Bochum. Feo Böcker (22) aus Bochum ist non-binär, identifiziert sich nicht als Mann oder Frau. Das weiß Feo eigentlich schon seit dem Grundschulalter.

Kein Mann, keine Frau: Feo Böcker (22) weiß eigentlich schon seit der Grundschule, das keines dieser beiden Label passt. Feo aus Bochum ist non-binär, identifiziert sich außerhalb der zweigeteilten Geschlechterordnung.

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Geboren wird Feo als Vivien, geht als Mädchen in Herne zur Schule, macht in Duisburg als junge Frau eine Ausbildung. Als Kind war quasi selbstverständlich: „Ich habe einen weiblichen Körper, also bin ich ein Mädchen.“ Auch wenn das schon damals gar nicht zur eigentlichen Identität passte. Im Jahr 2015 outet sich Feo zum ersten Mal – als bisexuell. Drei Jahre später, 2018, folgt das Outing als pansexuell. Jemand kann sich emotional, romantisch und sexuell zu Menschen jeden Geschlechts hingezogenfühlen und sich in sie verlieben – so die Definition.

Feo (22) ist kein Mann und keine Frau: „Habe mich durch Definitionen gewühlt“

Vor einem Jahr folgt ein drittes Outing, denn Feo hat gemerkt: „Irgendwas ist anders, du bist irgendwie anders als andere Leute.“ Wie Feo das herausgefunden hat? „Weil ich mich durch Definitionen gewühlt habe. Ich bin über das Label ,nichtbinär’ gestolpert und habe dann festgestellt, okay, das klingt nach mir.“

Schnell beginnt die Suche nach einem neuen Vornamen. „Ich mag meinen alten Namen und finde ihn immer noch schön. Vivien bedeutet die Lebendige.“ Die Eigenschaft passe. Doch der Name nicht, er klingt zu weiblich. „Zuerst habe ich Finnian gewählt, aber das war wiederum zu männlich. Im Internet bin ich dann auf den Namen Feo gestoßen und dachte mir sofort: Den nimmst du, er ist kurz und passt!“

Feo Böcker sitzt in der Bochumer Innenstadt. Vor rund einem Jahr hat sich Feo als non-binär geoutet.
Feo Böcker sitzt in der Bochumer Innenstadt. Vor rund einem Jahr hat sich Feo als non-binär geoutet. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Aus Vivien wird Feo, allerdings noch lange nicht überall: Auf Personalausweis oder EC-Karte steht der alte Name. „Ich habe einen Ergänzungsausweis der Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Damit dürfte ich den Namen zum Beispiel bei der Bank ändern“, erklärt Feo. Das bedeutet allerdings auch Extra-Kosten, für Studierende nicht so leicht zu tragen.

„Ich habe an der Uni deutlich gemacht, dass ich Feo genannt werden möchte“

Auch an der Ruhr-Universität ist Feo offiziell als Vivien eingeschrieben – auch aufgrund des Bafög-Antrags, der über den offiziellen Namen Vivien läuft. „Ich habe an der Uni deutlich gemacht, dass ich Feo genannt werden möchte.“ Das klappt – bei Kommilitoninnen und Kommilitonen – und bei Lehrenden, in der Hochschulgruppe „Queer* an der RUB!“, wo Feo sich engagiert sowieso.

„Auch in Hausarbeiten durfte ich den Namen Feo schreiben“, berichtet Feo weiter. Die Profs sagen nicht Herr oder Frau Böcker – „Sie sagen einfach meinen Namen.“ Erst zweimal kam es bisher zu Versprechern, versehentlich. Doch schnell folgte eine Entschuldigung.

Feo lebt seit einem Jahr mit Freund in Bochum

Diskriminierung musste Feo bisher zum Glück kaum erfahren. „Das liegt aber eben auch daran, dass ich als Frau wahrgenommen werde und mit einem Mann zusammen bin“, sagt Feo. „An der Uni gab es so ein paar Kommilitonen, die Witze gemacht haben, allerdings nicht mit verletzender Absicht. Die habe ich dann trotzdem den Dozenten gemeldet und damit war das Thema für mich auch durch, da die sich dann auch entschuldigt haben.“

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Feo ist seit drei Jahren zusammen mit ihrem Freund (24), seit einem Jahr – mit Beginn des Geschichts- und Französisch-Studiums an der Ruhr-Universität – ist Weitmar der gemeinsame Wohnort. Geboren und aufgewachsen ist Feo in Herne. Als Feo sich im vergangenen Jahr vor ihrem Freund als non-binär outete, war die einzige Reaktion von ihm: „Das ändert nichts.“ Und: Es hat sich auch nichts geändert. Später einmal könnte sich das Paar vorstellen, Nachwuchs zu bekommen. „Ich möchte Kinder haben und kann mir vorstellen, sie auszutragen“, so Feo.

„Ich glaube, ich hatte riesiges Glück“

Auch für Feos Freunde hat sich durch das Outing nichts geändert. „Eine Freundin hat gesagt, dass sie das schon immer wusste.“ Feo ist viel in queeren* Kreisen unterwegs, da ist das ohnehin kein Thema. Für Eltern und Großeltern ist die neue Geschlechtsidentität in Ordnung. „Meine Oma fragt viel, wie ich mich fühle. Einmal hat sie gefragt: ,Vivien, möchtest du das haben?’ Darauf antworte mein Opa dann: ,Ich weiß nicht, ob Vivien das möchte, aber Feo schon.’“ Im Bezug auf das Outing sagt Feo: „Ich glaube, ich hatte riesiges Glück.“

Non-binär: Was ist das?

Das Geschlecht kann in mindestens fünf Dimensionen unterteilt werden: Körper, Identität, Ausdruck, Sexualität und Rolle. Die einzelnen Dimensionen sind unabhängig voneinander. Das non-binäre Geschlecht hat nur mit der Identität einer Person zu tun, nicht etwas zum Beispiel mit dem Körper, heißt es auf dem Blog nonbinary.ch.

Das Aussehen, die Beschaffenheit des Körpers oder die Sexualität einer non-binären Person ändere demnach nichts an ihrer Non-Binarität.

Es gibt verschiedene Ausprägungen des non-binären Geschlechts, zum Beispiel: „Agender“: jemand fühlt sich explizit ohne Geschlecht, „Bigender“: jemand fühlt sich als zweigeschlechtlich oder „Genderfluid“: das Geschlechtsempfinden ist fließend das heißt, es verändert sich immer wieder.

Feo Böcker aus Bochum bezeichnet sich als „Agenderflux“. „Ich fühle hauptsächlich keine Geschlechtsidentität. Wenn ich was fühle, dann eher eine maskuline“, so Feo.

Trotzdem hat Feo Wünsche: Im Ausweis sollte bald nicht mehr Vivien als Vorname stehen. Feo hofft, dass dafür bald das Selbstbestimmungsgesetz kommt. Zwar kann beim Geschlechtseintrag seit 2019 die dritte Option „divers“ eingetragen werden, allerdings ist die Vorlage eines ärztlichen Attestes notwendig. Die Grünen möchten mit einem Entwurf das Transsexuellengesetz durch das Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Es solle sichergestellt werden, „dass alle Menschen eine Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei einem Standesamt abgeben können.“

Feo nimmt bald Testosteron – um männlicher zu wirken

„Aktuell müsste ich über das Transsexuellengesetz gehen. Ich brauche dafür zwei unabhängige ärztliche Gutachten, dieser Weg ist mir zu kostspielig, zu unsicher“, erklärt Feo. Schon Anfang des kommenden Jahres möchte Feo aber damit beginnen, Testosteron zu nehmen – das Okay eines Psychologen gibt es bereits. Gerade die recht weibliche Stimme sorge dafür, dass Feo immer wieder als Frau wahrgenommen wird. Aber eine Frau ist Feo nicht – und auch kein Mann. Das ist Feo spätestens seit einem Jahr ganz klar.

*„Queer“ ist ein Sammelbegriff für Personen, deren geschlechtliche Identität und/oder sexuelle Orientierung nicht der heteronormativen Norm entspricht.