Meerbusch. Immer mehr Kinder sind zu dick, das stellt sich meist bei den Schuleingangsuntersuchungen heraus. Meerbusch bei Düsseldorf hingegen hat ein ganz anderes Problem. Jedes achte Kind dort ist untergewichtig. Diesen gegenteiligen Trend möchte das dortige Gesundheitsamt nun aufklären
Die Stadt Meerbusch sieht sich mit einem ungewöhnlichen Problem konfrontiert. Jedes achte Kind (12,6 Prozent) zwischen fünf und sechs Jahren ist dort untergewichtig. Das ergaben die jährlichen Schuleingangsuntersuchungen, bei denen der Body-Mass-Index errechnet wird. Der landesweite Trend hingegen zeigt immer mehr Kinder, die mit Übergewicht zu kämpfen haben.
Aktuell gelten 6,4 Prozent der Kinder in NRW als übergewichtig. 4,7 Prozent der Schuleinsteiger sind sogar als "adipös" eingestuft - also: als fettleibig. Nur 5,6 Prozent der Kinder sind hingegen zu dünn, Tendenz fallend. Meerbusch fällt demnach deutlich aus dem Rahmen.
Deshalb hat das Gesundheitsamt des Rhein-Kreises-Neuss, zu dem die Gemeinde Meerbusch zählt, eine Studie bei der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Auftrag gegeben. Eine Doktorarbeit soll nun die ungewöhnlich hohe Zahl untergewichtiger Kinder klären. Eltern von 300 Schulanfängern sollen dafür Fragebögen ausfüllen, die das Leben innerhalb der Familie, Elternkompetenzen oder auch das Ernährungs- und Bewegungsverhalten hinterfragen. Ergebnisse werden gegen Ende des Jahres erwartet.
Einfluss der Medien
Michael Dörr, Gesundheitsamtsleiter des Kreises, verfolgt dabei zwei Thesen. Zum einen mutmaßt er, dass es sich um ein Problem der besseren Schichten handeln könnte. "Kinder wachsen hier sehr wohlbehütet auf. Eltern versuchen dann häufig, dem Trend zum Übergewicht entgegenzuarbeiten." Andererseits möchte der Amtsleiter auch nicht den Einfluss der Medien unterschätzen. "Auch Fünf- bis Sechsjährige schauen sich bereits Sendungen an, die ein vermeintliches Schönheitsideal präsentieren." Dennoch handelt es sich bei beiden Thesen um Indizien, die nicht nur Meerbusch zuzusprechen sind. "Wir können vorerst nur spekulieren."
Der eigentlich rückläufige Trend kündige sich bereits seit gut drei Jahren an, sagt Kinderärztin Dr. Beate Klapdor-Volmar vom Jugendärztlichen Dienst. Im gesamten Rhein-Kreis-Neuss steigt die Zahl untergewichtiger Kinder, während die Zahl derer, die zu dick sind, rückläufig bis stabil ist.
Ernährungsverhalten beeinflussen
Wirklich beunruhigend findet die Kinderärztin den Anstieg aber nicht. "Untergewicht bedeutet nicht gleich krank. Eltern, deren Kinder schon immer dünn waren, haben nichts zu befürchten." Gefährlich sei es nur, wenn ein normalgewichtiges Kind plötzlich und ohne erkennbaren Grund abnimmt. Bei einer Größe von 1,21 Metern sei ein Gewicht von rund 25 Kilogramm im Alter von fünf bis sechs Jahren normal. Wiegt das Kind zum Beispiel nur zwölf Kilogramm, spricht die Ärztin von starkem Untergewicht. Ab 27 Kilogramm in dem Alter spricht man bereits von Übergewicht.
Während Meerbusch über die steigende Zahl zu dünner Schulanfänger rätselt, kämpft Gelsenkirchen mit dem gegenteiligen Problem: 8,1 Prozent der Schulanfänger gelten hier als übergewichtig, 6,6 Prozent als adipös. Schlimmer sieht es nur noch in Duisburg aus, hier stieg die Zahl übergewichtiger Kinder massiv an. 9,3 Prozent sind zu dick, sogar 8 Prozent adipös, damit hebt sich Duisburg von allen anderen Städten in NRW ab. Untergewicht haben hier lediglich 1,3 Prozent der Kinder. „Damit liegen wir über dem Landesdurchschnitt“, sagt Gesundheitsamts-Leiter Dieter Weber.
Diabetes und Gelenkbeschwerden
Auch er kann über die Faktoren nur spekulieren, nennt jedoch den Sozial- und Bildungsstatus in Familien ebenfalls als möglichen Grund. „Fernsehwerbung zum Beispiel, die das Ernährungsverhalten negativ beeinflussen kann, schlägt in Gruppen mit niedrigem Bildungsstand eher zu.“ Entscheidend sei, Eltern nachdrücklich klarzumachen, wie gefährlich massives Übergewicht für Kinder ist, wenn sie nicht abnehmen. Gemeinsames Kochen und Essen in der Familie könne dabei ein Anfang sein. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung spricht ansonsten von möglichen Herz-Kreislauf-Problemen, Diabetes und Gelenkbeschwerden. Außerdem steige die Gefahr von Mobbing, was sich dann wiederum auf die Psyche der Schulkinder auswirken könnte.