Essen. Die Stunde der Wahrheit: Bei der entscheidenden Versammlung zu Reformen in der Katholischen Kirche kommt es auf die Haltung der Bischöfe an.
Der Kampf um Reformen der Katholischen Kirche geht in die letzte Rund. In den nächsten Tagen entscheidet sich, ob die deutschen Katholiken verkrustete Strukturen aufbrechen und neue Wege einschlagen, oder ob sich die konservativen und vatikantreuen Kleriker durchsetzen werden. Bei der fünften und vorerst letzten Synodalversammlung, die von Donnerstag bis Samstag in Frankfurt tagt, wollen die Katholiken den 2019 unter dem Eindruck der Missbrauchsskandale gestartete Reformprozess Synodaler Weg vorläufig abschließen.
„Bannstrahl“ aus Rom
An Rückschlägen hat es auf diesem Weg nicht gefehlt. Zuletzt irritierte ein „Bannstrahl“ aus Rom gegen ein zentrales Reformvorhaben des Synodalen Weges die deutschen Katholiken. Ein sogenannter Synodaler Rat als ständiges Leitungsgremium, in dem künftig Kleriker und Laien gemeinsam Entscheidungen treffen, dürfe es nicht geben. Das würde die Autorität der Bischöfe beschneiden.
Ein konservativer Kreis um den Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki hat dieses Veto aus Rom mit der Frage provoziert, ob man denn bei diesem ungeliebten Reformprozess mitmachen müsse. Die Antwort dürfte er vorher gewusst haben: Nein, muss er nicht. Man kann Bischöfe nicht zur Teilnahme am Synodalen Weg verpflichten. Die Machtdemonstration aus Rom schüchterte die Mehrheit der deutschen Bischöfe offenbar nicht ein. Der Synodale Weg muss und wird weiter gehen, hieß es anschließend.
Angriff auf das Pflichtzölibat
In Frankfurt stehen nun Abstimmungen zu zentralen Reformthemen auf der Tagesordnung, erläutert Prof. Matthias Sellmann, katholischer Theologe an der Ruhr-Uni Bochum und Teilnehmer der Synodalversammlung. Sie sollen die Kirche öffnen und transparenter machen, ohne die Basis des Kirchenrechts zu verlassen, wie häufig in Richtung Vatikan betont wird.
So werden zunächst trotz des Vetos aus Rom die Mitglieder des Synodalen Ausschusses bestimmt, der den umstrittenen Synodalen Rat vorbereiten soll. Dieser soll ab 2026 als ständiges Gremium tätig sein.
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Ein weiteres Thema ist die Frage nach dem Pflichtzölibat. „In einem Antrag soll der Vatikan aufgefordert werden, auch andere Lebensformen für das Priesteramt zuzulassen“, erklärt Sellmann die Stoßrichtung des Papiers. Demnach sollen auch verheiratete Priester oder Priester, die nach einer Heirat ausgeschieden sind, das Amt ausführen dürfen. Auch Laien sollen bei entsprechender Qualifikation und zunächst „auf Probe“ die Priesterweihe erhalten dürfen. „Zudem sollen auch homosexuelle oder queere Priester für das Amt zugelassen werden“, so Sellmann. Kurz: Niemand dürfe wegen seiner sexuellen Orientierung vom Priesteramt ausgeschlossen werden.
Priesterweihe für Frauen
Eine weiterer Antrag rüttelt an einem Tabu: Die Priesterweihe für Frauen soll zumindest erneut diskutiert und „ins weltkirchliche Gespräch“ eingebracht werden, zitiert Sellmann aus dem Papier. Der Gedanke dahinter klingt wie eine Selbstverständlichkeit: „Man kann Menschen aufgrund ihres Geschlechts nicht von Spitzenämtern ausschließen“, sagt der Theologe. Das müsse auch für die katholische Kirche gelten.
Ein strittiger und sehr symbolträchtiger Punkt ist die Forderung nach offiziellen Segnungsfeiern für homosexuelle, queere oder geschiedene Paare. „Viele Bischöfe signalisieren hier Offenheit“, meint Sellmann. Zwar umfasst die Synodalversammlung über 200 Personen aus allen Bereichen des katholischen Lebens. Allerdings haben die Stimmen der 67 Bischöfe besonderes Gewicht. Sie können Beschlüsse auch gegen die Mehrheit des Synodalen kippen, sofern keine Zweidrittelmehrheit der Bischöfe zustande kommt. „Wenn die Bischöfe die Segnungsfeiern ablehnen, müssen sie sich einen massiven Diskriminierungsvorwurf gefallen lassen“, sagt Sellmann. Denn der Synodale Weg wurde ja vor allem aus dem Beweggrund ins Leben gerufen, sexuelle Gewalt zu verhindern und entsprechende Strukturen aufzubrechen.
Warnung vor der Kirchenspaltung
Kritiker werfen den Reformern vor, sich von Rom abzuwenden und sogar eine Kirchenspaltung voranzutreiben. Der Synodale Weg sei kein vom „Volk Gottes“ gewollter Prozess, sondern ein Projekt katholischer Eliten. Außerdem habe Deutschland bereits „eine sehr gute evangelische Kirche“, zwei davon seien nicht notwendig, hatte Papst Franziskus den deutschen Bischöfen beschieden – ein Totschlagargument gegen jegliche innerkirchliche Veränderung.
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Prof. Sellmann aber sieht keinerlei Spaltungsabsicht bei den Reformern. „Wer wider besseres Wissen ständig vor einer Kirchenspaltung warnt und Öl ins Feuer gießt, muss sich fragen lassen, ob er nicht selbst maßgeblich zur Spaltung beiträgt.“ Sollten es die Bischöfe in Frankfurt zum großen Knall kommen lassen, müsse man von einer Glaubwürdigkeit bei der Missbrauchsaufklärung nicht mehr reden.
>>>> Der Synodale Weg
Der Synodale Weg ist ein Forum, das als Reaktion auf die Veröffentlichung der Studie über sexuellen Missbrauch in der Kirche (MHG-Studie) entstanden ist. Die Deutsche Bischofskonferenz und der Zusammenschluss der Laien, das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, tragen die Verantwortung für den Gesprächsprozess.
Die Synodalversammlung ist das oberste Gremium des Synodalen Weges und fasst die Beschlüsse. Ihr gehören die deutschen Bischöfe, Vertreter und Vertreterinnen des Zentralkomitees der Katholiken sowie Mitglieder geistlicher Dienste und kirchlicher Ämter sowie Einzelpersonen an. Insgesamt umfasst die Versammlung 230 Personen.