Essen/Dortmund. Toiletten für Mädchen, Jungen und „für alle“? An Schulen ist das „diverse“ stille Örtchen immer mehr Thema. Schüler wollen „positive Aufregung“.

Zu Schultoiletten gibt es eigentlich immer etwas zu sagen. Meist spricht man dann über Dreck und Vandalismusschäden, nicht selten über den hohen Sanierungsbedarf. Doch an immer mehr Schulen in NRW geht es inzwischen um eine sehr viel grundsätzlichere Frage: Gibt es überhaupt Toiletten für alle Jugendlichen, die die Schule besuchen? Also nicht nur für „Mädchen“ und „Jungen“, sondern auch für jene, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen, die transsexuell sind oder für die sich der Besuch der Mädchen- oder Jungentoiletten schlicht nicht „richtig“ anfühlt?

„An unsere Schule ist das ein großes Thema geworden“, sagt Christina Neder, Leiterin der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Dortmund. „Bei uns gibt es immer mehr Schüler, die das Geschlecht wechseln oder das ankündigen.“

„Toilette für alle“ gibt es seit 2020 in einer neuen Turnhalle

Von bis zu 15 ihr bekannten Fällen bei einer Schülerschaft von rund 1400 Jugendlichen spricht Neder. Die Schule habe reagiert. Die Pädagogin erzählt von Beratungsgesprächen, die für diese Jugendlichen etabliert wurden, und berichtet, dass man in der „eh sehr offenen“ Schulgemeinde nicht länger „Schüler“ und „Schülerinnen“, sondern „Schüler*innen“ anspreche.

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Und sie verweist auf eine vergleichsweise neue Einrichtung vor Ort: Seit 2020 gibt es neben Mädchen- und Jungenklos auch eine „Toilette für alle“ in einer neuen Turnhalle, also ein stilles Örtchen, das vor allem Menschen offen stehen soll, für die das gesellschaftlich verankerte Modell von „Mann“ und „Frau“ zu kurz greift. Eine weitere geschlechtsneutrale Toilette kommt im Herbst dazu.

Dortmund hat 2019 freiwillig auf eine Rechtsänderung reagiert - andere Städte auch

Neder spricht von einer gesellschaftlichen Entwicklung, der damit Rechnung getragen werde. Der Schulträger, die Stadt Dortmund, tut das seit 2019. Kurz zuvor hatte Deutschland unter dem Druck eines höchstrichterlichen Urteils neben „männlich“ und „weiblich“ auch „divers“ als Geschlechtskategorie für Menschen anerkannt, deren Geschlecht medizinisch nicht eindeutig zuzuordnen ist.

Für öffentliche Bauvorhaben brachte diese Gesetzesänderung zwar keine Konsequenzen – baurechtlich sind „divers-Toiletten“ in Schulgebäuden oder Rathäusern nicht vorgeschrieben. Doch Dortmund reagierte freiwillig und macht es sich zur Aufgabe, bei allen Sanierungs- und Neubauvorhaben an Schulen mindestens ein geschlechtsneutrales WC zu schaffen.

Die Stadt ist damit nicht allein: Auch Essen hat eine Bauleitlinie für Schulen angepasst. Eine Folge ist, dass nun bei allen neuen Baumaßnahmen neutrale Formulierungen für Umkleiden oder sanitäre Räume vorgeschrieben sind. Lehrertoiletten etwa heißen „Personaltoiletten“ und überall dort, wo barrierearme Toiletten errichtet oder saniert werden, werden sie ebenfalls mit „Toiletten für alle“ beschriftet. Als erste Schule hat unlängst das Heinz-Nixdorf-Berufskolleg eine „divers“-Toilette mit Sitzklos und Pissoirs bekommen. Eine andere Lösung hat die Essener Gustav-Heinemann-Gesamtschule gefunden. Dort steht an allen Toiletten neben „Mädchen“ und „Jungen“ auch „divers“. Baulich sind die Räume weiterhin voneinander getrennt – das schreibt das Arbeitsstättenrecht vor.

Mülheim und Duisburg zeigen sich offen

Auch in Düsseldorf etwa gibt es an verschiedensten Schulen geschlechtsneutrale Toiletten. Andere Städte zeigen sich zumindest offen für die Idee: Mülheim will sich in Essen nach Rahmenbedingungen erkundigen, heißt es von der Stadt. Anfragen aus Schulen dazu gab es bislang allerdings weder in Mülheim noch in Duisburg. Die Stadt werde aber „offen mit der Idee umgehen und versuchen, pragmatische Lösungen zu finden“, sagt eine Sprecherin in Duisburg.

Leandra Schierenbeck. 
Leandra Schierenbeck.  © Privat | Privat

Und was sagen die Jugendlichen? Leandra Schierenbeck von der Schülervertretung der Geschwister-Scholl-Gesamtschule macht sehr deutlich, dass es ihr um eine Selbstverständlichkeit. Sie geht von einer sehr viel größeren Gruppe betroffener Jugendlicher aus als ihre Schulleiterin – „bestimmt zehn je Jahrgang“, für die die Frage, welche Toilette sie im Fall der Fälle aufsuchen, oft eine mit Unsicherheiten oder Angst vor Schikane behaftete sei.

Schülervertreterin: Genderneutrale Toiletten schaffen sichereren Raum

„Deshalb brauchen wir genderneutrale Toiletten“, sagt Schierenbeck. Sie schafften einen sicheren und privaten Raum, meint die 19-Jährige und spricht von Respekt für die Geschlechteridentität betroffener Jugendlicher „einfach dadurch, dass sie Schikane aus dem Weg gehen können“. Sie wünscht sich deshalb mehr „positive Aufregung“ und Aufklärung um diese WC-Anlagen und deren Notwendigkeit.

Gleichwohl: Gänzlich zufrieden sind Schierenbeck und Lukas Wiens, ebenfalls Schülervertreter an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule, nicht. Wiens merkt an, dass die erste „Toilette für alle“ an seiner Schule eigentlich ein WC für körperlich eingeschränkte Menschen sei. „Es hat Sprüche gegeben“, als sei Transsexualität ein Handicap. Zu einfach habe es man sich hier gemacht, findet der 17-Jährige.

Genutzt würde die geschlechtsneutrale Toilette aber durchaus, sogar als Umkleide - manchmal auf Wunsch der Jugendlichen, manchmal aber auch auf Rat der Lehrkräfte.