Essen. Trotz Doppel-Abi und Rekordbewerberzahlen versuchen sowohl die Uni Duisburg-Essen als auch die Ruhr-Universität Bochum zu beruhigen. Man sei auf den Ansturm der Abiturienten vorbereitet. Doch noch nie gab es so viele Studienanfänger: Die Hochschulen stehen vor einer enormen Herausforderung.

Schon seit Jahren ist die Situation an deutschen Hochschulen angespannt. Prall gefüllte Hörsäle, überbelegte Sprechstunden bei Professoren, zu wenig Seminarplätze. Viele scheitern ohnehin schon am Numerus Clausus, mit dem einige Universitäten mittlerweile sogar exotische Fächer wie Archäologie oder Evangelische Theologie gegen Schüler mit schlechter Abiturnote abschotten. Und nun fängt auch noch der doppelte Abiturjahrgang mit den Studium an.

„Wir haben neue Räume bereit gestellt, zusätzliche Lehrkräfte angestellt, Videoübertragungen vorbereitet“, sagt Jens Wylkop, Sprecher der Ruhr-Universität in Bochum, die sich seit Jahren auf den doppelten Abiturjahrgang vorbereitet. Schon Ende 2010 hatte die Ruhr-Universität Bochum eine Projektgruppe mit dem Namen „Rub.2013“ eingerichtet, die sich seitdem ausschließlich mit den Herausforderungen durch den doppelten Abiturjahrgang beschäftigt hat. Daher sei die Ruhr-Universität Bochum gut vorbereitet, meint Wylkop. Sogar die Taktung der U35, der Campuslinie, wurde erhöht, damit alle Studenten in den Bahnen zur Uni Platz finden.

Die Maßnahmen waren notwendig. Schließlich wurden zum kommenden Semester 2250 neue Studienplätze in besonders stark nachgefragten Fächern wie etwa Biologie, Maschinenbau oder Sozialwissenschaft geschaffen. Die Ruhr-Universität Bochum stellt nun 7000 Plätze für Studienanfänger bereit. Im Vorjahr waren es gerade einmal 4800. Tim Köhler, Vorsitzender des Asta (Allgemeiner Studierendenausschuss) der Ruhr-Universität-Bochum, glaubt trotzdem, dass seine Hochschule gut vorbereitet ist: „Wir stehen nicht auf einem sinkenden Schiff.“ Er sagt aber auch: „Im Oktober wird es voll. Ganz klar.“

So viele Studienanfänger wie nie zuvor

Studieren liegt im Trend. Das gilt nicht nur für Nordrhein-Westfalen. In ganz Deutschland ist die Zahl der Studenten in den letzten zehn Jahren explodiert. Gab es 2002 nicht einmal zwei Millionen Studenten, waren es im vergangenen Jahr schon über 2,5 Millionen. Im kommenden Semester dürfte die Zahl auf 2,7 Millionen ansteigen. Das NRW-Wissenschaftsministerium rechnet mit 123.000 Studienanfängern in NRW - nie waren es mehr. Auch in Bochum gab es für das Wintersemester "15 bis 20 Prozent mehr Bewerbungen" als noch im Vorjahr, sagt Sprecher Wylkop. Konkrete Zahlen will er aber nicht nennen.

Baustellenbesichtigung HR

Bild: Stephan Glagla
Bild: Stephan Glagla © STEPHAN GLAGLA PHOTOGRAPHIE / WAZ
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Andere Hochschulen veröffentlichen diese Zahlen. Etwa die Uni Münster, bei der sich über 53.000 Menschen auf einen Studienplatz beworben haben – 8000 mehr als im Vorjahr. Demgegenüber stehen allerdings nur 6000 Studienplätze. In Köln haben sich 60.000 Menschen auf 8.000 Studienplätze beworben.

Professoren müssen immer mehr Studierende betreuen

Ob die Qualität der Lehre trotz rasant steigender Studierendenzahl gehalten werden kann, ist fraglich. Laut der Zeitschrift Forschung & Lehre, die sich auf Daten des statistischen Bundesamts beruft, kamen etwa an der Uni Duisburg Anfang des Jahres 89 Studenten auf einen Professor. 2008 waren es noch 67. Die Folgen: längere Wartezeiten für einen Sprechstunden-Termin bei einem Professor, längeres Warten auf die Korrektur von Klausuren und Hausarbeiten, vollere Vorlesungen und Seminare. Felix Grigat, Sprecher des Hochschulverbands der die Interessen von Professoren vertritt, warnt: "Die Universitäten sind seit Jahren dramatisch unterfinanziert und die nun erhöhte Zahl der Studierenden und der doppelten Abiturjahrgänge verschärfen das Problem weiter. Außerdem treffen immer mehr Studienanfänger auf immer mehr Zulassungsbeschränkungen."

In Köln gilt für alle Fächer ein Numerus Clausus

Die allermeisten Studiengänge sind mittlerweile mit einem Numerus Clausus, einer Zulassungsbeschränkung durch gute Abiturnoten abgesichert. An der Ruhr-Universität Bochum gibt es nur sieben zulassungsfreie Studiengänge, auch an der Uni Duisburg-Essen sind 84 Prozent aller Bachelor-Studiengänge mit einem NC versehen. An der Uni Köln sind sogar alle 140 Studiengänge für Erstsemester zulassungsbeschränkt. Ohne gute Abiturnote hat man kaum noch Chancen sich einen Studienplatz auszusuchen. Man muss nehmen was man kriegt.

Wie hoch die NCs ausfallen, hängt von der Bewerberzahl für die jeweiligen Fächer sowie den Noten der Bewerber ab. In dieser Woche verschicken die Universitäten die letzten Zusagen an Bewerber. Diese haben dann etwa eine Woche Zeit den angebotenen Platz anzunehmen. Lehnen sie ab oder melden sich nicht bei der Universität, fällt ihr Platz in ein Nachrückverfahren. Bewerber, die in der ersten Runde leer ausgegangen sind, bekommen den Platz dann angeboten.

Die Alarmglocken will trotzdem niemand läuten. Auch nicht an der Uni Duisburg-Essen. Dort bewarben sich zwar über 38.000 junge Menschen auf einen der 7300 Studienplätze, und somit 4000 mehr als im Vorjahr. Uni-Rektor Prof. Dr. Ulrich Radtke gibt sich jedoch gelassen: „Trotz der großen Bewerberzahl bin ich zuversichtlich, dass sich für die meisten ihr Wunsch, zu studieren, erfüllen wird.“

Neue Bundesländer werben um den Doppel-Abijahrgang

Freie Studienplätze für Studienanfänger gibt es vor allem noch in den neuen Bundesländern, wo mittlerweile gezielt um Westschüler geworben wird. Alternativ können Abiturienten aber auch eine duales Studium in einem Unternehmen absolvieren. Hier gibt es auch im Ruhrgebiet noch freie Plätze, versichert Heike Börries, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Essen. Auch ein studiennaher Ausbildungsplatz sei eine gute Option. Für den September und Oktober gebe es noch Plätze.

Für Abiturienten, die nur eine kurze Zeit von einem bis zwei Jahren, überbrücken wollen, hat die Bundesagentur für Arbeit eine Website eingerichtet, in der verschiedene Möglichkeiten wie etwa Friedensdienst oder der Bundesfreiwilligendienst vorgestellt werden. 2014 kann man sich dann erneut um einen Studienplatz bewerben. Dann dürfte der Andrang etwas kleiner ausfallen.