Essen. Entlastung für Heimbewohner und Tempo bei der Klinikreform: Was NRW-Krankenkassen in den laufenden Koalitionsverhandlungen fordern.
Die gesetzlichen Krankenkassen und Krankenkassenverbände in NRW fordern im Schulterschluss die künftige NRW-Landesregierung auf, Leiharbeit in der Pflege gesetzlich zu deckeln. Manche Pflegeheime bestritten bis zu 30 Prozent ihres Personalbedarfs inzwischen mit Leiharbeitskräften, sagte Dirk Janssen, Vorstand des BKK-Landesverbandes Nordwest. Das gehe auch zulasten der Pflege, in der es um Stabilität und Kontinuität geht.
„Leiharbeit darf keine Dauerlösung werden“, so Janssen. NRW müsse dem Beispiel von Hamburg und Schleswig-Holstein folgen und per Gesetz den Trägern vorschreiben, dass sie Leiharbeitskräfte nur in begründeten Ausnahmefällen einsetzen.
Leiharbeit in der Pflege nimmt an Bedeutung zu
Noch bildet die Leiharbeit in der Kranken- und Altenpflege eine Nische, doch sie wächst. Immer mehr Fachkräfte wechseln auch aus festen Beschäftigungsverhältnissen zu Zeitarbeitsfirmen, weil sie sich dort bessere Arbeitsbedingungen erhoffen.
Von März 2019 bis 2021 ist die Zahl der ausgeliehenen Kräfte in der Altenpflege landesweit um 31 Prozent, in der Krankenpflege um knapp 20 Prozent gestiegen. Das setzt Träger von Heimen und Kliniken zunehmend unter Druck.
Tempo bei der Klinikreform und Entlastung für Pflegebedürftige
In die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und Grüne hinein melden sich die Kassen mit einer Reihe von gemeinsamen Forderungen. So müsse das Land Pflegebedürftige in Heimen spürbarer entlasten, indem es Investitionskosten stärker übernimmt, und zugleich die Krankenhausreform zügig voranbringen.
Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Nordwest, machte beispielhaft deutlich: Derzeit würden 230 Kliniken Operationen zum Kniegelenkersatz durchführen, davon aber 30 weniger als 50 Operationen im Jahr machen. Ihnen fehle damit wichtige Routine. „Wir brauchen klare Versorgungsaufträge, Spezialisierung und Konzentration“, so Ackermann. Dass gerade in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet am Ende auch Kliniken schließen könnten, sei vertretbar.
Reform der Notfallversorgung: Betroffene wissen oft nicht, wohin
Die Kassen fordern zudem, dass NRW die Notfallversorgung im Alleingang neu aufstellt. Viele Versicherte wüssten im akuten Notfall nicht, wohin sie gehen sollen, sagte Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg.
Die Kassen sprechen sich deshalb für integrierte Notfallzentren als Anlaufstelle für Betroffene aus, von der sie dann an Rettungsdienst oder zur ambulanten bzw. stationären Versorgung weitergeleitet werden. NRW dürfe da nicht auf Bundesregelungen warten.
Mehr Unterstützung sei auch bei Präventionsangeboten nötig, die die Kassen für kommunale Gesundheitsbehörden entwickeln. Sie erlebten in Städten entweder eine Blockadehaltung oder solch eine personelle Überlastung, dass Projekte zur Prävention nicht angenommen und umgesetzt würden, sagte Dirk Ruiss, Leiter der vdek-Landesvertretung NRW.
„Wir brauchen eine stärkere und verbindlichere Beteiligung der Kommunen. Es fehlt an Akteuren, die Angebote, die wir haben, an die Leute bringen“, so Ruiss. Gesundheitsbehörden müssten dazu personell aufgebaut werden, so Ruiss.