessern und innere Ruhe zu finden. Doch hat der Trend zu mehr Achtsamkeit auch seine Schattenseiten? Wir beleuchten mögliche Nebenwirkungen der Meditation und verraten, worauf man achten sollte.
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Meditation ist eine uralte Praxis, die in verschiedenen Kulturen und Religionen praktiziert wird. Erste Spuren finden sich in Indien, wo in religiösen Texten bereits um 1500 v. Chr. auf die Bedeutung der Meditation hingewiesen wird. Im Vordergrund standen der Einklang von Mensch und Natur sowie die Suche nach Wahrheit und innerer Entwicklung. In der buddhistischen Lehre, die aus der spirituellen Kultur Indiens hervorging, ist die Schulung des Geistes durch Meditation eines der wichtigsten Elemente.
Studie: Jeder vierte Meditierende erlebt „unerwünschte Wirkung“
Seit Meditation im 20. Jahrhundert auch in der westlichen Welt vermehrt praktiziert wird, liegt der Fokus weniger auf Spiritualität, sondern vielmehr auf Stressabbau, Konzentrationssteigerung und Entspannung. Rund um das Thema Achtsamkeit hat sich ein profitabler Markt entwickelt: Meditieren lässt sich heute unter anderem über Apps, in Online-Kursen oder in mehrtägigen Workshops, sogenannten Retreats, lernen.
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Doch während Meditation in der Gesellschaft ein überwiegend positives Image genießt, weisen wissenschaftliche Studien darauf hin, dass die Praxis in manchen Fällen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen kann. So ergab die Langzeituntersuchung eines Teams um die US-amerikanische Psychologin Willoughby Britton, dass jeder Zehnte, der Meditation auch nur einmal ausprobiert hatte, Nebenwirkungen entwickelte, die ihn im Alltag negativ beeinträchtigten.
Eine Studie aus dem Jahr 2017 kam zu dem Ergebnis, dass jeder vierte Meditierende schon mindestens einmal eine „unerwünschte Wirkung“ erlebt hat. Zudem zeigt eine aktuelle Recherche des SWR-Investigativformats „Vollbild“, dass es für Betroffene oft schwierig ist, sich mit ihren Problemen Gehör zu verschaffen. Dies liege vor allem daran, dass mögliche Nebenwirkungen der Meditation in westlichen Ländern bisher kaum thematisiert werden.
Psychologe: „Kann auch völlig gesunde Menschen treffen“
Auch Dr. Ulrich Ott, Psychologe und Neurowissenschaftler am Bender Institute of Neuroimaging der Universität Gießen, sieht die verbreitete Vorstellung von Meditation als Allheilmittel kritisch: „Es ist wie bei einem Medikament oder beim Sport: Es gibt positive Wirkungen, aber immer auch Nebenwirkungen. Und die wurden bei Meditation lange nicht ernst genommen.“
Die Nebenwirkungen reichen laut Ott von erhöhter Sensibilität über Angstzustände bis hin zu Depressionen und bipolaren Störungen. Besonders gefährdet seien Menschen mit Traumata oder psychischen Vorerkrankungen.
Aber auch völlig gesunde Meditierende könnten unerwünschte Effekte erleben. Der Psychologe berichtet von Fällen, in denen psychisch stabile Menschen nach intensiver Meditation mit Problemen zu kämpfen hatten: „Sie kommen aus ihrem normalen Bewusstsein heraus, verlieren die Bodenhaftung und ihre realistische Einschätzung und werden zum Beispiel paranoid“, erzählt er.
Menschen mit psychischen Vorerkrankungen müssen laut Ott jedoch nicht gänzlich auf Meditation verzichten: „Wenn man Traumata hat, dann gibt es spezielle Meditationsanpassungen. Zum Beispiel für Leute, die große Probleme damit haben, die Augen zu schließen, weil das ein Kontrollverlust ist.“ Generell sollte man vorsichtig sein und sich langsam herantasten, um eine Überforderung oder Retraumatisierung zu vermeiden, rät der Neurowissenschaftler.
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Vor allem diese Form der Meditation birgt Risiken
Eine entscheidende Ursache für Nebenwirkungen bei oder nach der Meditation ist laut Ott die fehlende Vorbereitung: „Entweder ist dann die Dosis sehr hoch oder die Methode sehr intensiv, und ich habe überhaupt kein Weltbild oder eine Landkarte, auf der ich das einordnen kann“, so Ott. „Besonders verschärft ist das, wenn Sie eigentlich gar keinen Lehrkontext haben, sondern auf Youtube unterwegs sind und sich irgendwas zusammenklicken.“
Vor allem Meditationsretreats, in denen meist über mehrere Tage intensiv meditiert wird, könnten für Ungeübte ein Risiko darstellen. Das liege unter anderem daran, dass unerwünschte Effekte in solchen Umgebungen oft heruntergespielt würden: „Wir hatten schon Fälle, wo Leute gesagt haben ‚Nein, ich möchte lieber aufhören, ich brauche eine Pause‘“, erzählt Ott. Andere Gruppenmitglieder hätten diese dann aber gedrängt, trotzdem weiterzumachen. „Die Betroffenen sind so am Ende in einer Psychose gelandet“, so Ott weiter.
Mediation: Diesen Tipp gibt der Psychologe
Menschen, die beim Meditieren unerwünschte Wirkungen erleben, rät Ott, es ruhig angehen zu lassen: „Ich würde dann immer eine konservativere Strategie wählen: Erst mal eine Pause machen und das Ganze verdauen. Der Anspruch, da jetzt – komme, was wolle – durchzugehen, führt oft zu einer Verschlimmerung.“
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Dass auch die Schattenseiten der Meditation zunehmend beleuchtet werden, sieht Ott als Schritt in die richtige Richtung: „Es hat ein übertrieben positives Image gehabt, im Sinne eines Allheilmittels – und das ist einfach nicht zutreffend,“ sagt er. Alles in allem plädiert der Psychologe für eine achtsame Meditation: „Es ist wichtig, dass man da reflektiert und bewusst rangeht und sich nicht, wie manche Leute, Hals über Kopf hineinstürzt.“
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