Essen. Der neue Ministerpräsident soll die Staatskanzlei im Mai verteidigen und wird von seiner Partei mit einem Traumergebnis ausgestattet.
Die NRW-CDU hat Ministerpräsident Hendrik Wüst mit einem Traumergebnis als Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 15. Mai ausgestattet. Die Landesdelegiertenversammlung in Essen wählte den 46-Jährigen am Samstag mit 99,1 Prozent zur Nummer eins der Landesliste. Von 235 Delegierten stimmten nur zwei mit Nein.
Es wird an diesem Morgen ohnehin schnell klar, dass die NRW-CDU voll auf den erhofften Persönlichkeitsfaktor des neuen Regierungschefs setzt. Den Delegierten in der Grugahalle wird zur Einstimmung ein Imagefilm präsentiert, der Wüst in warmen Farben als modernen Konservativen in Windjacke zeigt: Fahrradfahrend durchs Münsterland, beim Bäcker und im Handball-Verein. Aus dem Off meldet sich dabei der junge Familienvater Wüst, der seine Tochter als „größte Herausforderung“ neben dem Ministerpräsidenten-Amt nennt und Sätze sagt wie: „Wenn ich die Kleine ansehe, motiviert mich das jeden Tag, alles zu geben.“
Vor gut 100 Tagen erst hat Wüst das Amt von Armin Laschet übernommen. Der Name Laschet kommt ins Wüsts Bewerbungsrede jedoch gar nicht mehr vor. Vielmehr scheint der gescheiterte Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat für ein Tal zu stehen, aus dem sich die NRW-CDU nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 mühsam herausarbeiten musste.
Der Name Laschet taucht schon gar nicht mehr auf
„Jeder weiß, in welcher Stimmung wir im Oktober hier losgelegt sind“, deutet Wüst an. Seither habe man einen Umfrage-Rückstand zur SPD von bis zu 13 Prozentpunkten aufgeholt. Die Wahlstrategie der NRW-CDU legt Wüst in seiner gut 20 minütigen Bewerbungsrede dar, auch wenn er erklärt, die Zeit für die Werbetrommel sei noch nicht gekommen. „Die Menschen erwarten, dass wir sie raus aus der Pandemie bringen. Für Wahlkampf haben sie in diesen Wochen kein Verständnis. Das heißt: Wir werden einen kurzen, aber umso intensiveren Wahlkampf nach Ostern machen.“
Da ist zum einen ein Gutteil Bilanzstolz. Innere Sicherheit, Bildung, Wirtschaft, Verkehr – es werden Zahlen über Zahlen präsentiert, wo überall höhere Summen investiert und bessere Statistiken erreicht wurden. CDU-TV, der Partei-Fernsehsender, blendet eigens während der Wüst-Rede Balkendiagramme ein. Mantraartig schärft Wüst der Versammlung dutzendfach den Satz ein: „Es macht den Unterschied, ob wir regieren.“
In der Politik gibt es allerdings die Redensart, „dass keine Bilanzen gewählt werden“. Die Corona-Krise wirkt als Prisma, durch das viele Bürger eher genervt auf die Landespolitik schauen. Zudem hat die Pandemie das Verhältnis zu Schulden und Kriminalität relativiert.
Wüst setzt offenbar auf ein schwarz-grünes Bündnis
Auffällig ist, wie Wüst die Partei rhetorisch auf ein mögliches schwarz-grünes Bündnis in Düsseldorf einstimmt. Nach Lage der Dinge ist das die aussichtsreichste Option, Wüst nach dem 15. Mai in der Staatskanzlei zu halten. Wenn es eine rechnerische Möglichkeit für ein Ampel-Bündnis gibt, ist andernfalls die Wahrscheinlich groß, dass dies auch in NRW gebildet wird. Für die Bundesregierung geht es dabei um sechs wertvolle Stimmen im Bundesrat.
„Die größte Herausforderung ist der Schutz unseres Klimas. Es ist ein Generationenprojekt und ich will, dass daraus ein Versöhnungsprojekt wird“, sagt Wüst. Am Dienstag empfängt er in Düsseldorf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Diejenigen, die für die rasche Einhaltung der Klimaziele auf die Straße gehen, sollen mit den anderen ausbalanciert werden, die sich um Jobs oder steigende Heiz- und Spritkosten sorgen, so der NRW-Ministerpräsident. „Eine warme Wohnung darf nicht zum Luxus werden in unserem Land.“
Wüst bietet die CDU als traditionell im ländlichen Raum stark verankerte Partei gewissermaßen den urban geprägten Grünen als ideale Ergänzung an. Allen schwarz-gelben Treueschwüren zum Trotz. CDU und FDP haben in NRW schon seit Jahren beim keinem Umfrageinstitut eine Mehrheit.
Wüst will die Pendlerpauschale erhöhen und die Energiesteuern senken. „Das Auto ist in Höxter, im Sauerland, in der Eifel oder am Niederrhein für viele Menschen einfach noch alternativlos. Das scheint die Bundesregierung mit einem sehr großstadtzentrierten Blick nicht im Blick zu haben.“