Rom. In Italien wächst die Zahl der Hundertjährigen. Der Rekordhalter wurde gar 111. Forscher suchen nun nach dem Geheimnis langen Lebens.
Tripoli Giannini, der älteste Mann Italiens, hat reichlich Spuren hinterlassen: in den Herzen seiner Angehörigen, aber auch bei den Wissenschaftlern, die unermüdlich die Formel fürs lange Leben suchen. Giannini, der an Neujahr in seinem Heimatort Cecina in der Toskana im Alter von 111 Jahren und 133 Tagen starb, hatte sein Geheimnis für das Erreichen des stolzen Alters mit diesen Worten gedeutet: „Leichte Mahlzeiten und keinen Ärger.“
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Giannini war der zweitälteste Europäer nach dem Franzosen André Ludwig, der 75 Tage älter wurde. Ein Grund für die Forscher, sich mit seinem langen Leben zu befassen. Sein Sohn Romano denkt in großer Liebe an den Vater zurück. „Ich dachte, er sei unsterblich“, schrieb er auf Facebook. „Er ist jetzt bei seiner Frau Tosca, meiner Mutter, die seit über 40 Jahren auf ihn gewartet hat.“
Menschen wie Giannini, die 100 Jahre und älter werden, gibt es in Italien immer häufiger. Das italienische Statistikamt Istat verzeichnete für 2023 sogar einen neuen Rekord: Rund 22.000 Menschen überschritten in diesem Jahr die 100er-Marke, 83 Prozent von ihnen Frauen. Wissenschaftler führen Untersuchungen durch, um zu ergründen, wie so viele Italiener so alt werden können.
Gesund altern: Liegt es am guten Lebensstil?
So listet die italienische Medizinerin Laura Gasbarrone drei Profile von Hundertjährigen auf: Die erste Gruppe wird ohne Krankheit 100 Jahre alt, bei der zweiten werden Krankheiten erst nach dem 80. Lebensjahr diagnostiziert, während sie bei der dritten bereits vor dem 80. Geburtstag auftreten. 20 Prozent der Hundertjährigen in Italien sind demnach bei guter Gesundheit, 33 Prozent haben einen mittelmäßigen Gesundheitszustand, 47 Prozent einen eher schlechten.
Von Interesse für die Forscher ist vor allem der Lebensstil jener, die ein hohes Alter bei guter Gesundheit erreichen. Stabile soziale Kontakte und viel Bewegung sind demnach Faktoren, die zur Langlebigkeit beitragen. Untersucht wird auch, ob die mediterrane Kost wesentlich ist für Langlebigkeit. Bei der „Mittelmeerdiät“ stehen Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Getreideprodukte, Kräuter, Samen und Fisch auf dem Speiseplan. Milchprodukte und Eier werden in Maßen, rotes Fleisch und Wurst nur selten verzehrt.
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Auch ein Leben im Rhythmus der Natur und mit wenig Stress könnte laut Experten eine positive Auswirkung auf die Gesundheit haben. Die meisten Hundertjährigen waren zeit ihres Lebens weniger Umweltverschmutzung, Elektrosmog und schnelllebigen Medien ausgesetzt als die jüngere Bevölkerung. Auch das kann laut Experten ein Faktor sein.
Sardinien: Hier leben besonders viele Hundertjährige
Die italienische Insel Sardinien gehört zu den fünf Regionen der Welt, in denen es besonders viele Hundertjährige gibt, zusammen mit den Inseln Okinawa in Japan und Ikaria in Griechenland, der Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und der Gemeinde Loma Linda in Kalifornien. Dem Dorf Perdasdefogu auf Sardinien haben seine Hundertjährigen sogar einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde verschafft: Die Gemeinde hat die höchste Quote an Hundertjährigen in Relation zur Bevölkerungszahl weltweit. Von den insgesamt 1.778 Einwohnern sind acht 100 Jahre alt oder älter.
„Unsere Gemeinschaft wird von verschiedenen Wissenschaftlern und Universitäten untersucht“, erklärt Salvatore Mura, Historiker des Dorfes. „Es wurden DNA-Proben entnommen, um die genetischen Merkmale zu analysieren.“ Die insgesamt rund 13.000 Proben werden derzeit noch ausgewertet, unter anderem an der Universität von Sassari, um eine Erklärung für das Phänomen zu finden.
Ältester Italiener: Das empfiehlt er für ein langes Leben
Stand 2021 lag Italien mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 82,7 Jahren im europäischen Vergleich auf Platz drei hinter Spanien (83,3 Jahre) und Schweden (83,1 Jahre). Zur Freude über die Langlebigkeit kommen aber auch Sorgen hinzu: Dem Land droht eine Überalterung der Gesellschaft. Derzeit zählt Italien 59 Millionen Einwohner. Im Jahr 2050 könnten es aufgrund der niedrigen Geburtenrate fünf Millionen Einwohner weniger sein, wie das Statistikamt Istat warnt. Nur etwas mehr als jeder Zweite wäre dann im erwerbsfähigen Alter.
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Einen Job zu haben, gilt als durchaus lebensfördernd, da sind sich Forscher weltweit einig. Auch Italiens Rekordhalter hat in seinem langen Leben immer gearbeitet. Tripoli Giannini, am 20. August 1912 in Cecina geboren, betrieb einen Obst- und Gemüseladen. Er erfreute sich bis zuletzt guter Gesundheit und rühmte sich, zwei große Epidemien überlebt zu haben: die Spanische Grippe, die Italien in seiner Kindheit heimsuchte, und das Coronavirus.
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Leichte Kost und wenig Stress waren nicht der einzige Rat für langes Leben, den er seiner Familie bei den Feierlichkeiten zu seinem 111. Geburtstag im vergangenen August mit auf den Weg gab. Zum Essen durfte ein Glas Wein nicht fehlen, aber niemals Zigaretten, so Giannini. Und auch diese Erfahrung wollte er weitergeben: Man sollte jeden Tag als Geschenk betrachten.