Werne. Breite Zustimmung für den Essener. Seine Kampagne fußt auf dem Gerechtigkeitsgedanken und auf der Abgrenzung zu Hendrik Wüst.

Es sind nicht die 100 Prozent der Stimmen, mit denen vor fünf Jahren Hannelore Kraft für den Landtagswahlkampf ausgestattet wurde, aber Thomas Kutschaty durfte sich über ein „Traumergebnis“ freuen, wie er sagte: Mit fast 97 Prozent machten ihn die Delegierten eines digitalen SPD-Landesparteitags am Samstag zum Spitzenkandidaten.

Sein Ziel: Hendrik Wüst im Mai als NRW-Ministerpräsident ablösen. Der Wahlkampf solle umgehend beginnen: Mit den Worten „Jetzt bin ich heiß, jetzt will ich raus“ bedankte sich der 53-Jährige Essener für den Rückenwind aus der SPD.

Lauterbach: "Zurück zur Kernkompetenz Gerechtigkeit"

Das Wahlergebnis zeige, „wie geschlossen die Partei hinter jemandem steht, der es verdient“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in einem Grußwort. Mit Kutschaty kehre die SPD zurück zu ihrer Kernkompetenz: Gerechtigkeit.

Als Mit-Wahlkämpfer sendeten Kanzler Olaf Scholz und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer digitale Solidaritätsbekundungen für den Herausforderer von Hendrik Wüst. „Wahlkampf ist ein Marathon, und er endet mit einem Schlussspurt“, resümierte Dreyer. Dass die SPD solch sportliche Herausforderungen den gewinnen könne, habe sie bei der Bundestagswahl unter Beweis gestellt.

"Die Zukunft zählt mehr als die Herkunft"

Thomas Kutschaty, dessen Bekanntheitsgrad weit hinter dem amtierenden Ministerpräsidenten liegt, sendete jene Botschaften, mit denen er in den kommenden Wochen die Wählerinnen und Wähler von sich und der SPD überzeugen möchte. Im Kern geht es um bezahlbare Wohnungen, Bildung für alle Kinder unabhängig von Herkunft und Geldbeutel der Eltern, um ein Gesundheitssystem, das den Patienten, „nicht die Kasse“, in den Mittelpunkt stellt sowie die Verwandlung Nordrhein-Westfalens in ein modernes, klimafreundliches Industrieland. „Für uns zählt die Zukunft, nicht die Herkunft“ sagte Kutschaty gleich zu Beginn in seiner Bewerbungsrede. Schule will er im Falle eines Wahlsieges wieder zur "Chefsache" machen.

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„Herkunft“ ist ein Schlüsselwort in der Kampagne des Oppositionsführers im Landtag mit der Überschrift: „Für euch gewinnen wir das Morgen“. Der einer breiten Öffentlichkeit bislang noch unbekannte Kutschaty, der in den Jahren zuvor fast ein Geheimnis aus seiner Herkunft machte, wird sich als sozialdemokratischen Gegenentwurf zum Konservativen Hendrik Wüst inszenieren.

Der eine – Wüst – wird als kühler Vertreter einer Elite beschrieben, ein Feind des Mieterschutzes und als einer, der Schule ebe nicht zur „Chefsache“ macht, sondern die umstrittene NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) in der Pandemie schalten und walten lässt. Kutschaty versprach: "Ich werde Schulpolitik wieder zum Hauptfach einer Landesregierung machen."

Der Ruhrgebiets-Junge aus einfachen Verhältnissen

Auf der anderen Seite: Der Sozialdemokrat Kutschaty, der aus kleinen Verhältnissen kommt und dank der Eltern und der SPD-Sozialpolitik den „Bildungsaufstieg“ geschafft hat: Das Kind eines Eisenbahners und einer Verkäuferin aus Essen-Borbeck, aufgewachsen in einer winzigen Wohnung ohne eigenes Kinderzimmer, der als junger Anwalt Mieter verteidigt hat. Einer, der sich um jene kümmert, die für kargen Lohn hart schuften: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Büros putzen, die Regale in Supermärkten auffüllen, die Pakete und Essen ausliefern.

Bezahlbare Mieten, Gratis-Kita, 1000 Talentschulen

Das Wahlprogramm, das die NRW-SPD an diesem Wochenende verabschiedete und schon den Namen „Regierungsprogramm“ trägt, lässt sich in Zahlen so zusammenfassen: 100.000 neue Wohnungen jedes Jahr, 1000 statt nur 60 Talentschulen in benachteiligten Quartieren, null Euro Kita-Gebühren, keine Klinikschließung und keine Straßenausbaubeiträge mehr. Ein 30 Milliarden Euro schwerer „Transformationsfonds“ soll als Turbo für den ökologischen Umbau der Wirtschaft wirken. Schüler sollen gratis mit Bus und Bahn fahren können, die Schuldenstädte entschuldet, Arbeitnehmer stärker an „Unternehmensgewinnen“ beteiligt werden.

Die weiteren Listenplätze

Hinter Thomas Kutschaty stehen auf den ersten Listen-Plätzen der SPD für die Landtagswahl: Sarah Philipp (Duisburg), André Stinka (Coesfeld), Inge Blask (Märkischer Kreis), Jochen Ott (Köln) , Ellen Stock (Kreis Lippe), Sven Wolf (Remscheid), Tülay Durdu (Bergisch-Gladbach), Gordan Dudas (Märkischer Kreis) und Nina Andrieshen (Bocholt).

Die Kandidatenliste zieht, wenn einer Partei mehr Sitze im Landtag zustehen als sie Direktmandate gewonnen hat oder ein Nachrücker ins Parlament einziehen kann. Die endgültige Abstimmung der Landesliste erfolgt per Briefwahl.