Solingen. Kein klarer Sieger: Beim einzigen TV-Schlagabtausch gingen der Ministerpräsident und sein Herausforderer höflich miteinander um.

Es war als Höhepunkt des Landtagswahlkampfes angekündigt: Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und sein SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty trafen sich am Donnerstagabend zum einzigen TV-Duell. Der WDR hatte zu einer 75-minütigen Live-Diskussion nach Solingen eingeladen. Es wurde zwar zeitweilig eher ein Duett als ein Duell, weil sich die Kontrahenten in den großen Linien einig zeigten, aber in Auftritt und Inhalt gab es doch interessante Beobachtungen.

Ambiente

Die „Alte Schlossfabrik“ in Solingen, ein beliebter Veranstaltungsort für Hochzeiten im Bergischen Land, war Schauplatz des Duells. Gesendet wurde aus einer gewölbeartigen Halle namens „Grotte“. Kutschaty traf um 19.10 Uhr ein, Wüst acht Minuten später. Beide wurden von einer Entourage aus Mitarbeitern und politischen Vertrauten begleitet: Wüst brachte unter anderem Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski und Stabschef Marcel Grathwohl mit, Kutschaty wurde von NRW-SPD-Generalsekretärin Nadja Lüders und Landtags-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat begleitet.

Auftritt:

Wüst kam wie immer im dunklen Slimfit-Anzug mit klassischer roter Krawatte. Der Ministerpräsident stand meist kerzengerade und lächelte freundlich. Der Eindruck: smart und durchaus noch jugendlich. Wüsts beschlagene Brillengläser verrieten aber, dass er durchaus unter Stress stand.

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Kutschaty stand auf einem Podest, um den Größenunterschied von gut 20 Zentimeter zu Wüst auszugleichen. Er passte sein Outfit seinem Traumjob Ministerpräsident an: Schwarzer Anzug, dunkle Krawatte. Kutschaty blinzelte zuweilen heftig, ansonsten strahlte er Gelassenheit aus. Die Strategie schien er sich beim Kult-Trainer Otto Rehhagel abgeguckt zu haben: Kontrollierte Offensive. Kritik ja, aber nicht zu böse. Der Herausforderer wollte auf keinen Fall unsympathisch rüberkommen. Armin Laschets aufgeregt-aggressiver Auftritt im TV-Duell mit Olaf Scholz scheint ein mahnendes Beispiel gewesen zu sein.

Rhetorik:

Der Ministerpräsident baute immer wieder private Details in seine Argumentation ein. So berichtete er von der Kita-Platzsuche für seine gut einjährige Tochter, als es um die frühkindliche Bildung geht. Im Themenblock Wirtschaft wob er in seine Sorge um die heute vom Strukturwandel bedrohten Stahlarbeiter das Schicksal seines verstorbenen Vaters ein, der einst in der Textilbranche arbeitete und abends oft „traurig vor seiner Bierflasche“ gesessen habe. Wüst sprach, wie bei all seinen öffentlichen Auftritten, etwas abgehackt und bedächtig.

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Kutschaty lachte viel und gestikulierte mehr als Wüst. An einigen Stellen war er locker und witzig, indem er zum Beispiel über den „Star“ der jetzigen Landesregierung, Innenminister Reul, sagte: „Ich glaube nicht, dass Herbert Reul in eine SPD-geführte Regierung passen würde.“

Größtes Streitthema:

Beim Thema Wohnen konnte Kutschaty am besten attackieren. Wer sich in einer Stadt wie Köln keine Mietwohnung mehr leisten könne, habe auch nichts davon, dass die Stadt beim Kauf eines Hauses für eine Million Euro mit einem Zuschuss von 10.000 Euro winke. Wüst ließ aufhorchen mit der Aussage, dass für ihn ein Maisfeld nicht ökologisch wertvoller sei als eine Eigenheimsiedlung.

Beste Sprüche:

Hendrik Wüst brachte komplizierte Zusammenhänge auf den Punkt. Beispiele: „Die wichtigste Antwort auf Wohnungsknappheit ist Wohnungsbau“. Und: „Wir müssen den Clan-Kriminellen immer auf den Füßen stehen“.

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Thomas Kutschaty kontere die Erfolge, die Hendrik Wüst seiner Landesregierung bei der inneren Sicherheit zuschreibt, mit launigen Kommentaren: „70 Prozent weniger Einbrüche? Kein Wunder, wenn alle im Homeoffice sind.“ Und: „Besser ist, die Polizei kommt nicht erst, wenn die Tat passiert.“ Konfrontiert mit der Kritik von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Boom bei den Einfamilienhäusern, stellte der SPD-Spitzenkandidat klar: „Auch mit der SPD darf man im Einfamilienhaus leben.“

Fazit:

Kutschaty wirkte freundlich und staatstragend, aber für einen Oppositionsführer fehlte es bisschen der Punch. Streitthemen wie das Corona-Chaos in den Schulen oder die „Mallorca-Affäre“ während der Flut-Katastrophe sprach er gar nicht an. Wüst wirkte fast ein wenig kämpferischer und attackierte Kutschaty für die rot-grüne Regierungszeit 2010 bis 2017.

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    Einen echten Sieger gab es bei diesem Duell nicht. Keiner gab sich eine echte Blöße, keiner fiel dem Gegenüber unhöflich ins Wort. Im Vergleich zwischen dem harten Schlagabtausch zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen in Frankreich zeigte dieses „Duell“ zwei Kollegen, die respektvoll aneinander vorbeireden. Etwas langweilig, aber in diesen aufgeregten Zeiten auch eine beruhigende Erfahrung.

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