Berlin. Amors Pfeil trifft auch ältere Menschen. Man müsse sich auf Neues einlassen und einige Verhaltensweisen umstellen, sagt eine Psychologin.
Verliebtsein ist ein emotionaler Ausnahmezustand, der nicht nur junge Menschen kalt erwischt. Auch ältere Menschen und Verwitwete sehnen sich nach dem Gefühl. Doch die Suche nach einer neuen Liebe gestaltet sich im Alter oft schwierig. Eine Paartherapeutin verrät, wie die Partnersuche im Alter dennoch gelingen kann.
Laut Statistischem Bundesamt lebt jeder Dritte über 65 Jahre allein. Schon bei der Suche stoßen viele Ältere an ihre Grenzen. „Das eingeschränkte soziale Umfeld macht es vielen älteren Menschen schwer, neue Kontakte zu knüpfen“, erklärt die Münchner Paartherapeutin und Beraterin Sandra Neumayr. Einsamkeit verstärke oft das Bedürfnis nach Nähe und emotionaler Unterstützung, was die Suche nach einem neuen Partner emotional belastend mache. „Die Angst vor Ablehnung und die Unsicherheit halten viele Senioren davon ab, eine tiefere Beziehung einzugehen“, so Neumayr.
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Partnersuche im Alter: Dating-Apps oder reale Begegnungen?
Dennoch ermutigt die Paartherapeutin ältere Menschen aktiv auf Partnersuche zu gehen. Das heißt: ausgehen und dort sein, wo sich Menschen aufhalten. Neumayr beobachtet, dass ältere Generationen bei der Partnersuche im realen Leben oft erfolgreicher sind als über Dating-Apps. „Ältere Menschen profitieren von der direkten zwischenmenschlichen Interaktion, weil sie im persönlichen Gespräch ein besseres Gefühl für die Chemie und die Verbindung zu anderen Menschen entwickeln können“, erklärt sie. Nonverbale Kommunikation und emotionaler Austausch, die in digitalen Formaten oft verloren gehen, seien dabei entscheidend.
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Eine gute Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen, bieten laut der Expertin soziale Gruppen und Vereine, die sich auf persönliche Interessen konzentrieren, wie zum Beispiel Wander- oder Buchclubs. „Diese Aktivitäten schaffen eine gemeinsame Basis für Gespräche und den Aufbau von Beziehungen“, so Neumayr. Auch ehrenamtliches Engagement sei eine hervorragende Möglichkeit: „Durch freiwillige Arbeit in der Gemeinde oder in sozialen Einrichtungen treffen ältere Singles auf Gleichgesinnte, die ähnliche Werte und Interessen teilen. Das stärkt oft die zwischenmenschlichen Bindungen."
Weitere Wege der Partnersuche im Alter sind laut der Psychologin:
- Kurse oder Workshops: Veranstaltungen wie Kochen, Malen oder Tanzen bieten laut Neumayr eine entspannte Atmosphäre, in der man sich ungezwungen unterhalten kann.
- Veranstaltungen in der Gemeinde: Lokale Feste, Märkte oder Kulturveranstaltungen bieten ebenfalls die Möglichkeit, neue Kontakte aus der eigenen Umgebung zu knüpfen.
- Reisegruppen für Singles: Speziell für Singles konzipierte Reisen ermöglichen es, in entspannter Atmosphäre neue Kontakte zu knüpfen und gemeinsam neue Orte zu entdecken.
Welche Dating-Apps sind für ältere Menschen geeignet?
Um nicht auf die Möglichkeiten von Dating-Plattformen verzichten zu müssen, empfiehlt Neumayr, auf Plattformen zu setzen, die auf Kompatibilität basieren und ein umfangreiches Matching-System anbieten. „Gerade für Menschen im fortgeschrittenen Alter, die klare Vorstellungen von Werten und Lebenszielen haben, sind solche Plattformen ideal“, betont sie. Über Filteroptionen können nicht nur das Alter, sondern auch Beziehungswünsche gezielt ausgewählt werden.
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Darüber hinaus gibt es laut Neumayr verschiedene Plattformen, die sich auf Nutzer der gleichen Altersgruppe konzentrieren. So werben Partnerbörsen wie Elitepartner oder Parship mit einem hohen Anteil an Nutzern über 40 Jahren – bei Parship sind es rund 56 Prozent. Die Chance, Gleichaltrige zu treffen, ist hier also deutlich höher als bei vielen anderen Apps. Wer sich für ein Kennenlernen lockern möchte, kann auch die App „Zweisam“ nutzen. Neben klassischen Funktionen wie dem Verteilen von Likes und Herzchen ermöglicht die App auch Gruppentreffen, bei denen sich Gleichgesinnte treffen.
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Realistische Erwartungen setzen und Altlasten über Bord werfen
Wenn es endlich zum ersten Treffen kommt, verläuft das Kennenlernen oft anders als in jüngeren Jahren, beobachtet die Paartherapeutin Sandra Neumayr. Spontaneität und Unbeschwertheit weichen oft der Vorsicht, denn ältere Menschen bringen oft Erfahrungen und Altlasten aus früheren Beziehungen mit, meint die Expertin.
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Also kühler Kopf statt Schmetterlinge im Bauch? Für Neumayr kein Nachteil. „Die Auseinandersetzung mit den bisherigen Erfahrungen hilft, klar zu erkennen, was in einer neuen Partnerschaft wirklich wichtig ist und welche Eigenschaften man bei einem zukünftigen Partner sucht“, sagt sie.
Diese Selbstreflexion fördert laut Neumayr auch das Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse. Ältere Menschen sollten sich frühzeitig fragen, welche emotionalen, körperlichen und sozialen Bedürfnisse sie haben: Will man noch einmal zusammenziehen und gemeinsam alt werden oder sucht man nur jemanden für gemeinsame Unternehmungen? Auch die Frage nach körperlicher Nähe sollte offen diskutiert werden.
Gerade Männer stoßen bei älteren Frauen, die ihre Unabhängigkeit schätzen und keine Vollzeitbeziehung wollen, zunehmend auf Widerstand. Das zeigt auch eine Studie der Dating-Plattform „Gleichklang“ mit über 200.000 Teilnehmenden: Mit zunehmendem Alter sinkt demnach der Wunsch, noch einmal zu heiraten – bei Frauen stärker als bei Männern. Auch der Wunsch, zusammenzuziehen, nimmt ab, obwohl die Mehrheit der Männer nach wie vor von einem gemeinsamen Zuhause träumt. Die Forscher fassen zusammen: „Viele ältere Frauen lehnen die Nachteile einer Lebensgemeinschaft ab: die gegenseitige Abhängigkeit, die täglichen Spannungen und die Verantwortung für Haushalt, Pflege und emotionale Arbeit“.
Nichts überstürzen: Partnersuche im Alter braucht Zeit
Auch wenn es für manche den Anschein haben mag, als dürfe man sich im Alter nicht mehr allzu viel Zeit lassen, sollten Senioren das in Ruhe herausfinden, sagt die Paartherapeutin Sandra Neumayr. Ältere Menschen hätten nämlich einen entscheidenden Vorteil: Sie brauchen die klassische Beziehungsschablone nicht mehr. Die „Rushhour des Lebens“ – die Zeit der Familiengründung und der beruflichen Hochphase – ist ebenfalls vorbei. „Ältere Menschen haben ihre Erfahrungen gesammelt und können nun frei gestalten, was für sie eine bereichernde Beziehung ausmacht.", so Neumayr.
Bei gemeinsamen Unternehmungen können sich die Älteren daher gerne mehr Zeit nehmen – gerade um den potenziellen Partner besser kennenzulernen und herauszufinden, ob Interessen, Werte und Erwartungen übereinstimmen. "Wer sich die Zeit nimmt, den anderen in verschiedenen Situationen zu erleben und zu prüfen, ob die Chemie stimmt, legt den Grundstein für eine tiefere Bindung“, so die Paartherapeutin.
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Vergleiche mit früheren Partnern vermeiden
Da das Leben schon eine Weile dauert, neigt diese Generation laut Neumayr dazu, neue Partner mit früheren zu vergleichen. „Ältere Singles neigen oft dazu, neue Bekanntschaften mit früheren Partnern zu vergleichen. Das führt oft zu unrealistischen Erwartungen, Enttäuschungen und Vorurteilen“, erklärt die Paartherapeutin.
Wer betrogen wurde, geht eine neue Beziehung oft mit übertriebener Skepsis und Angst vor Zurückweisung an, was es schwer macht, sich emotional zu öffnen. Wer wiederum einen Partner durch Krankheit oder Tod verloren hat, neigt laut Neumayr dazu, den neuen Partner mit dem Verstorbenen zu vergleichen oder, so die Expertin, "emotionale Lücken zu füllen, die durch eine neue Beziehung nicht geschlossen werden können". Auch alte Rituale und Gewohnheiten aus früheren Beziehungen könnten unbewusst in die neue Partnerschaft übertragen werden.
Die Lösung? „Man muss sich bewusst machen, dass jede Beziehung einzigartig ist. Es ist eine neue Person und eine neue Dynamik, die nichts mit der Vergangenheit zu tun hat“, betont Neumayr. Sie empfiehlt, gemeinsam ein neues Lebenskonzept zu entwickeln und offen über Wünsche und Erwartungen zu sprechen. Fragen wie „Wie habt ihr das früher gemacht?“ und „Wie wollen wir das in Zukunft machen?“ können helfen, alte Muster zu durchbrechen und Raum für neue Erfahrungen zu schaffen.
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Zusammenziehen im Alter gut überlegen
Bevor der Schritt in ein gemeinsames Zuhause gewagt wird, rät die Paartherapeutin Sandra Neumayr, sich über die Erwartungen klar zu werden. „Dabei geht es nicht nur um praktische Dinge wie die Aufteilung der Finanzen oder Einrichtungsfragen, sondern auch um tiefer gehende Überlegungen zur gemeinsamen Zukunft, zu persönlichen Freiräumen und individuellen Routinen“, betont Neumayr. Um herauszufinden, ob das Zusammenleben wirklich passt, empfiehlt sie ein Probewohnen: Mal ein paar Tage bei dem einen, mal bei dem anderen. So könne man verschiedene Szenarien durchspielen, bevor man sich endgültig entscheide. Denn ein Zusammenziehen lässt sich später nur schwer rückgängig machen.
Die Devise lautet also: Schritt für Schritt an das neue „Wir“ herantasten – und sich gleichzeitig Raum für das eigene Umfeld bewahren. „Ein gegenseitiges Verständnis, wie die Integration von Familie und Freundeskreis aussehen soll, trägt entscheidend dazu bei, dass sich beide Partner in der neuen Lebenssituation wohlfühlen“, so die Paartherapeutin.
Wichtig sei, dass beide Partner mit Freude und Zuversicht auf die Entscheidung zum gemeinsamen Leben blicken, betont Neumayr. "Ein harmonisches Miteinander kann die Basis für eine stabile Beziehung auch im Alter sein – und wem das gelingt, der kann von einer neuen Liebe mehr erwarten als nur einen neuen Lebensabschnitt", fasst sie zusammen.